MDR Kultur | 28.02.2025 | Wochenabschnitt "Truma" Schabbat Schalom mit Rabbiner Elischa Portnoy: Die wichtigste Krone der Menschen

10. Januar 2025, 13:25 Uhr

Jeder Mensch, der ehrlich lebt, Bedürftigen hilft, sich für gute Zwecke engagiert, "erwirbt" die Krone des "guten Namen". Diese Krone, sagen die Weisen, sei die wichtigste Krone, die man haben könne, meint der Hallenser Rabbiner Elischa Portnoy in seiner Auslegung des Wochenabschnitts "Truma".

In diesem Schabbat lesen wir aus der Tora den Wochenabschnitt "Truma" (Hebe). Im Wochenabschnitt befehlt G’tt dem jüdischen Volk ein mobiles Heiligtum zu bauen, dass Juden bei ihren Wanderungen und Eroberungen viele Jahren begleiten wird.

Dieser Abschnitt ist nicht leicht zu lesen. Der Text enthält viele technische Details, wie Materialien, Maße und Verbindungsoptionen. Doch, wie wir schon mehrmals gesehen haben, gibt es in der Tora Informationen, die verborgen sind. Deshalb helfen uns unsere Weisen diese Weisheit zu entdecken, und sie kann uns sogar in unserem tagtäglichen Leben helfen.

Um diese Weisheiten zu entdecken, muss man den Text der Tora aufmerksam lesen und die kleinsten Details ganz genau betrachten.

So erfahren wir in unserem Wochenabschnitt, dass es viele verschiedene Gegenstände für das Heiligtum angefertigt werden mussten: ein Alter für die Tieropfer, ein "Goldener Altar" für Räucherwerk, den Leuchter "Menora", ein Tisch für die Brote, eine Bundeslade und einiges mehr.

Nur beim aufmerksamen Lesen fällt auf, dass drei der erwähnten Geräte etwas Gemeinsames hatten und zwar eine Krone! So steht zum Beispiel bei der Bundeslade in der Tora: "Und überziehe sie mit reinem Gold, von innen und von außen sollst du sie überziehen und mache daran einen goldenen Kranz ringsum". Auch bei der Beschreibung der Herstellung von Tisch und "Goldenem Altar" für Räucherwerk gibt es die gleiche Aufforderung: Einen "goldenen Kranz daran zu machen".

Doch wozu dient dieser Kranz? Ist er nur Schmuck oder hat eine besondere Bedeutung? Unsere Weisen erklären uns im Talmud, dass die Kronen auf diesen drei Geräten drei Sachen symbolisieren: Königtum, Priestertum und Gelehrsamkeit.

Die Krone des "Goldenen Tisches" steht für Macht und Reichtum. Gerade heutzutage erleben wir, dass diejenigen, die sehr reich sind, imstande sind, große Macht auszuüben. Die Krone des "Goldenen Altars", der für das Verbrennen des Räucherwerks verwendet wurde, symbolisiert das Priestertum, das Spirituelle in dieser materiellen Welt. Und die Krone der Bundeslade, wo die Tafeln mit Zehn Geboten lagen, steht für Gelehrsamkeit. 

Es gibt noch ein kleines Detail bei der Beschreibung dieser Kronen, dass nur im Original zu entdecken ist und in den Übersetzungen oft verlorenen geht: Wenn es bei den Kronen vom Tisch und Altar "mache dran" steht, wird die Herstellung der Krone bei der Bundeslade ein bisschen anders beschrieben: "mache ihr (der Lade)".

Unsere Weisen zeigen uns auch hier, dass der Unterschied bei der Beschreibung kein Zufall ist: während Königtum und Priestertum im Judentum vererbbar sind, kann die Gelehrsamkeit nicht vererbt werden.

Jeder Mensch soll sich sein Wissen selbst aneignen. Es kann schon vorkommen, dass Kinder talentiert sind und auch gute Chancen auf gute Bildung dank der Eltern haben. Jedoch sind weder Talent noch gute Schule Garantie, dass das Kind etwas Großes erreichen wird. Aber mit Fleiß und Sitzfleisch wurden auch weniger begabte und weniger unterstützte Kinder groß.

Was bedeutet diese Kronen für uns, für unser Leben? Wir sind weder Kinder von Königen, noch die Nachkommen von jüdischen Priestern – den Kohanim.  Nicht jeder von uns ist ein großer Wissenschaftler bzw. ein großer Rabbiner geworden. Unsere Weisen sagen in den "Sprüchen der Väter", dass es noch eine vierte Krone gibt, und zwar die Krone des "guten Namen".

Jeder Mensch, der ehrlich lebt, Bedürftigen hilft, sich für gute Zwecke engagiert, "erwirbt“ die Krone des guten Namen. Diese Krone, sagen unsere Weisen, ist die wichtigste Krone, die man haben könnte. Und diese Krone ist für jeden Menschen, jeder Herkunft, jeden Geschlechts und jeder Bildung möglich. Das ist eine wichtige Lehre, die wir dank unserer Weisen aus unserem, nicht sehr spannendem, Wochenabschnitt entnehmen können.

Ich wünsche uns allen, diese vierte Krone zu erwerben und einen gesegneten Schabbat!

Zur Person: Rabbiner Elischa M. Portnoy Rabbiner Elischa M. Portnoy wurde 1977 in Nikolaew in der Ukraine geboren. Seit 1997 lebt er in Deutschland. 2007 erwarb er sein Diplom als Ingenieur für Elektrotechnik an der TU Berlin. 2012 schloss er seine Ausbildung am Rabbinerseminar in Berlin ab und erhielt die Smicha.

Elischa M. Portnoy arbeitet als Militärrabbiner der Bundeswehr am Standort Leipzig und betreut die Jüdische Gemeinde in Halle / Saale. Er ist Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands (ORD). Er ist verheiratet mit Rebbetzin Katia Novominski und Vater von vier Söhnen.

Schabbat Schalom bei MDR KULTUR Die Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 28. Februar 2025 | 15:45 Uhr

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