eine ausgerollte Schriftrolle
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MDR KULTUR | 27.12.2024 | Schabbat Schalom | Wochenabschnitt "Mikez" Josefs Traumdeutung und das Ringen mit seiner Vergangenheit

27. September 2024, 12:15 Uhr

In der Tora wird die Geschichte Josefs in Ägypten mit großer Ausführlichkeit erzählt, denn Josef ist der erste Jude im Exil und bekanntlich sind die Taten der Väter, Zeichen für ihre Nachgeborenen, so Kantor Elija Schwarz.

Zwei Jahre sind seit Josefs Traumdeutungen im Kerker vergangen, da träumt der Pharao zwei Träume. Im ersten Traum sieht er sieben wohlgenährte Kühe, die von sieben abgemagerten und ausgezehrten Kühen gefressen werden. Der zweite Traum zeigt ihm sieben verdorrte Ähren, welche sieben volle und reife Ähren verschlingen.

Keinem der Traumdeuter an seinem Hofe gelingt eine Interpretation. Da erinnert sich der vergessliche Mundschenk an Josef. Josef erklärt dem Pharao, dass auf eine siebenjährige Periode des Überflusses sieben schlechte Jahre mit Dürre folgen werden.

Er empfiehlt dem Pharao, in den sieben guten Jahren Vorräte für die sieben schlechten Jahre anzulegen. Der Pharao beruft Josef zu seinem höchsten Beamten und Josef setzt seine vorgeschlagenen ökonomischen Maßnahmen um. Er heiratet Assnat, die Tochter Potifars und bekommt mit ihr zwei Söhne, Menasche und Efrajim. Dank der Vorsichtsmaßnahmen zur Vorratshaltung kommt Mizrajim (Ägypten) gut durch die Dürreperiode und die Bewohner sind mit Nahrungsmitteln versorgt.

Auch in Kena'an herrscht eine Dürre und Ja'akow schickt seine Söhne (außer dem jüngsten, Binjamin) nach Mizrajim um Getreide einzukaufen. Josef erkennt sie, gibt sich aber selbst nicht zu erkennen, unterzieht sie einem Verhör, lässt sie der Spionage anklagen und in den Kerker werfen. Während Schim‘on als Pfand in Mizrajim bleibt, müssen seine Brüder nach Kena'an ziehen, um auch Binjamin zu Josef zu holen.

Bei ihrem zweiten Besuch in Mizrajim werden die Brüder – diesmal mit Binjamin – zu einem Essen bei Josef empfangen. Nach zwanzig Jahren sind die Brüder das erste Mal wieder vereint. Josef fragt, wie es seinem alten Vater Ja'akow geht; er gibt sich immer noch nicht zu erkennen. Die Brüder wollen wieder zurück nach Kena'an ziehen und Josef gibt ihnen reichlich Getreide und Proviant mit. Josef lässt in Binjamins Satteltaschen einen silbernen Kelch verstecken und klagt ihn dann des Diebstahls an. Binjamin muss in Mizrajim zurückbleiben.

Zwei große Themen dominieren unsere heutige Parascha. Die Deutung der beiden Träume Pharaos durch Josef und das Ringen Josefs mit sich und seiner Vergangenheit bei den Begegnungen mit seinen Brüdern. Schauen wir in ein paar weniger prominente Verse dazwischen.

Im 41. Kapitel in Vers 45 erfahren wir: "Pharao nannte Josef Zofnat Pane‘ach und gab ihm Assnat, die Tochter Potiferas, des Priesters zu On, zur Frau;..." und in den Versen 50-52 lesen wir: "Josef wurden aber zwei Söhne geboren, bevor ein Jahr der Hungersnot kam, die ihm Assnat, die Tochter Potiferas, des Priesters zu On, geboren hatte.

Josef nannte seinen Erstgeborenen Menasche (Vergessenheit), denn er sprach: Gott ließ mich vergessen all' mein ganzes Elend und mein ganzes Vaterhaus. Und den Zweiten nannte er Efrajim (Fruchtbarkeit), denn er sprach: Gott macht mich fruchtbar im Lande meines Elends.“

Vergegenwärtigen wir uns noch einmal die Situation Josefs. Er ist der Vizekönig Mizrajims und er könnte der Schrecken der Bewohner des Landes sein, wenn er wollte. Er besitzt eine riesige Machtfülle. Verheiratet ist er mit einer Frau aus bestem ägyptischem Hause.

Aber er bleibt immer noch ein Iwri, ein Hebräer und ein Sklave des Pharao und niemand erzählt davon, unter welchem Einfluss seiner Frau er zu Hause stand. Die Tora erzählt nicht umsonst die Geschichte Josefs in Ägypten in solch einer Ausführlichkeit, denn Josef ist der erste Jude im Exil und bekanntlich sind die Taten der Väter, Zeichen für ihre Nachgeborenen.

Die Tora erzählt uns in Vers 50, dass Assnat Josef zwei Söhne gebar. Die Voraussetzungen, dass beide Söhne zu guten Ägyptern heranwuchsen, waren bestens. Die Grammatik aber ist eigenwillig und betont, dass die Kinder speziell dem Josef geboren wurden. Josefs jüdische Ideale setzten sich bei der Erziehung seiner Kinder durch und noch immer segnen wir unsere Söhne am Freitagabend vor dem Kiddusch zu Hause mit den Worten: "Gott lasse dich werden wie Efrajim und Menasche".

Schabbat Schalom und alles Gute für Euch und Eure Familien und Freunde
Kantor Schwarz


Zur Person: Elija Schwarz
Elija Schwarz, geboren 1969, arbeitet als Kantor für die Jüdische Gemeinde zu Dresden. Außerdem ist er als Kantor und Religionslehrer für den Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen tätig und auch für das Jüdische Seniorenheim Hannover zuständig. Zuvor war er fünf Jahre lang Kantor der Etz-Chaim-Synagoge in Hannover. Darüber hinaus betreut er seit fast zwei Jahrzehnten die Jüdische Gemeinde Elmshorn in Schleswig-Holstein.

Schabbat Schalom bei MDR KULTUR Die Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

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