Rabbiner Alexander Nachama
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Schabbat Schalom | MDR Kultur | 07.06.2024 Rabbiner Alexander Nachama: In schweren Zeiten zu seinem Glauben stehen

03. Mai 2024, 12:00 Uhr

Tapferkeit ist wichtig, mit Tapferkeit lassen sich auch schwierige Zeiten überstehen. Zeiten, in denen Juden für ihr Unglück selbst verantwortlich gemacht werden, meint Rabbiner Alexander Nachama in seiner Auslegung des Wochenabschnitts Bemidbar.

In dieser Woche beginnt die Lesung des vierten Buchs der Tora, Bemidbar.  Der erste Abschnitt dieses Buches ist von vielen Zählungen geprägt. Interessant ist auch die Beschreibung der Anordnung des Lagers der Israeliten während der Wüstenwanderung.

Es heißt: "Der Ewige redete zu Mosche und Aaron: Jeder soll bei seiner Fahne, bei dem Zeichen des Stammes sollen lagern die Israeliten."

Jeder der zwölf Stämme der Israeliten hatte eine Fahne mit einem Zeichen darauf. Der Stamm Reuven trug beispielsweise eine rote Fahne, mit dem Motiv der Blume. Diese Blume erinnert an eine Erzählung aus dem 1. Buch der Tora, wo wir darüber lesen, wie einst Reuven seiner Mutter Leah Blumen brachte.

Die Fahne des Stammes Schimon war grün, mit der Stadtansicht von Sch’chem verziert, als Erinnerung an die Geschichte von Dinah, der von Sch’chem, der Fürst des Landes war, Gewalt angetan worden war. Schimon übte deshalb mit seinem Bruder Levi Vergeltung als Zeichen dafür, dass so nicht mit Frauen umgegangen werden darf.

Die Fahne des Stammes Levi war dreifarbig: Ein Drittel weiß, ein Drittel schwarz, ein Drittel rot. Geschmückt war die Fahne mit dem Abbild des priesterlichen Umhangs. Das erinnerte daran, dass die ersten Priester, Aaron und seine Söhne, aus dem Stamm Levi kamen. Es erinnerte aber auch daran, dass die Leviten den Priestern beim heiligen Dienst im Tempel assistierten.

Die Fahne des Stammes Jehuda war blau und zeigte einen Löwen. Das ist übrigens ein Grund, weshalb in vielen Synagogen Abbildungen von zwei Löwen zu finden sind. Denn der Stamm Juda ist neben dem Stamm Levi der einzig übrig gebliebene der zwölf Stämme. Daher nennen wir uns "Juden" – oder auf Hebräisch "Jehudim".

Warum aber befindet sich ein Löwe auf der Fahne vom Stamm Juda? Kurz vor seinem Tod segnete Jakob seine zwölf Söhne. Zu Jehuda spricht er: "Ein junger Löwe bist du, Jehuda, mein Sohn."

Was wollte Jakob damit ausdrücken? Zunächst ist es wichtig festzuhalten, dass Jakob prophetische Gaben hatte. Das heißt, dass er wusste, dass Jehuda einst als einziger großer Stamm erhalten bleiben würde.

Ein junger Löwe steht für ein kraftvolles Tier. Jung und dynamisch, voller Tatendrang. Gleichzeitig steht ein Löwe für Tapferkeit. Dieser Tapferkeit ist es zu verdanken, dass Jehuda und seine Nachfahren sich nicht unterkriegen ließen, auch in schweren Zeiten zu ihrem Glauben standen.

So haben wir schwierige Zeiten überstanden, Zeiten, in denen die Mehrheit der Bevölkerung uns nicht wohlgesonnen war und meinte, wir wären für unser Unglück selbst verantwortlich. Ein Blick in die Nachrichten reicht um festzustellen, dass wir uns auch heute in schweren Zeiten befinden. Wollen wir dennoch nicht resignieren, sondern stets zu unserem Glauben stehen, selbst wenn dies eine gewisse Tapferkeit erfordert.

In diesem Sinne wünsche ich allen Zuhörerinnen und Zuhörern Schabbat Schalom!

Zur Person: Alexander Nachama Geboren 1983 in Frankfurt am Main. 2005 erhielt er von Rabbiner Zalman Schachter-Shalomi, dem Gründer der Rabbiner- und Kantorenschule "Aleph", eine Urkunde als Kantor. 2008 erhielt er einen Bachelor in Judaistik (Freie Universität Berlin), 2013 einen Master (Universität Potsdam).

Ab 2007 absolvierte er eine Ausbildung am Abraham Geiger Kolleg mit Studienaufenthalten in Israel, die er 2013 mit der Ordination zum Rabbiner abschloss. 1998 - 2011 amtierte Alexander Nachama zunächst als ehrenamtlicher Vorbeter, später als Kantor in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

In den Jahren 2012 - 2018 war er Gemeinderabbiner der Jüdischen Gemeinde zu Dresden, bis August 2023 Landesrabbiner der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen. Inzwischen ist Alexander Nachama der zuständige Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg.

Schabbat Schalom bei MDR KULTUR Die Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 07. Juni 2024 | 15:45 Uhr