MDR KULTUR | 30.08.2024 Schabbat Schalom mit Katia Novominski: Nichts in dieser Welt ist ein Zufall
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03. September 2024, 13:42 Uhr
Es lohnt sich, Augen, Ohren und das Herz für die Botschaften offen zu halten, die das Leben bereithält. Denn nichts in Zufall. Und der Ewige kennt viele Wege, sich uns mitzuteilen, meint die Religionspädagogin Katia Novominski in ihrer Auslegung des Wochenabschnitts "Reeh".
Diese Woche lesen wir den Wochenabschnitt Re’eh - auf Deutsch "Siehe". Diesmal ist es auch wieder ein besonderer Schabbat. Jeden letzten Schabbat eines jüdischen Monats nennen wir “Schabbat Mevarchim” - frei übersetzt - Schabbat des Segnens. Was wird gesegnet? Der kommende Monat des jüdischen Kalenders, in unserem Fall der Monat Elul und nicht der September.
Der Monat Elul ist sehr außergewöhnlich. Es ist der Monat vor Beginn der Hohen Feiertage, und es ist eine besonders günstige Zeit, um an der eigenen Spiritualität zu arbeiten. Man reflektiert das vergangene Jahr, versucht den einen oder anderen Fehler wiedergutzumachen und gute Vorsätze fürs neue Jahr zu fassen.
Unsere Weisen beschreiben diese Zeit mit einer Metapher - "haMelech baSsade" - der König ist im Feld. Er ist nicht in seinem Palast auf seinem Thron, wo nur auserwählte Menschen eine Audienz erhalten können. Nein, er ist draußen, im Feld, wo jeder einfache Mensch zu ihm gehen und sein Anliegen vorbringen kann. So ist es im Monat Elul - der Ewige ist uns besonders nah, er kommt zu uns und öffnet seine Arme. So fällt es nicht schwer, in Kontakt mit ihm zu treten.
Aber zurück zu unserem Abschnitt. Welchen Gedanken für den kommenden Monat kann man vielleicht mitnehmen? Ich schlage den folgenden vor. Direkt im ersten Satz des Abschnitts, also im Kapitel 11, Vers 26 des fünften Buches Mose steht geschrieben: "Siehe, ich lege euch heute Segen und Fluch vor:"
Ein Deutschlehrer oder ein aufmerksamer Leser wird sofort stutzig. Die Grammatik dieses Satzes scheint merkwürdig zu sein. “Siehe” steht im Singular, aber “euch” ist Plural. Was ist nun? Zu wem wird hier gesprochen? Zu einer einzelnen Person oder zum gesamten Volk? Man muss doch die Grammatik entsprechend richtig anpassen!
Der berühmte Kommentator Avraham Ibn Ezra, seligen Andenkens sagt, dass tatsächlich beides gleichzeitig der Fall ist. Obwohl Mosche zum gesamten Volk spricht, spricht er dabei jeden einzelnen persönlich an! Seine Absicht ist es, das Herz eines jeden, der zuhört, zu erreichen.
Manchmal hört man etwas im Radio, in einem Vortrag oder einfach in einer Unterhaltung und hat das Gefühl, dass jemand einem aus der Seele spricht. Und manchmal geht es einem so, dass man meint, dass es einen überhaupt nichts angeht und es nur andere Menschen betrifft.
Genau hier kommt aber die Tora und gibt uns eine wichtige Botschaft. Wenn wir etwas hören, sei es einen Vortrag oder eine Radiosendung oder einfach einen Ratschlag, dann betrifft es uns immer in irgendeiner Form! Wir sollten diesen Gedanken hören und sich mit ihm auseinandersetzen.
Nichts in dieser Welt ist ein Zufall, und wenn der Ewige uns eine Mitteilung machen möchte, dann hat er viele Wege, die für uns nicht immer sofort erkennbar sind. Und so können wir vielleicht ein wenig unsere Augen, Ohren und das Herz für die verschiedenen Botschaften öffnen, vielleicht auch für den einen oder anderen Gedanken aus dieser wöchentlichen Sendung.
In diesem Sinne - Schabbat schalom!
Zur Person: Katia Novominski Katia Bruria Novominski, geboren 1985 in Kiew, aufgewachsen in Dresden. Studierte Gymnasiallehrerin für Physik und Russisch. Vor 20 Jahren fing sie mit jüdischer Jugendarbeit in Sachsen an, später arbeitete sie sechs Jahre im Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Dresden und leitete Bildungsprojekte bei der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST). Geschäftsführerin der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe, anschließend Leiterin der Repräsentanz der Jewish Agency for Israel in Berlin, jetzt Geschäftsführerin des Bundes traditioneller Juden in Deutschland (BtJ), Rebbetzin der jüdischen Gemeinden in Halle und Dessau, Religionslehrerin in Sachsen-Anhalt und – das ist ihr am wichtigsten: Ehefrau von Rabbiner Portnoy und Mutter von vier Söhnen.
Schabbat Schalom bei MDR KULTUR
Die Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.
Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.
"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 30. August 2024 | 15:45 Uhr