Schabbat Schalom | MDR Kultur | 05.07.2024 Rabbiner Alexander Nachama: Mahnendes Beispiel gegen destruktive Kritik

03. Mai 2024, 12:00 Uhr

Destruktive Kritik kann schlimme Folgen haben. Die negativen Auswirkungen können sich etwa durch Gerüchte und Lügen äußern, die darauf zurückgehen, dass die Kritik nicht auf der Wahrheit basiert,meint Rabbiner Alexander Nachama in seiner Auslegung des Wochenabschnitts Korach.

Im letzten Wochenabschnitt sind Kundschafter aller Stämme in das versprochene Land geschickt worden. Genauer betrachtet fehlte jedoch ein Stamm: Nämlich der Stamm Levi. Dieser hatte keinen Kundschafter entsandt, weil er kein eigenes Land bekommen sollte. Mehrfach betont die Thora, dass der Stamm Levi landlos bleibt. Stattdessen bekommt dieser Stamm besondere Aufgaben im Tempel, sie sollen den Priestern, den Kohanim, beim heiligen Dienst assistieren.

Ein Midrasch hält fest, dass der Stamm Levi auch nicht am Streit nach dem schlechten Bericht der zehn Kundschafter beteiligt gewesen ist. Die Leviten schließen sich nicht jenen Israeliten an, die nach Ägypten zurückkehren wollen.

Daher, so der Midrasch, war der Stamm Levi auch nicht von der Strafe betroffen, die Gott schließlich ausspricht: Dass die erste Generation derjenigen, die aus Ägypten ausgezogen waren, nicht in das versprochene Land einziehen darf.

Dennoch lesen wir beim Einzug der Israeliten in das versprochene Land, von dem das Buch Jehoschua berichtet, nichts darüber, dass die erste Generation der Leviten noch lebte. Woran liegt das?

Die Antwort finden wir im Abschnitt dieser Woche. Da erfahren wir von mehreren Männern, die den Aufstand gegen Mosche und Aaron probten. Korach, der dem Wochenabschnitt den Namen gegeben hat, gehörte zum Stamm Levi.

Korach und seine Komplizen erheben schwerwiegende Vorwürfe gegen Mosche und Aaron: „Ihr maßt euch zu viel an! Die ganze Gemeinde besteht aus lauter Heiligen, denn der Ewige ist unter ihnen. Warum erhebt ihr euch über die Versammlung des Ewigen?“

Die Aufständischen tun so, als ob Mosche und Aaron ihre Positionen an sich gerissen hätten. Dabei ist doch genau das Gegenteil der Fall. Ein Blick auf den Beginn des zweiten Buchs der Thora genügt um festzustellen, dass Mosche lange zögerte, den Auftrag Gottes anzunehmen, Sprecher vor dem Pharao zu sein und die Israeliten aus Ägypten zu führen. Der berühmte Thora-Kommentator Raschi schreibt, dass es ganze sieben Tage gedauert haben soll, bis Gott Mosche schließlich überzeugt hatte.

Nach einem eindringlichen Appell von Mosche ziehen sich die Söhne Korachs und einige andere seiner Anhänger schließlich zurück. Diese bleiben von der grausamen Strafe verschont, welche die anderen Anhänger Korachs ereilt: „Es öffnete die Erde ihren Mund und verschlang sie und ihre Häuser und alle Leute, die dem Korach angehörten und all ihren Besitz.“

Wie zu Beginn bereits festgestellt, kam Korach aus dem Stamm Levi. Er hatte Anhänger aus den eigenen Reihen, unter den Leviten. Durch den Aufstand verliert die erste Generation der Leviten das Privileg, in das versprochene Land einzuziehen. Auch sie werden im Verlauf der 40-jährigen Wüstenwanderung sterben.

Korach ist uns daher ein mahnendes Beispiel, dass destruktive Kritik schlimme Folgen haben kann. Eher nicht so, dass sich der Boden öffnet und all jene, die sich der Kritik anschließen, verschlingt. Negative Auswirkungen können sich jedoch auch anders äußern, etwa durch Gerüchte und Lügen, die darauf zurückgehen, dass die Kritik nicht auf der Wahrheit basiert. Ich wünsche allen Zuhörerinnen und Zuhörern stets die Einsicht, dies frühzeitig zu verstehen und sich von all jenen zu distanzieren, die so agieren.

In diesem Sinne wünsche ich allen Zuhörerinnen und Zuhörern Schabbat Schalom!

Zur Person: Alexander Nachama Geboren 1983 in Frankfurt am Main. 2005 erhielt er von Rabbiner Zalman Schachter-Shalomi, dem Gründer der Rabbiner- und Kantorenschule "Aleph", eine Urkunde als Kantor. 2008 erhielt er einen Bachelor in Judaistik (Freie Universität Berlin), 2013 einen Master (Universität Potsdam).

Ab 2007 absolvierte er eine Ausbildung am Abraham Geiger Kolleg mit Studienaufenthalten in Israel, die er 2013 mit der Ordination zum Rabbiner abschloss. 1998 - 2011 amtierte Alexander Nachama zunächst als ehrenamtlicher Vorbeter, später als Kantor in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

In den Jahren 2012 - 2018 war er Gemeinderabbiner der Jüdischen Gemeinde zu Dresden, bis August 2023 Landesrabbiner der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen. Inzwischen ist Alexander Nachama der zuständige Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg.

Schabbat Schalom bei MDR KULTUR Die Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 05. Juli 2024 | 15:45 Uhr