Überblick Synagogen in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen

25. Oktober 2024, 04:00 Uhr

Die älteste erhaltene Synagoge Europas steht in Erfurt. Heute ist sie Museum und Begegnungstätte – und seit September 2023 UNESCO-Welterbe. In Dessau und Magdeburg wurden ebenfalls 2023 zwei neue Synagogen eröffnet. Ein Überblick über historische und neue Orte jüdischen Lebens in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen.

Synagogen in Sachsen

Geweiht wird die Synagoge in Görlitz 1911. Damals leben etwa 600 jüdische Bürger in Görlitz. Durch glückliche Umstände wird der Jugendstilbau in der Pogromnacht im November 1938 nur leicht beschädigt, ein Feuer kann rechtzeitig gelöscht werden. Die Gemeinde muss sich 1939 auflösen, viele Mitglieder werden deportiert und kommen in den Vernichtungslagern ums Leben. In den 1960er-Jahren geht die Synagoge in das Eigentum der Stadt über und verfällt zusehends. Nach der Wende engagiert sich ein Förderverein für den Wiederaufbau.

Blick in den Kuppelsaal der Synagoge in Görlitz.
Blick in den Kuppelsaal der Synagoge in Görlitz Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Robert Michael

Nach 30 Jahren der Sanierung wird die Görlitzer Synagoge am 12. Juli 2021 wiedereröffnet, als Kulturzentrum und sakraler Raum. Bund, Land und Stadt haben 12 Millionen Euro investiert in einen Ort, der beitragen soll zu mehr Wissen und Verständnis der jüdischen Kultur sowie zur Stärkung einer lebendigen Gemeinschaft der Jüdinnen und Juden in Sachsen.

Neue Synagoge in Chemnitz: Im September 2020 feiert die jüdische Gemeinde Chemnitz ihr 135-jähriges Bestehen. Nur acht Überlebende des Zweiten Weltkries haben sich 1945 wieder zu einer Gemeinde formiert. 1961 bekommt sie ein eigenes Gemeindehaus, 2002 den markanten Neubau.

Synagogen in Mitteldeutschland: Chemnitz
Wegen Sanierungsarbeiten ist das Gotteshaus bis Sommer 2025 geschlossen. Bildrechte: picture-alliance / dpa/dpaweb | Wolfgang_Thieme

Der eigentliche Gebetsraum für 300 Menschen ist eine nach unten konisch zulaufende Ellipse und von einem Glasdach überspannt. Das Gebäude ist von zwei Flachbauten umrahmt. Der Entwurf des Gotteshauses stammt vom Architekten Alfred Jacoby aus Frankfurt am Main. Die Stadt Chemnitz hatte ihn 1998 damit beauftragt. Zuletzt realisierte er den Neubau in Dessau. Übrigens befindet sich in der Chemnitzer Synagoge auch die erste öffentliche Hörbuch-Bibliothek in russischer Sprache. Wegen Sanierungsarbeiten ist das Gotteshaus bis Sommer 2025 geschlossen.

Neue Dresdner Synagoge: Zehn Jahre lang lagert der goldene Davidstern der Alten Dresdner Synagoge versteckt auf einem Dachboden. Gerettet haben ihn Dresdner Feuerwehrmänner während des Pogroms am 9. November 1938. Einer von ihnen, Alfred Neugebauer, übergibt ihn 1949 an den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde. Heute schmückt der Stern den Eingang der 2001 geweihten Neuen Dresdner Synagoge. Diskutiert wird derzeit über ein Dokumentationszentrum für jüdische Geschichte in Dresden.

Synagogen in Mitteldeutschland
Die Architektur der Dresdner Synagoge ist mehrfach ausgezeichnet. Bildrechte: picture-alliance / dpa/dpaweb | Matthias_Hiekel

"Brodyer Synagoge" in Leipzig: Bevor die Doppelhaushälfte in der Keilstraße 4-6 ab 1904 als Synagoge des Leipziger Talmud-Tora-Vereins genutzt werden kann, muss die Decke zwischen Erd- und erstem Obergeschoss entfernt und der Fußboden abgesenkt werden. Die Bezeichnung "Brodyer Synagoge" Leipzig geht auf die in der heutigen Ukraine gelegenen Stadt Brody zurück. Von dort stammen jüdische Pelzhändler, die sich im 18. Jahrhundert in Leipzig niederlassen.

Blick in die Synagoge der Israelitischen Religionsgemeinde in Leipzig.
Von 1938 - 1945 wird die Leipziger Brodyer-Synagoge als Seifenfabrik genutzt. Bildrechte: picture alliance / dpa | Peter Endig

Synagogen in Sachsen-Anhalt

Mit der Weill-Synagoge entsteht in Dessau der erste Neubau einer Synagoge in Sachsen-Anhalt nach dem Zweiten Weltkrieg. Die äußere Gestalt der Synagoge soll an eine Tora-Rolle erinnern. Namensgeber ist der frühere Kantor der jüdischen Gemeinde und Vater des Komponisten Kurt Weill, Albert. Die Gemeinde hat sich 1994 neu gegründet, bis zur Eröffnung des Neubaus am 22. Oktober 2023 trifft sie sich im Gemeindehaus mit Gebetsraum.

Einweihung der neu erbauten Synagoge in Dessau-Roߟlau, Rabbi Daniel Fabian, Landesrabbiner Sachsen-Anhalt, trägt die Torarolle in die Synagoge.
Daniel Fabian, Landesrabbiner Sachsen-Anhalt, trägt die Torarolle in die Synagoge. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Das denkmalgeschützte Rabbinerhaus wird auch als Kantorhaus bezeichnet, in dem Kurt Weill (1900-1950) aufwächst, sein Vater Albert ist von 1898 bis 1920 Kantor der damals rund 600 Mitglieder starken Gemeinde. Mit dem Pogrom vom 9. November 1938 erlosch das jüdische Leben in der Stadt. Durch den Zuzug durch Jüdinnen und Juden aus der ehemaligen Sowjetunion wurde es neu begründet, heute hat die orthodoxe Gemeinde rund 260 Mitglieder.

Bilder: Die jüdische Gemeinde in Dessau auf dem Weg zur neuen Synagoge

Historische Aufnahme der Synagoge in Dessau.
Dessau ist stolz auf seine Bauhaus-Bauten, sie sind Weltkulturerbe. Einst prägte auch die Synagoge das Bild der Stadt – wenn auch nur für 30 Jahre. 1908 bekam die jüdische Gemeinde nach mehreren kleineren Vorgängerbauten ein repräsentatives Gotteshaus. In der Pogromnacht vom 9. November 1938 wurde sie zerstört. In der Tagespresse waren damals die Namen aller in Dessau und Roßlau lebenden Juden veröffentlicht worden. Daraufhin wurden deren Wohnungen und Geschäfte geplündert. Am Ende stand die Synagoge in Flammen. Bildrechte: Stadt Dessau
Historische Aufnahme der Synagoge in Dessau.
Dessau ist stolz auf seine Bauhaus-Bauten, sie sind Weltkulturerbe. Einst prägte auch die Synagoge das Bild der Stadt – wenn auch nur für 30 Jahre. 1908 bekam die jüdische Gemeinde nach mehreren kleineren Vorgängerbauten ein repräsentatives Gotteshaus. In der Pogromnacht vom 9. November 1938 wurde sie zerstört. In der Tagespresse waren damals die Namen aller in Dessau und Roßlau lebenden Juden veröffentlicht worden. Daraufhin wurden deren Wohnungen und Geschäfte geplündert. Am Ende stand die Synagoge in Flammen. Bildrechte: Stadt Dessau
Rohbau der Synagoge in Dessau
Beim Neubau kam es zu Verzögerungen. Eigentlich sollte die Synagoge Anfang 2022 fertig sein. Ministerpräsident Reiner Haseloff sagte bei der Grundsteinlegung im November 2019: "Wir wollen jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt." Direkt neben dem Standort der neuen Synagoge befindet sich das Gemeindehaus, das ebenfalls ausgebaut werden sollte. Bildrechte: MDR / Martin Krause
Blick in den Gebetsraum der neu gebauten Synagoge in Dessau
In der neuen Weill-Synagoge sind 90 Plätze vorgesehen, 60 für Männer und 30 für Frauen. Der Name erinnert an den Vater des später berühmten Komponisten Kurt Weill (1900-1950). Albert Weill (1867-1950) war von 1898 bis 1920 Kantor der jüdischen Gemeinde in Dessau, die damals rund 600 Mitglieder hatten, heute sind es 260. Bildrechte: MDR/Grit Lichtblau
Alexander Wassermann, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde zu Dessau (r) und Aron Russ stehen vor dem Toraschrank in der Synagoge in Dessau-Roßlau.
2015 ließ die Kurt-Weill-Gesellschaft eine erste Studie für einen Neubau in Auftrag geben. Jetzt, 85 Jahre nach der Zerstörung eröffnet der Neubau, der laut Gemeindeverwalter Aron Russ (l.) keine Festung sein soll, sondern offen und einladend und lichtdurchflutet. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt
Blick auf die neue Synagoge in Dessau-Roߟlau.
Die Dessauer Synagoge steht im Stadtzentrum, etwa 300 Meter vom Rathaus entfernt. Auf der kupfernen Verkleidung am Eingang steht ein Spruch des Proheten Jesaja auf Hebräisch und Deutsch: "Denn mein Haus soll ein Bethaus für alle Völker genannt werden." Als Symbol des Schutzes ließ der Architekt ins Dach ein Fenster in Form eines David-Sterns ein. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt
Eine Steinsäule mit der Inschrift: Den jüdischen Männern, Frauen und Kindern, die dem Naziterror von 1933 bis 1945 zum Opfer fielen
Vor dem Gemeindehaus in Dessau erinnert eine Steinsäule an die Alte Synagoge und an die Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Dessau, die dem Naziterror von 1933 bis 1945 zum Opfer fielen, so die Inschrift. Bildrechte: MDR/Tom Himmelmann
Ein rundes Gebäude mit hebräischen Buchstaben an der Fassade
Mit dem Neubau in Dessau sollte in Sachsen-Anhalt die erste Synagoge nach dem Zweiten Weltkrieg entstehen. Der Entwurf soll nach den Worten des Frankfurter Architekten Alfred Jacoby an eine Tora-Rolle erinnern: "Man geht in einen Raum hinein, der einen mit dem umhüllt, was den Glauben ausmacht." Jacoby ist selbst Jude und hat bereits zehn jüdische Gotteshäuser entworfen, darunter auch die Neue Synagoge in Chemnitz. Bildrechte: Architekturbüro Alfred Jacoby
Ein Mann vor einem Schrank mit drei Schriftrollen
Seit 1994 gibt es wieder eine jüdische Gemeinde in Dessau, die von Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion gegründet wurde. Bis zur Eröffnung des Neubaus feierte sie die Gottesdienste im benachbarten, denkmalgeschützten Rabbinerhaus. Alexander Wassermann, Vorsitzender der orthodoxen jüdischen Gemeinde in Dessau, zeigt den Toraschrein: "Eine Tora haben wir 1998 in Israel gekauft. Die andere ist eine Spende vom Zentralrat der Juden." Die Tora besteht aus den fünf Büchern Mose zur Geschichte des Volkes Israel und wird binnen eines Jahres bei den Gottesdiensten zum Schabbat in der Synagoge gelesen.  Bildrechte: MDR/Tom Himmelmann
Eine Tafeln mit hebräischer Schrift über einem Holzschrank, der von einem blauen Samtvorhang verdeckt wird
Vor dem Toraschrein befindet sich ein verzierter Samtvorhang, darüber stehen die zehn Gebote. Der Schrein ist nach Osten gerichtet, in Richtung Jerusalem. Er erinnert an die Bundeslade mit den zehn Geboten, die das Volk Israel einst durch die Wüste trug und soll die Gläubigen daran erinnern, dass Gott immer in ihrer Mitte wohnt. Bildrechte: MDR/Tom Himmelmann
eine ausgerollte Schriftrolle
Die Tora mit den fünf Büchern Mose ist Teil der hebräischen Bibel. Die Torarollen in Dessau bestehen aus Papyrus und sind von Hand mit Tinte beschrieben. "Die Tora ist sehr wertvoll und darf deshalb nicht berührt werden", betont Alexander Wassermann. Bildrechte: MDR/Tom Himmelmann
eine Papierrolle in einem Holkasten
Die Ersatz-Tora besteht aus gewöhnlichem Papier und ist nicht von Hand beschrieben. Bildrechte: MDR/Tom Himmelmann
Ein Holztisch mit einer blauen Samtdecke
Direkt neben dem Toraschrein steht die Bima. Hier wird die Tora zum Lesen ausgerollt. "Nicht jeder kann die Tora lesen, sie ist in sehr altem Hebräisch geschrieben", erläutert Alexander Wassermann. Jüdische Jungen und Mädchen lernen Hebräisch und werden darauf vorbereitet, beim Erlangen der religiösen Mündigkeit (Bar Mizwa bzw. Bat Mizwa) aus der Tora zu lesen. Bildrechte: MDR/Tom Himmelmann
Ein Mann mit Kippa und einem weißen Gebetstuch über dem Schultern
Der Tallit ist ein Gebetsmantel aus weißer Wolle, Baumwolle oder Seide. "Männer tragen den Tallit, wenn beim Morgengebet aus der Tora gelesen wird, mittags und abends tun sie das nicht", erklärt Alexander Wassermann. Das Anlegen des Tallit ist ein Ritual, dass die Konzentration auf das Gebet verstärken soll. Als Zeichen der Ehrfurcht vor Gott muss jeder Mann in einer Synagoge oder auf einem jüdischen Friedhof seinen Kopf bedecken, auch wenn er kein Jude ist. "Sie symbolisiert eine Grenze zwischen Gott und den Menschen", so Alexander Wassermann. Bildrechte: MDR/Tom Himmelmann
Eine Wandtafel mit elektrischen Lichtern in Form einer Kerze und der Aufschrift: Jüdische Gemeinde zu Dessau
Für alle sichtbar hängt im Gebetsraum unter dem ewigen Licht eine Trauertafel. "Wenn ein Gemeindemitglied gestorben ist, wird ein Licht angemacht und der Name hier aufgeschrieben", erklärt Alexander Wassermann. Das Licht brenne dann circa eine Woche. So erinnert die Gemeinde an ihre verstorbenen Mitglieder. Bildrechte: MDR/Tom Himmelmann
mehrere Stuhlreihen hinter einem weißen Vorhang
Blick in den alten Gebetsraum: "Die Männer sollen sich auf die Tora konzentrieren, nicht auf die Frauen", sagt Alexander Wassermann. Daher würden Männer und Frauen während des Gottesdienstes in der orthodoxen Gemeinde durch einen Vorhang voneinander getrennt. Mechiza ist der Name für diese Art der Absonderung. Bildrechte: MDR/Tom Himmelmann
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Die ab 1787 errichtete Synagoge am Rande des Wörlitzer Schlossgartens wird schon ab 1900 nicht mehr als solche genutzt. Inzwischen ist sie denkmalgerecht saniert. Ebenfalls erhalten ist die Mikwe im Unterbau – ein rituelles Tauchbecken, wie es sie in der Region kaum noch gibt. Seit 2003 befindet sich in der Synagoge eine Ausstellung über die Geschichte der Juden in Anhalt. Darüber informiert auch der Bildband "Jüdisches Leben in Anhalt". Die Idee dazu hatte der inzwischen pensionierte Dessauer Pfarrer Dietrich Bungeroth.

Die Synagoge, errichtet auf einem künstlichen Hügel, im Wörlitzer Park.
Die Synagoge, errichtet auf einem künstlichen Hügel, im Wörlitzer Park Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Peter Endig

Synagoge in Halle: Nach dem Zweiten Weltkrieg wird das Taharahaus, in dem die Leichenwaschung verstorbener Juden stattfindet, auf dem jüdischen Friedhof in Halle zur Synagoge umgebaut. 1953 wird sie geweiht. In Halle haben nur 49 Jüdinnen und Juden die NS-Zeit überlebt, 1933 sind noch etwa 1.200 Menschen jüdischen Glaubens in der Saalestadt zuhause. Zu Jom Kippur 2019 wird die jüdische Gemeinde Ziel eines Anschlags, während rund 50 Menschen den Gottesdienst zum Versöhnungsfest feiern. Glücklicherweise hält die Tür den Schüssen Stand. Zum 5. Jahrestag gab es in der Synagoge ein stilles Gedenken.

Die Synagoge der Jüdischen Gemeinde Halle/Saale (Sachsen-Anhalt)
Synagoge der Jüdischen Gemeinde Halle Bildrechte: picture alliance / dpa | Jan Woitas

Am 6. Mai 2022 erfolgt der erste Spatenstich für die neue Synagoge in Magdeburg, 85 Jahre nach der Zerstörung der alten in der Pogromnacht 1938. Der Förderverein "Neue Synagoge Magdeburg" unter Leitung der evangelischen ehemaligen Dompredigerin Waltraut Zachhuber hat sich viele Jahre für den Neubau im Stadtzentrum eingesetzt. Schon im September 2019 beschließt der Stadtrat die Schenkung des Grundstückes Julius-Bremer-Straße 3. Der Neubau wird am 10. Dezember 2023 eingeweiht. Insgesamt hat der Bau der neuen Synagoge 7,6 Millionen Euro gekostet. Davon entfielen 2,8 Millionen Euro allein auf die Sicherheitstechnik. Neben der Unterstützung von Land und Bund hat die Gemeinde selbst 300.000 Euro aufgebracht. Der Förderverein hat 500.000 Euro an Spenden für das Projekt gesammelt. In Magdeburg gibt es heute zwei jüdische Gemeinden, eine orthodoxe und eine liberale.

Frank Toepel (l) vom "Toepel Bau" übergibt Inessa Myslitska, Vorstandsvorsitzende der Synagogen-Gemeinde zu Magdeburg symbolisch den Schlüssel zur Neuen Synagoge.
Frank Toepel (l) vom "Toepel Bau" übergibt Inessa Myslitska, Vorstandsvorsitzende der Synagogen-Gemeinde zu Magdeburg symbolisch den Schlüssel zur Neuen Synagoge. Bildrechte: picture alliance/dpa | Klaus-Dietmar Gabbert

1933 hatte die jüdische Gemeinde rund 2.300 Mitglieder, 1945 waren es nur noch 83. Seit den 1960er Jahren residierte die kleine Gemeinde in einem bescheidenen Provisorium am Neustädter Bahnhof in Magdeburg. Dort wurde ein Wohnhaus zur Synagoge umfunktioniert. Nichts erinnerte mehr an die Pracht der 1938 zerstörten Synagoge mit den orientalisch anmutenden Türmen. Seit 1990 wuchs die Gemeinde vor allem durch Übersiedler aus der ehemaligen Sowjetunion auf etwa 500 Mitglieder. Die liberale Gemeinde, die der Union Progessiver Juden angehört, will den Neubau nicht nutzen, weil dort Gottesdienste nur nach orthodoxem Ritus gehalten werden sollen, was etwa bedeutet, dass Männer und Frauen getrennt beten.

Ein zerstörtes, symbolisches Buch als Mahnmal. 5 min
An der Stelle der am 9. November 1938 zerstörten Synagoge in der Julius-Bremer-Straße steht heute ein vom Magdeburger Metallgestalter Josef Bzdok 1988 errichtetes Mahnmal für die jüdischen Opfer des Naziregimes. Bildrechte: picture alliance / dpa-Zentralbild | Stephan Schulz

Mitte des 18. Jahrhunderts wird die Synagoge in Gröbzig gebaut. 1934 wird sie zum Heimatmuseum umfunktioniert, was sie wahrscheinlich vor der Zerstörung in der Pogromnacht 1938 schützt. Am 3. November 1988 wird das Ensemble als Museum Synagoge Gröbzig wiedereröffnet. Es besteht aus der Synagoge, einem Gemeindehaus, dem Cheder - der jüdischen Grundschule, der Remise und dem jüdischen Friedhof. Zum Museumskomplex gehört ein Jugendbildungszentrum. Seit 2019 laufen Umbauarbeiten, die 2023 beendet sein sollen. Trotzdem lohnt sich ein Besuch vorab: Es werden noch Stadt- und Friedhofsführungen und pädagogische Programme angeboten, die Einblicke erlauben ins jüdische Leben in Anhalt.

Synagoge in Gröbzig, Lange Straße, seit 1796. Heute befindet sich darin ein Museum zur Geschichte und Tradition des Judentums.
Die Synagoge in Gröbzig in der Langen Straße. Heute befindet sich darin ein Museum zur Geschichte und Tradition des Judentums. Bildrechte: Kai Flemming

Die Barocksynagoge von Halberstadt ragt einst so hoch über die Dächer der Altstadt, dass sie auch vom Domplatz deutlich zu erkennen ist. Heute wächst am Standort wildes Grün. Nicht, weil es am Gärtner fehlt. Es ist eine Art grüne Synagoge, belebt von Pflanzen, die schon in der Bibel vorkommen. Die Idee und die Umsetzung stammt vom Künstler Olaf Wegewitz. Von der Synagoge selbst ist nur noch eine Ruinenwand übrig. 1712 lässt der Hofjude Berend Lehmann sie erbauen. Die Unternehmerfamilie Hirsch modernisiert den Bau am Ende des 19. Jahrhunderts, der nun über eine Eingangshalle mit Kupferbecken zur rituellen Handwaschung verfügt. In der Pogromnacht 1938 wird die Synagoge geplündert, die Thorarollen werden auf der Straße verbrannt. Die jüdische Gemeinde muss aufgrund einer baulichen Verfügung der Stadt den Abriss der Synagoge wenige Wochen später selbst finanzieren. 70 Jahre nach der Auslöschung der jüdischen Gemeinde erinnert das Kunstprojekt "DenkOrt" von Olaf Wegewitz an diesen zerstörten Ort des Glaubens und des Gebets.

Hauseingang Berend-Lehmann-Museum in Halberstadt
Berend-Lehmann-Museum in Halberstadt Bildrechte: MDR/Jan Dörre

Die bedeutende Rolle, die Halberstadt in der Geschichte der Juden im heutigen Mitteldeutschland gespielt hat, zeigt sich bei einem Stadtrundgang. Deutlich wird sie auch im Berend Lehmann Museum für jüdische Geschichte und Kultur oder beim Blick auf die drei jüdischen Friedhöfe, die es in Halberstadt gibt.

Die Synagoge von Eisleben wird 1850 von dem Rabbiner Ludwig Philippson eingeweiht, ein bedeutender Wortführer für die Rechte der Juden. 1938 wird die Synagoge enteignet, entweiht und geschändet. Lange verfällt sie. Im Jahr 2010 erwirbt der Verein Eisleber Synagoge e.V. Gebäude und Grundstück. Seitdem bemüht sich das Bürgerprojekt um Sicherung und Rekonstruktion. So konnte in Kooperation mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft das Dach erneuert und mit Unterstützung des Kultusministeriums die Vorderfront des Hauses wiederhergestellt werden, nachdem im Jahr zuvor die Hinterfront repariert wurde.

Blick auf die Synagoge der Lutherstadt Eisleben (zweites Gebäude von links).
Blick auf die Synagoge der Lutherstadt Eisleben (zweites Gebäude von links). Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Stephan Schulz

Die bauliche Hülle ist damit komplett wiederhergestellt. Danach steht der Innenausbau an. Doch die Sanierung stockt wegen fehlender finanzieller Mittel.

Ziel ist es, dabei die noch vorhandenen Spuren zu bewahren, ein Museum und kulturelles Begegnungszentrum aufzubauen. Schon jetzt finden Veranstaltungen in dem noch unfertigen Synagogensaal statt, jedes Jahr beteiligt sich der Verein am Tag des offenen Denkmals.

Aufsteller stehen in einem Raum.
Die Sanierung stockt wegen fehelender finanzieller Mittel. Bildrechte: MDR/Theo M. Lies

Die rund 30 Mitglieder des Vereins forschen außerdem zur jüdischen Regionalgeschichte. Durch die Verlegung von Stolpersteinen, Ausstellungen und pädagogische Angebote und Projekte vermitteln sie dieses Wissen über das jüdische Leben im heutigen Landkreis Mansfeld-Südharz. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit der antijudaistischen Einstellung des berühmtesten Sohnes der Stadt, Martin Luther. Im September 2021 wird der Verein für sein Wirken mit dem Werner-Sylten-Preis für christlich-jüdischen Dialog ausgezeichnet.

Die Synagoge in Haldensleben wird Anfang des 19. Jahrhunderts als israelitischer Tempel direkt in der bürgerlichen Nachbarschaft erbaut, für eine Gemeinde, die erst seit 1809 in Haldensleben existiert. Die Synagoge wird 1907 an die Neuapostolische Gemeinde verkauft. 2002 übernimmt der Landkreis Börde die vom Verfall bedrohte Synagoge samt Kirche. Als Kulturdenkmal gehört sie nun zum Museum Haldensleben. 2007 kommt es zur großen Neueröffnung der Gebäude unter dem Namen "Haus der anderen Nachbarn". Es soll ein Ort sein der Begegnung zwischen Menschen verschiedenster Religion und Herkunft, die in Haldensleben lebten und immer noch leben. Zwar liegt der Fokus liegt auf dem jüdischen Glauben; vor allem auf der Geschichte der Gemeinde und des Tempelbaus. Ziel ist es aber, interreligiöses Wissen zu vermitteln. Das Haus befindet sich in der Steinstraße 18 und kann im Rahmen einer Führung oder während der vom Museum veranstalteten pädagogischen Programme besucht werden.

Synagogen in Thüringen

In Erfurt finden Feierlichkeiten der jüdischen Gemeinde seit 1952 in der Neuen Synagoge statt. Es handelt sich um den einzigen Neubau einer Synagoge in der DDR.

Blick auf die alte Synagoge in der Waagegasse in Erfurt
Die Alte Synagoge ist über 900 Jahre alt und das steinerne Schatzkästchen des Welterbes. Bildrechte: IMAGO/Karina Hessland

In Erfurt steht zudem eine der ältesten erhaltenen Synagoge Europas. Das 900 Jahre alte Gebäude firmiert heute als Museums- und Begegnungsstätte: Alte Synagoge. Im September 2023 wird sie mit den jüdisch-mittelalterlichen Zeugnissen in der Stadt zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.

Jüdischer Goldschatz von Erfurt, 2011 19 min
Bildrechte: imago/pictureteam
19 min

Weltgeschichte vor der Haustür Erfurts jüdisches Erbe

Erfurts jüdisches Erbe

1998 wurde ein jüdischer Schatz aus dem 14. Jahrhundert entdeckt. Mit ihm begann die Wiederentdeckung des jüdischen Erbes Erfurts. Mit ihm bewirbt sich die Stadt nun als Weltkulturerbe. Hartmut Schade auf Schatzsuche.

MDR KULTUR - Das Radio So 31.10.2021 16:10Uhr 19:28 min

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In Thüringen wird am 22. Mai 2022 eine neue Synagoge in Eisenberg geweiht. Gedacht ist sie v.a. als Gebetsraum für jüdische Patientinnen und Patienten der Waldkliniken Eisenberg. Neben dem Gebetsraum bietet die Klinik ihnen auch koscheres Essen und eine auf die jüdischen Religionspflichten ausgelegte Ausstattung. Laut dem Thüringer Landesrabbiner Alexander Nachama ist die Eisenberger Synagoge auch für Jüdinnen und Juden aus der Region gedacht. Die Frage sei allerdings, inwieweit es dort überhaupt Gottesdienste geben könne, sagte Nachama. Nach den jüdischen Regularien müssten für einen Gottesdienst mindestens zehn jüdische Männer anwesend sein.

Möglicherweise bis ins 16. Jahrhundert geht die Entstehung der jüdischen Gemeinde von Berkach zurück. 1838 wird eine Synagoge erbaut. Die jüdische Kultusgemeinde muss die Synagoge 1939 verkaufen. Sie soll eigentlich abgerissen werden. Immerhin gelingt es, eine der sechs Tora-Rollen zu retten. Das ausgeplünderte Gebäude geht 1943 in das Eigentum der Raiffeisenbank über. Nach dem Krieg wird sie kurzzeitig als Kommandantur der Sowjetarmee genutzt, später als Schmiede, Werkstatt und Lagerraum der LPG. Die Synagoge wird 1990 restauriert und am 3. November 1991 feierlich wiedereingeweiht. Seitdem kann sie von der Landesgemeinde wieder als Betraum genutzt werden.

An der ehemaligen jüdischen Schule gleich neben der Synagoge erinnert eine Tafel an den Kantor, Lehrer und Herausgeber der "Liturgischen Zeitschrift", Hermann Ehrlich, der dort auch wohnte. Wie die Synagoge an der Mühlfelder Straße bleibt das kleine Ritualbad als eine der wenigen sakralen Bauten der Südthüringer Landjuden erhalten, genutzt als Geräteschuppen.

Synagoge von Berkach innen
1991 wiedereingeweiht: Die Synagoge von Berkach Bildrechte: MDR / Wolfram Nagel

In Aschenhausen bei Kaltennordheim gibt es bis 1938 eine jüdische Gemeinde. Ihre Entstehung geht in die Zeit um 1700 zurück. 1843 wird eine Synagoge geweiht, die sich am klassizistischen Stil der Dresdner Sempersynagoge orientiert. Deren äußere Hülle ist erhalten geblieben. Die Synagoge gilt als einer der interessantesten Sakralbauten des deutschen Landjudentums überhaupt.

1936 findet ein letzter Gottesdienst statt. Danach wird sie vom neuen Eigentümer als Scheune genutzt und deswegen in der Progromnacht 1938 vermutlich nicht angezündet. Zu DDR-Zeiten gibt es Überlegungen, in der einstigen Synagoge eine Stätte der Begegnung einzurichten. 1987 beginnt die Restaurierung, die mit Hilfe vieler Freiwilliger 1991 abgeschlossen wird. Seither wird sie als Stätte der Begegnung und Erinnerung genutzt.

Die Synagoge in Meiningen wird Ende des 19. Jahrhunderts in der Altstadt direkt am Mühlgraben, einem Nebenarm der Werra gebaut, als ein prachtvoller Bau im byzantinischen Stil. In der südthüringischen Stadt leben damals etwa 450 Jüdinnen und Juden, die sich erst ab 1866 überhaupt in der Stadt und Umgebung haben niederlassen dürfen. 1936 hält die Israelitische Kultusgemeinde dort ihren letzten Gottesdienst. In der Pogromnacht wird die Synagoge geplündert. Ende 1938 muss die Gemeinde sie verkaufen, 1939 wird sie komplett abgetragen. 1988 wird an dem Platz eine Gedenkstätte eingerichtet, wo alljährlich am 9. November an die systematische Verfolgung und Vernichtung jüdischen Lebens erinnert wird. Derzeit saniert die Stadt die einstige Villa der jüdischen Bankiersfamilie Strupp. Eine Stiftung, gegründet von den Nachkommen, will das Gedächtnis an berühmte jüdische Meininger wachhalten. Dazu gehörten Persönlichkeiten wie Ludwig Chronegk als Reformer des Regietheaters, Friedrich Gernsheim als Komponist und Dirigent, Moses Sachs als erster Deutsch-jüdischer Auswanderer 1830 und Fritz Bernstein, einer der ersten Minister Israels, der 1948 auch die Unabhängigkeitserklärung des neuen Staates unterzeichnet. 

 

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