Gemälde: Lucas Cranach d.Ä. Adam und Eva im Paradies 5 min
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Keine Generation vor uns hatte mehr Wissen über die Schöpfung Gottes, stellt Kantor Elija Schwarz in seiner Wochenauslegung des Abschnittes Bereschit fest.

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MDR KULTUR | 25.10.2024 Wochenabschnitt Bereschit Schabbat Schalom mit Kantor Elija Schwarz: "So viel Dummheit lässt mich staunen!"

27. September 2024, 12:15 Uhr

Keine Generation vor uns hatte mehr Wissen über die Schöpfung Gottes, stellt Kantor Elija Schwarz in seiner Wochenauslegung des Abschnittes Bereschit fest. Er taucht ein in die Schöpfungsberichte der Tora und kommt auf die Grenzen unserer Erkenntnisfähigkeit zu sprechen, die sich darin zeigt, dass wir nicht handeln, obwohl die Schöpfung doch bedroht ist.

Die Tora schildert zu Beginn ihrer Erzählung die Erschaffung der Welt und hebt an mit: "Im Anfang erschuf Gott den Himmel und die Erde". Inkludiert sind hier schon Finsternis und Wasser. Es folgt ebenso aus dem Nichts heraus die Erschaffung des Lichtes und dann seine Scheidung als Tag von der Finsternis als Nacht – das war der erste Schöpfungstag.

Am zweiten Schöpfungstage scheidet der Ewige mittels des Firmamentes zwischen den Wassern oben und unten. Meere, Landmasse sowie samen- und fruchttragende Pflanzen entstehen am dritten Tage. Am vierten Tage folgt die Schaffung der Sonne, des Mondes und der Gestirne, um uns Zeichen zu sein für den Verlauf der Zeit; der Tage, der Monate und der Jahre. Der fünfte Tag bringt die Lebewesen des Wassers und der Luft. Der sechste Tag erzählt von der Erschaffung der Landlebewesen und dann des Menschen im Ebenbilde seines Schöpfers, als Mann und Frau. Die Menschen erhalten die Erlaubnis, sich die Erde untertan zu machen und sich von den Pflanzen zu ernähren. Am siebenten Tag ruhte der Ewige von seinem Schöpfungswerke, segnete diesen Tag als einen heiligen Ruhetag – den Schabbat.

Der zweite Schöpfungsbericht

Und dann beginnt unerwartet ein zweiter Schöpfungsbericht, der mit der Erschaffung des Menschen anhebt und der des Gartens Edens fortfährt. Aus der Seite des ersten Menschen Adam wird seine Frau Chawa gebildet und sie leben in vollständiger Harmonie mit Gott und seiner Schöpfung. Von der Schlange verführt, übertreten sie das einzig geltende göttliche Verbot und werden des Paradieses verwiesen. Sie bekommen zwei Söhne, Kajin und Hewel. Aus Zorn erschlägt Kajin Hewel, dessen Opfer Gott willkommen war. Es folgt eine Liste der Abkömmlinge Adams bis No'achs.

Gott sieht, wie schlecht und verderbt die Menschheit geworden ist und bedauert, sie überhaupt geschaffen zu haben.

In unserem Wochenabschnitt berichtet die Bibel unter zwei unterschiedlichen Aspekten von der Erschaffung des Menschen. Im ersten Schöpfungsbericht geht es vor allem um sein Verhältnis zu Gott, so wie es in 1:26-27 beschrieben wird. "Gott sprach: Wir wollen einen Adam machen in einer unser würdigen Hülle wie es unserem Ebenbild entspricht, und sie sollen ihre Herrschaft üben an dem Fisch des Meeres und an dem Vogel des Himmels und an der ganzen Erde und an allem Gewürm, das dahinschreitet auf der Erde. Da schuf Gott den Menschen in einer Seiner würdigen Hülle; in Gottes würdiger Hülle hat er ihn geschaffen; männlich und weiblich hat Er sie geschaffen."

Raschi zitiert den Midrasch Bereschit Rabba, demnach Gott Adam als Stellvertrater schuf und schreibt weiter, die dem Ewigen würdige Hülle ist die Möglichkeit zu unterscheiden und zu verstehen.

Der erste Schöpfungsbericht wird strukturiert, indem die einzelnen Schöpfungsakte versehen werden mit der abschließenden Bemerkung: "Und Gott sah, dass es gut sei." Bei der Erschaffung des Menschen fehlt interessanterweise diese Anmerkung. Im zweiten Schöpfungsbericht geht es mehr um die physische Erschaffung des Menschen. Sein erster Wohnort ist Gan Eden, der in der nach-biblischen Literatur auch als Pardes bezeichnet wird. Wir hören schon an der Wortwurzel, dass das uns geläufige andere Wort Paradies mit dem altpersischen Wort Pardes verwandt ist.

Mit der Abkürzung PaRDeS wiederum, bestehend aus den Buchstaben Pe/Resch/Dalet und Ssamech, werden auch vier verschiedene jüdische Exegeseansätze bezeichnet. Der letzte Konsonant, das Ssamech, steht dabei für Ssod, das Geheimnis.

Grenzen der Erkenntnis

Im Pardes stehen viele Bäume, aber einer in seiner Mitte wird als besonders erwähnt. Es ist der Baum der Erkenntnis dessen, was gut und böse ist (2:16-17). An dem Tage, an dem der Mensch davon isst, muss er sterben. Der Mensch ist also eigentlich erschaffen worden, als ein ewig lebendes, keine Not und Krankheit leidendes Wesen. Allerdings mit der Einschränkung nicht alles ergründen zu können, Grenzen der Erkenntnis zu haben und mit Geheimnissen leben zu müssen. Denn Geheimnisse, Unergründlichkeiten, machen uns staunen. Der Mensch hat sich aber nun entschlossen alles zu ergründen. Die Erkenntnis darüber, was gut und schlecht ist, scheint ihm dabei nicht zwingend zugefallen zu sein. Keine Generation vor uns hatte mehr Wissen über die Schöpfung Gottes. Aber dieses Wissen hat nur zu immer mehr Ausbeutung der Schöpfung geführt. Und selbst mit dem Wissen über ihren Untergang sind wir nicht in der Lage recht zu handeln. So viel Dummheit lässt mich staunen!

Unser Wissen hat immer nur zu mehr Ausbeutung der Schöpfung geführt. Selbst mit dem Wissen über ihren Untergang handeln wir nicht. So viel Dummheit lässt mich staunen!

Schabbat Schalom und alles Gute für Euch und Eure Familien und Freunde
Kantor Schwarz


Zur Person: Elija Schwarz
Elija Schwarz, geboren 1969, arbeitet als Kantor für die Jüdische Gemeinde zu Dresden. Außerdem ist er als Kantor und Religionslehrer für den Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen tätig und auch für das Jüdische Seniorenheim Hannover zuständig. Zuvor war er fünf Jahre lang Kantor der Etz-Chaim-Synagoge in Hannover. Darüber hinaus betreut er seit fast zwei Jahrzehnten die Jüdische Gemeinde Elmshorn in Schleswig-Holstein.

Schabbat Schalom bei MDR KULTUR Die Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

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Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 25. Oktober 2024 | 15:45 Uhr