MDR KULTUR Schabbat Schalom mit Kantor Elija Schwarz: Wochenabschnitt "Pinchas"
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25. Juli 2024, 14:15 Uhr
Um des Friedens willen, darf man von der persönlichen Wahrheit abweichen. Jemand der diese Flexibilität vermissen lässt, ist als Führungspersönlichkeit ungeeignet, meint Kantor Elija Schwarz in seiner Wochenauslegung.
Unsere Parascha der Woche ist Pinchas und sie setzt die Erzählung um ihren Namensgeber fort. Wir lesen in ihr von der großen Belohnung, die Pinchas, Sohn Elasars und Enkel Aharons, für seinen Totschlag aus Eifer erhält, der die wegen des Dienstes beim Götzen Ba‘al Pe‘or ausgebrochene Plage zu einem Ende bringt.
Ihm und seinen Nachkommen wird Kohanut, die Priesterwürde, auf ewig zugesagt und ein Brit Schalom, ein Friedensbund, zugesprochen. Dann fordert der Ewige von Mosche gegen die Midjaniter zu ziehen, und zusammen mit Elasar das Volk zu zählen. Erfasst werden alle Männer ab einem Alter von zwanzig Jahren. Die Tora gibt eine Gesamtzahl von 601.730 Mann an.
Der Ewige trägt Mosche auf, durch Lose das versprochene Land zwischen den Gezählten aufzuteilen. Während dieser Prozedur erscheinen die fünf Töchter Zelofchads aus dem Stamme Menasche und machen einen Anspruch auf das Land geltend. Nur weil ihr Vater starb, ohne einen Sohn gezeugt zu haben, soll sein Name nicht seinem Geschlecht verloren gehen: "Gib uns Besitz unter den Brüdern unseres Vaters!"
Mosche ist sich unsicher und bringt den Rechtsanspruch der Schwestern vor den Ewigen, denn bis jetzt war eine Erbfolge von Töchtern nicht vorgesehen. Der Ewige verkündete: "Recht haben die Töchter Zelofchads gesprochen!" Wenn kein Sohn da ist, geht ab jetzt die Erbfolge über die Tochter. Ist auch sie nicht da, geht es an die Brüder.
Der Ewige befielt Mosche auf einen Grenzberg zu steigen, von dem herab er das gelobte Land sehen kann. Nachdem er das Land gesehen hat, wird er sterben. Zu seinem Nachfolger soll er Jehoschu'a bin Nun wählen. Vor Elasar HaKohen und dem ganzen Volk legte Mosche seine Hände auf Jehoschu'a und gibt ihm Befehl und Weisung.
Nun folgen die Anweisungen für die Korbanot, die vorgeschriebenen Annäherungsgaben, die im Deutschen nur missverständlich als Opfer übersetzt werden können.
Da werden erwähnt das tägliche Korban Tamid, wir lesen weiterhin vom zusätzlichen Korban Mußaf zum Schabbat, zum Rosch Chodesch, dem Monatsbeginn, zu den Wallfahrtsfesten Pessach, Schawu'ot und Sukkot und weiterhin noch zu Rosch HaSchana, Jom Kippur, und ScheminíiAzeret. Diese Anordnung über die Korbanot ist die Grundlage für die Maftir-Lesung bei Feiertagen und wir hören sie deshalb oft in unseren Synagogen.
Regelmäßige Synagogen-Gänger oder auch einfach nur aufmerksame Leser des Lu‘achs, des Jüdischen Kalenders, wissen, dass es das Phänomen der Doppelwochenabschnitte gibt. Die Tora ist solcherart in 54 Wochenabschnitte eingeteilt, dass auch in einem Schaltjahr jeder Woche eine Lesung zugeteilt ist.
Unser jüdisches Jahr ist ein Mondjahr und der Monat hat entweder 29 oder 30 Tage. Dabei kommt eine Jahreslänge von 354 Tagen zusammen. Das sind 11 Tage weniger als im Sonnenjahr. Da einige unserer Feiertage einen agrarischen Hintergrund haben, ist es wichtig, dass sie ungefähr in die entsprechende Jahreszeit fallen. Also das Wallfahrtsfest Pessach in den Frühling, Schawu‘ot in den Frühsommer und Sukkot in den Herbst.
Deshalb wird der jüdische Kalender regelmäßig am Sonnenjahr korrigiert und es gibt innerhalb von 19 Jahren, alle zwei, drei Jahre, ein Schaltjahr mit einem zusätzlichem Monat Adar 2.
Wenn nun kein Schaltjahr ist, werden einige Wochenabschnitte zusammengelegt. Die vor Pinchas stehenden Lesungen Chukkat und Balka und die Pinchas nachfolgenden, Matot und Massej, können je nach Jahr einzeln oder getrennt gelesen werden. Aber Pinchas wird immer einzeln gelesen.
Der aus Litauen stammende und in Wolhynien wirkende Rabbiner Pinchas Schapiro von Korez aus dem 18. Jahrhundert, bekannt auch als Pinchas Korizer, erklärt es so: Pinchas war ein die absolute Wahrheit Suchender und Vertretender. Ein solch extremer und perfektionistischer Mensch bleibt ein Einzelgänger.
Gott gab ihm zwar den Bund des Friedens - meiner Meinung nach vor allem den des inneren Friedens - aber Pinchas war ungeeignet, die Nachfolge Mosches anzutreten.
Die Weisen sagen, dass man zuliebe des Friedens von der persönlichen Wahrheit abweichen darf. Jemand der diese Flexibilität vermissen lässt, ist als Führungspersönlichkeit ungeeignet. Und daran möge uns die fehlende Kopplungsmöglichkeit des dieses Wochenabschnittes erinnern.
Schabbat Schalom und alles Gute für Euch und Eure Familien und Freunde
Kantor Schwarz
Zur Person: Elija Schwarz
Elija Schwarz (*1969) arbeitet als Kantor für die Jüdische Gemeinde zu Dresden. Außerdem ist er als Kantor und Religionslehrer für den Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen tätig und auch für das Jüdische Seniorenheim Hannover zuständig. Zuvor war er fünf Jahre lang Kantor der Etz-Chaim-Synagoge in Hannover. Darüber hinaus betreut er seit fast zwei Jahrzehnten die Jüdische Gemeinde Elmshorn in Schleswig-Holstein. Wenn er nicht dienstlich unterwegs ist, lebt Elija Schwarz in Bitterfeld.
Schabbat Schalom bei MDR KULTUR
Die Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.
Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.
"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 26. Juli 2024 | 15:45 Uhr