MDR KULTUR | 24.01.2025 | Wochenabschnitt "WaEra" Schabbat Schalom mit Kantor Elija Schwarz: Vom falschen und fremden Dienst

24. Januar 2025, 14:03 Uhr

Schwere Arbeit, schlechte Arbeitsbedingungen – das alles kann Stress verursachen. Aber auch das Festhalten an Ideen und Handlungen, die nicht zu einem selbst passen, kann Stress verursachen, meint der Dresdner Kantor Elija Schwarz in seiner Auslegung des Wochenabschnitts "WaEra".

Der Ewige offenbart Mosche seinen Namen, den Schem Hawaja, auch Schem Hameforasch. Den Vorvätern erschien er als ein allgenügender Gott, aber nicht in seiner Eigenschaft der Treue zu seiner Verheißung. Mit Awraham, Jizchak und Ja'akow schloss er einen Bund und versprach ihnen das Land Kanaan.

Er hat das Wehgeschrei des Volkes Israel in der Knechtschaft Ägyptens vernommen, und er wird sie aus dieser befreien und in das Gelobte Land führen. Mosche und Aharon befielt er, sich zum Pharao zu begeben und von ihm zu verlangen: „Lass mein Volk ziehen!“

Mosche aber wendet ein, dass wenn ihm das Volk schon kein Gehör schenkt, der Pharao dies erst recht nicht tun wird. Der Ewige gibt den Brüdern Anweisungen für ihren Umgang mit den Israeliten einerseits und dem Pharao andererseits. Mosche soll den Pharao wieder auffordern, das Volk ziehen zu lassen.

Gott wird den Pharao starrsinnig machen und Zeichen geschehen lassen, um dem Pharao seine Macht zu zeigen, und sein Volk aus Ägypten heraus zu führen. Mosche tritt mit 80 und Aaron mit 83 Jahren vor den Pharao. Dieser weigert sich, ihren Worten Folge zu leisten, und lässt sich auch nicht durch das Wunderzeichen eines zur Schlange werdenden Stockes beeindrucken.

Die Abfolge von zehn schweren Schlägen in Form verschiedener Plagen geht über Ägypten nieder. Alle Wasser verwandeln sich in Blut. Sieben Tage lang sterben die Fische in ihnen, und die Ägypter suchen nach Trinkwasser. Der Herrscher Ägyptens weigert sich, das jüdische Volk ziehen zu lassen.

Es fallen Frösche über das Land her und bedecken es. Dann befällt Ungeziefer Mensch und Tier, gefolgt von wilden Wüstentieren, die aber das Land Goschen, das jüdische Siedlungsgebiet in Ägypten, verschonen.

Goschen wird auch von der Tierseuche verschont und von dem entzündlichen, in Eiterblasen aufbrechenden Aussatz, der unter Mensch und Tier wütet. Schließlich zerstört Hagel Mensch und Natur. Während der Plagen macht der Pharao dieses und jenes Zugeständnis, lässt aber Gottes Volk nicht aus Ägypten ziehen.

Gleich im neunten Vers unseres Wochenabschnittes lesen wir vom Zustand der Hebräer in Ägypten (6:9): "Mosche redete also zu den Kindern Jissra‘el; aber sie hörten nicht auf Mosche vor Kleinmut und vor schwerer Arbeit.“ Die Fügung "MiKozer Ru‘ach" können wir auch mit 'Kurzatmigkeit' oder auch 'Geisteskürze' übersetzen.

Es ist der Zustand des chronischen Stresses, der uns unfähig macht, das Tun und Sein unseres Lebens zu beobachten und Kurskorrekturen an ihm vorzunehmen. Raschi kommentiert deshalb auch, dass die Hebräer Mosches Tröstungen (durch die Worte der göttlichen Verheißung) nicht annahmen. "Wer in seinem Gemüte betrübt ist, dessen Atem ist kurz, und er kann keine langen Atemzüge machen." Also das tiefe Luftschöpfen, um hoffnungsfroh eine neue Aufgabe zu beginnen, gelingt nicht mehr.

Stressauslösende Faktoren gibt es viele. In unserem Wochenabschnitt denken wir zuerst sicherlich an die schwere körperliche Arbeit und die schlechten Arbeitsbedingungen der israelitischen Knechte.

Aber der Midrasch erzählt uns noch von einem anderen Faktor. Denn das Wort 'Awoda' in der Fügung 'MeAwoda Kascha' heißt einerseits dienende Arbeit, aber auch Dienst, im Sinne eines fremden oder falschen Dienstes, kurz gesagt, von Götzendienst (Awoda Sara).

Und so können wir es auch beim Propheten Jecheskel lesen (20:7,8): "Und ich sprach zu ihnen: jeder werfe hinweg, was den Augen ein Greuel ist, und an den Götzen Ägyptens verunreinigt euch nicht. Ich bin der Ewige, euer Gott. Und sie waren widerspenstig gegen mich und wollten nicht auf mich hören; keiner warf hinweg, was den Augen ein Greuel ist, und von den Götzen Ägyptens ließen sie nicht; da gedachte ich auszuschütten meinen Grimm über sie, meinen Zorn auszulassen an ihnen mitten im Lande Ägypten."

Demzufolge lag der Stress nicht ausschließlich an der Knechtschaft durch die Ägypter. Die Hebräer hatte einfach die für sie fremden und falschen Sitten der Ägypter liebgewonnen und mochten nicht von ihnen lassen.

Das Mischna-Traktat "Awoda Sara" regelt dementsprechend den Umgang von Juden mit den Nichtjuden. Welche von ihren Handlungen, lassen sich als 'Awoda Sara – falscher Dienst‘ auffassen? Da wir inmitten einer nichtjüdischen Umgebung leben, betrifft diese Bewertung unser tägliches Leben! Wenn wir diesem 'falschen und fremden Dienst' nicht folgen, wird auch Stress von uns weichen, und wir sehen unser Jüdischsein nicht als Last, sondern als beglückende Perspektive.


Zur Person: Elija Schwarz
Elija Schwarz, geboren 1969, arbeitet als Kantor für die Jüdische Gemeinde zu Dresden. Außerdem ist er als Kantor und Religionslehrer für den Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen tätig und auch für das Jüdische Seniorenheim Hannover zuständig. Zuvor war er fünf Jahre lang Kantor der Etz-Chaim-Synagoge in Hannover. Darüber hinaus betreut er seit fast zwei Jahrzehnten die Jüdische Gemeinde Elmshorn in Schleswig-Holstein.

Schabbat Schalom bei MDR KULTUR Die Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

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