Rabbiner Elischa M. Portnoy 4 min
Bildrechte: Elischa M. Portnoy

MDR Kultur | 21.03.2025 | Wochenabschnitt "Wajakhel" Schabbat Schalom mit Rabbiner Elischa Portnoy: Gott ist überall präsent

10. Januar 2025, 13:25 Uhr

Eine Küche kann genauso heilig sein wie eine Synagoge. Denn Gott ist in der Welt präsent. Und er fordert dazu auf, auch den Alltag spirituell zu gestalten – nach den Prinzipien der Tora. Das meint der Hallenser Rabbiner Elischa Portnoy in seiner Auslegung des Wochenabschnitts Wajakhel.

An diesem Schabbat wird der Wochenabschnitt "Wajakhel" ("Und versammelte") gelesen. Abgesehen von den ersten drei Versen des Wochenabschnitts erzählen alle restlichen Verse wieder einmal vom mobilen Heiligtum, dem "Mischkan".

Es geht um den Befehl, den Mischkan zu bauen, das Sammeln von nötigen Materialien, die Vorbereitung, den Bau und auch seine Fertigstellung. Wenn man bedenkt, dass drei weitere Wochenabschnitte des zweiten Buches Moses "Exodus" dem gleichen Thema gewidmet sind, ruft die große Aufmerksamkeit der Tora zum Thema "Mischkan" ziemliche Verwunderung hervor.

Natürlich ist das Heiligtum wichtig, schließlich war der Mischkan während der Wüstenwanderung das spirituelle Zentrum des jüdischen Volkes. Dort wurden Opfer dargebracht, dort konnte man die Arbeit von Priestern bewundern und vom wunderbaren Singen der Leviten inspiriert werden.

Doch weder für die großen Wunder beim Auszug aus Ägypten noch für die spannenden Ereignisse der vierzigjährigen Wüstenwanderung wendet die Tora so viele Verse auf. Warum also wird dem Bau des Mischkan in der Tora so viel Platz eingeräumt? Und warum endet gerade mit der Fertigung des Heiligtums das zweite Buch Moses, das sich hauptsächlich mit dem historischen Auszug aus Ägypten befasst?

Um diese Fragen zu beantworten, muss man die Ereignisse des gesamten Buches "Exodus" betrachten. Erster Höhepunkt der Erzählung ist die Befreiung der Juden aus ägyptischer Sklaverei.

Gleichzeitig war es auch die Geburtsstunde des jüdischen Volkes. Doch wozu diente diese Befreiung? Die Juden wurden von der Sklaverei befreit, um G’tt zu dienen. Das hat G’tt Moses beim brennenden Busch ausdrücklich verkündet: "…und das sei dir das Zeichen, dass ich dich sende. Wenn du das Volk geführt hast aus Mizrajim, werdet ihr G‘tt dienen auf diesem Berge".

Außerdem wurde das befreite Volk auch noch für eine spezielle Aufgabe auserwählt: "…ihr sollt mir ein Königreich von Priestern sein und ein heiliges Volk".

Dieses Auserwähltsein ist kein Geschenk oder Privileg, sondern eine verantwortungsvolle Aufgabe. Das jüdische Volk sollte, nach G’ttlichem Plan, in diese Welt die Idee des Monotheismus und hohe ethische Standards bringen.

Für diese Aufgabe hat das jüdische Volk auf dem Berg Sinai die Tora von G’tt bekommen. Die Tora beinhaltet G’ttliche Weisheit und gibt den Leitfaden für unser Leben voller Herausforderungen.

Der Empfang der Tora war ein enorm wichtiger Meilenstein beim Auszug aus Ägypten. Doch stellte er keinen Abschluss des Auszuges dar.

Die Befreiung aus der Sklaverei war erst dann abgeschlossen, als der Mischkan gebaut und in Betrieb genommen worden war, wie es in unserem letzten Wochenabschnitt beschrieben wurde.

Es ist wichtig zu verstehen, dass der Mischkan, das Heiligtum, das bei der Wüstenwanderung und bei der Eroberung des Heiligen Landes immer dabei war, nicht nur für den Opferdienst diente.

Seine wichtigste Funktion bestand vor allem darin, dass dort die Schechina – die G’ttliche Präsenz - ruhte. Auf diese Weise war der Mischkan sozusagen die Wohnung für G’tt in dieser Welt.

Und wofür braucht G’tt eine Wohnung in dieser Welt? Wenn wir an G’tt denken, dann denken wir doch eher an den Himmel als an die Erde. Doch mit Seiner Präsenz in dieser materiellen Welt hat G’tt uns eine sehr wichtige Lektion erteilt.

Wir sollen nicht denken, dass man Profanes und Heiliges trennen kann. Dass wir uns nur in der Synagoge bzw. anderen G’tteshäusern mit Spirituellem beschäftigen sollen und uns zu Hause, bei der Arbeit oder im Urlaub "einfach so" benehmen können.

Nein, sagt uns G’tt: auch in dieser materiellen Welt können wir ganz profane Beschäftigungen heiligen. Sogar solche "irdische" Aktivitäten wie Essen, Schlafen und das Eheleben können wir mit den Prinzipen, die in der Tora stehen, spirituell gestalten.

Unsere Küche, unser Schlafzimmer können nicht weniger heilig als die Synagoge und sogar als der Mischkan sein! G’tt hat es uns mit seiner Präsenz im materiellen Mischkan vorgemacht. Nun sind wir am Zug, um Ihm das nachzumachen. Die Kraft dazu haben wir.

Schabbat Schalom!

Zur Person: Rabbiner Elischa M. Portnoy Rabbiner Elischa M. Portnoy wurde 1977 in Nikolaew in der Ukraine geboren. Seit 1997 lebt er in Deutschland. 2007 erwarb er sein Diplom als Ingenieur für Elektrotechnik an der TU Berlin. 2012 schloss er seine Ausbildung am Rabbinerseminar in Berlin ab und erhielt die Smicha.

Elischa M. Portnoy arbeitet als Militärrabbiner der Bundeswehr am Standort Leipzig und betreut die Jüdische Gemeinde in Halle / Saale. Er ist Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands (ORD). Er ist verheiratet mit Rebbetzin Katia Novominski und Vater von vier Söhnen.

Schabbat Schalom bei MDR KULTUR Die Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 21. März 2025 | 15:45 Uhr

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