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Religionspädagogin Katia Novominski erklärt, dass das heilige Buch eine ganz konkrete Regel für den geschäftlichen Alltag hat: Niemanden übervorteilen und die Schwächsten schützen!

MDR KULTUR - Das Radio Fr 24.05.2024 15:30Uhr 04:22 min

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MDR KULTUR | 24.05.2024 Schabbat Schalom mit Katia Novominski: Tora und Business – wie passt das zusammen?

24. Mai 2024, 04:00 Uhr

Tora und Business – wie passt das zusammen? Empfiehlt die Tora etwa ein bestimmtes Wirtschaftssystem? Zumindest gibt sie im Wochenabschnitt "Behar" eine klare Anleitung zum Geschäftsgebaren: Bei Geschäftsabschlüssen darf keiner übervorteilt werden – und die Schwächsten einer Gesellschaft sind zu schützen. Darauf weist die Religionspädagogin Katia Novominski in ihrer Auslegung hin und meint, so plädiere die Tora quasi auch für eine soziale Marktwirtschaft.

Diese Woche lesen wir den Wochenabschnitt "Behar" – auf dem Berg. Das ist das vorletzte Kapitel im dritten Buch Mose und umfasst, wie so oft, verschiedene Themen. Zum Beispiel geht es um die landwirtschaftlichen Gesetze, die die Bewirtschaftung des Landes Israel betreffen.

Wie immer, wenn wir in der Tora lesen, erwarten wir, einen Bezug zu uns selbst zu finden. Man erwartet von einem heiligen Buch, welches die Anleitung für ein gerechtes Leben ist, dass es viele Hinweise zur Spiritualität enthält, dass es über die Nächstenliebe spricht und so weiter und so fort.

Wenn wir aber in unseren Abschnitt schauen, können wir absolut erstaunliche Gesetze lesen. In Kapitel 25, Verse 14.-17. steht geschrieben: "14.Und so ihr verkaufet eine Ware deinem Nächsten oder kaufet von der Hand deines Nächsten, so übervorteilt einander nicht. 15. Nach der Zahl der Jahre seit dem Jobel sollst du kaufen von deinem Nächsten; nach der Zahl der Erntejahre soll er dir verkaufen. 16.Nach Verhältnis der vielen Jahre steigere ihm den Kaufpreis, und nach Verhältnis der wenigen Jahre mindere ihm den Kaufpreis; denn eine Anzahl von Ernten verkauft er dir. 17.Und übervorteilet einander nicht, sondern fürchte dich vor deinem Gott; denn ich, HaSchem bin euer Gott."

Wie bitte? Tora und Business – wie passt das zusammen? Empfiehlt die Tora etwa ein bestimmtes Wirtschaftssystem? Ist der Kommunismus das System der Wahl?  Es spricht einiges dafür, denn in einer gerechten Welt sollte ja alles allen gehören, oder nicht? Oder ist es vielleicht doch der Kapitalismus? Immerhin lesen wir ja etwas vom Kaufen und Verkaufen. Gibt es da echt Hinweise?  Aber ja, sagt Rabbi Yossy Goldman aus Südafrika.

"Übervorteilet einander nicht!"

Wenn wir uns aufmerksam mit unserem Wochenabschnitt, aber auch mit vielen anderen Textstellen auseinandersetzen, dann erkennen wir in aller Deutlichkeit, dass die Tora an die freie Marktwirtschaft glaubt. Wir sollen verkaufen, wir sollen kaufen. Man kann und soll die Felder bestellen und davon leben. Es gibt Gesetze, wie man seine Arbeiter und Diener behandeln und entlohnen soll, und die ergeben nur dann einen Sinn, wenn man eben Angestellte hat.

Erteilt die Tora damit einen Freifahrtschein? Kann man somit tun und lassen, was man möchte, solange man ein gutes Geschäft macht? So einfach ist es auch wieder nicht, und das ist gut so! Wenn wir nochmal genauer auf unsere Textstelle schauen, dann ergibt sich die Antwort gewissermaßen von selbst. Es steht mehrmals geschrieben: "Übervorteilet einander nicht!" Man darf sich eben keinen Vorteil verschaffen, indem man die Unkenntnis oder das Ungeschick seines Geschäftspartners ausnutzt. Wenn man noch die ganzen sozialen Gesetze der Tora dazu nimmt, und damit meine ich die Verpflichtungen, sich um die Armen, die Waisen, die Witwen etc. zu kümmern – und zwar nicht etwa abstrakt, sondern mit sehr konkreten Regeln und Verpflichtungen – dann erkennt man, dass wir im Grunde genommen von einer sehr starken sozialen Marktwirtschaft sprechen können. Also ein klares "Ja" zum Geschäft mit einem starken "Aber".

Auf verschiedensten Ebenen betrifft diese Botschaft uns alle, vor allem, wenn es um unseren Beitrag zu einer besseren, sozialeren, aber auch einer wohlhabenderen Gesellschaft geht. Aber insbesondere sind diese Erkenntnisse für diejenigen von uns wichtig, die tagtäglich geschäftliche Entscheidungen treffen müssen. Erfolg können allerdings alle gebrauchen, also wünsche ich allen viel Erfolg!

In diesem Sinne – Schabbat schalom!

Zur Person: Katia Novominski Katia Bruria Novominski, geboren 1985 in Kiew, aufgewachsen in Dresden. Studierte Gymnasiallehrerin für Physik und Russisch. Vor 20 Jahren fing sie mit jüdischer Jugendarbeit in Sachsen an, später arbeitete sie sechs Jahre im Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Dresden und leitete Bildungsprojekte bei der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST). Geschäftsführerin der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe, anschließend Leiterin der Repräsentanz der Jewish Agency for Israel in Berlin, jetzt Geschäftsführerin des Bundes traditioneller Juden in Deutschland (BtJ), Rebbetzin der jüdischen Gemeinden in Halle und Dessau, Religionslehrerin in Sachsen-Anhalt und – das ist ihr am wichtigsten: Ehefrau von Rabbiner Portnoy und Mutter von vier Söhnen.

Schabbat Schalom bei MDR KULTUR Die Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 24. Mai 2024 | 15:45 Uhr