Schabbat Schalom | MDR Kultur | 06.12.2024 Wochenabschnitt "Wajeze" - Jakobs Traum und sein Versprechen
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02. August 2024, 11:00 Uhr
In einer Notlage nehmen sich Menschen oft Dinge vor, die sich nur umsetzen lassen, wenn sie die schwierige Situation überstehen. So erging es auch Jakob auf der Flucht. Die Erfüllung seines Gelübdes, Gott ein Haus zu errichten, knüpfte er an deshalb an Bedingungen. Völlig zu Recht, meint Rabbiner Alexander Nachama in seiner Auslegung des Wochenabschnitts Wajeze.
Im Wochenabschnitt "Wajeze" lesen wir von Jakob, der sich auf der Flucht vor seinem wütenden Bruder Esau befindet. Diesem hatte Jakob auf zweifelhafte Weise den Erstgeburtssegen genommen. Unterwegs auf der Flucht hat Jakob eines Nachts einen Traum.
Dort spricht Gott: "Ich werde mit dir sein, dich allenthalben behüten, wohin du reist und dich schließlich in dein Land zurückführen."
Jakobs Bedingungen
Als Jakob am nächsten Morgen aufsteht, nimmt er einen Stein und errichtet ein Denkmal. Aber nicht nur das, Jakob tut ein Gelübde: "Wenn Gott mit mir sein und mich behüten wird auf diesem Wege, welchen ich reise, mir auch Brot zu essen und Kleidung zum Anziehen geben wird, wenn ich wohlbehalten in meines Vaters Haus zurückkomme (...) dann soll dieser Stein, welchen ich zum Denkmal errichtet habe, Gottes Haus sein."
Es fällt auf, dass Jakob seine Versprechen an Bedingungen knüpft. Zunächst ist dabei Gott in der „Pflicht“, heißt es doch "Wenn Gott mit mir sein (wird)…". Wieso beginnt Jakob sein Gelübde mit diesen Worten, wenn er doch gerade noch im Traum gehört hat, dass Gott ihn behüten wird. Zweifelte Jakob etwa an Gott?
Dabei ist wichtig zu beachten, dass sich Jakob auf der Flucht befand. Daher mangelte es ihm an Brot und an Kleidung.
Brot steht dabei für Nahrung. Jakob konnte nicht viel auf seine Reise mitnehmen, war sie doch nicht von langer Hand geplant. Ähnlich wie die Israeliten beim Auszug aus Ägypten nur halbfertiges Brot, die Matzen, mitgenommen hatten, konnte auch Jakob nicht viel Essen mitnehmen.
Nur ein Stein zum Schutz
Kleidung steht für Schutz. Jakob war schutzlos. Er hatte kein Haus, in das er abends zurückkehren konnte. Im Gegenteil: Wir lesen, dass Jakob nachts unter freiem Himmel schlief und einen Stein als Kopfkissen nutzte. Keine allzu gemütliche Vorstellung.
Ganz im Gegenteil. Ein kalter, harter Stein – wir können Jakob dafür bewundern, dass er so überhaupt Schlaf finden konnte. Der berühmte mittelalterliche Tora-Kommentar von Raschi begründet den Stein damit, dass Jakob sich vor wilden Tieren fürchtete. In der Wildnis, schutzlos den Tieren ausgeliefert, ein Stein zur Verteidigung im Notfall: Das führt uns Jakobs Situation vor Augen.
Jakob wünscht sich, wohlbehalten in das Haus seines Vaters zurückzukehren, in seine Heimat. Das mag ein frommer Wunsch gewesen sein, schließlich war Jakob doch gerade erst von dort geflohen. Dennoch hofft Jakob, dass seine Flucht keine dauerhafte, sondern nur eine vorübergehende ist.
Zweifelte Jakob also wirklich an Gott? Ich denke nicht.
Wir kennen es bestimmt selbst: In einer Notlage werden häufig Versprechungen gemacht, die sich etwa so anhören können: "Wenn ich diese Situation überstehe, dann werde ich viel Gutes tun." Wir nehmen uns bestimmte Dinge vor, die wir jedoch nur dann erfüllen können, wenn wir diese Situation überstehen.
So ist es auch bei Jakob: Um Gott zu dienen, braucht er Brot, Kleidung und ein Haus. Es ist daher nur ehrlich und konsequent, dass Jakob sein Gelübde in dieser Reihenfolge spricht.
Ich wünsche Ihnen einen erholsamen Schabbat – Schabbat Schalom!
Zur Person: Alexander Nachama
Geboren 1983 in Frankfurt am Main. 2005 erhielt er von Rabbiner Zalman Schachter-Shalomi, dem Gründer der Rabbiner- und Kantorenschule "Aleph", eine Urkunde als Kantor. 2008 erhielt er einen Bachelor in Judaistik (Freie Universität Berlin), 2013 einen Master (Universität Potsdam).
Ab 2007 absolvierte er eine Ausbildung am Abraham Geiger Kolleg mit Studienaufenthalten in Israel, die er 2013 mit der Ordination zum Rabbiner abschloss. 1998 - 2011 amtierte Alexander Nachama zunächst als ehrenamtlicher Vorbeter, später als Kantor in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.
In den Jahren 2012 - 2018 war er Gemeinderabbiner der Jüdischen Gemeinde zu Dresden, bis August 2023 Landesrabbiner der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen. Inzwischen ist Alexander Nachama der zuständige Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg.
Schabbat Schalom bei MDR KULTUR
Die Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.
Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.
"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 06. Dezember 2024 | 15:45 Uhr