Bild mit schwarzem Hintergrund. Eine gelb gleisende Kernfusionskugel liegt in zwei zu Schalen geformten Händen, diese sind gelb umrandet. Schriftzug: Wird Kernfusion Windräder ersetzen. Zusehen ist außerdem das Logo der CDU. 1 min
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CDU und CSU setzen in der Energiepolitik auf Kernkraft. Kernfusion ist für die Union dabei ein Hoffnungsträger – mit Blick auf Klimaziele und Versorgungssicherheit. Doch vom Fusionskraftwerk sind wir noch weit entfernt.

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Wahlversprechen im Zukunftscheck Mit Kernfusion die Klimaziele retten?

10. Februar 2025, 13:24 Uhr

CDU und CSU setzen in der Energiepolitik auch auf Kernkraft. Sogenannte Fusionsenergie ist dabei für die Union ein großer Hoffnungsträger – gerade mit Blick auf Klimaziele und Versorgungssicherheit. Mit mehr "Technologieoffenheit" will die Union die Akzeptanz der Bevölkerung gewinnen. Denn Windräder und Solarparks sind manchen ein Dorn im Auge. Doch von einem kommerziellen Fusionskraftwerk ist die Technologie noch weit entfernt.

MDR AKTUELL Mitarbeiterin Rebecca Nordin Mencke
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Von dem namensgebenden Gipfel in den bayerischen Alpen ist die Experimentieranlage Wendelstein 7-X weit entfernt. Doch auch hier in Greifswald, im Flachland von Mecklenburg-Vorpommern nahe der Ostsee-Küste, strebt die Forschung hoch hinaus. Die Anlage des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik zählt zu den weltweit führenden und soll zeigen, dass ein sogenannter Stellarator das Zeug zum Kraftwerk hat: Also aus Kernfusion Strom für die öffentliche Versorgung und die Industrie gewinnen kann. 

Windräder künftig durch andere Technologien ersetzen? 

Kernfusion ist auch für die Union ein großer Hoffnungsträger. "Wir sprechen uns für zwei große Fusionsreaktoren aus, die in Deutschland erprobt werden sollen", sagte Spitzenkandidat Friedrich Merz etwa im November bei Maybrit Illner. Deutschland solle hier den ersten am Netz haben, das wolle man nicht China überlassen. Und Merz holt noch weiter aus: Man solle "nicht einseitig auf Wind und Sonne" setzen. Windkrafträder seien eine "Übergangstechnologie", die man, "wenn wir es richtig machen, eines Tages wieder abbauen" könne. 

Wir sprechen uns für zwei große Fusionsreaktoren aus, die in Deutschland erprobt werden sollen. Wir wollen hier in Deutschland den ersten am Netz haben.

Friedrich Merz Spitzenkandidat von CDU/CSU
Ein Forscher montiert Bauteile im inneren des Versuchsreaktors Wendelstein 7-x
Die Experimentieranlage Wendelstein 7-X in Greifswald forscht zu Möglichkeiten, Fusionsanlagen für die künftige Energieversorgung zu nutzen. Bildrechte: MPI für Plasmaphysik/Jan Michael Hosan

Im Wahlprogramm plädieren die Unionsparteien für "Forschung zu Kernenergie der vierten und fünften Generation, Small Modular Reactors und Fusionskraftwerken". Dabei argumentiert die Union nicht nur allgemein mit Technologieoffenheit und Innovation. "Gerade auch mit Blick auf die Klimaziele und die Versorgungssicherheit" rechnet die Union der Kernenergie eine "bedeutende Rolle" zu. Die Forschung zu Fusionskraftwerk ist dabei ein Baustein. 

Nationale Klimaschutzziele Bis zum Jahr 2045 werden die Treibhausgasemissionen so weit gemindert, dass Netto-Treibhausgasneutralität erreicht wird. Nach dem Jahr 2050 sollen negative Treibhausgasemissionen erreicht werden. aus dem Bundes-Klimaschutzgesetz, §3 (2)

Fusion: Große Versprechen mit unklarem Ausgang

Doch worum geht es bei der Technologie überhaupt? Im Gegensatz zu bisheriger Atomkraft werden bei der Kernfusion die Atomkerne verschmolzen statt sie zu spalten. So aufwändig der Prozess ist, so groß sind auch die damit verbundenen Hoffnungen: Viel Energie in zentralen Großkraftwerken, dauerhafte Verfügbarkeit, kein CO2-Ausstoß, kein Havarierisiko wie in Tschernobyl oder Fukushima, und die Abfälle deutlich weniger radioaktiv als in bisherigen Atomkraftwerken. "Das ist schon eine lange Liste an Vorteilen", sagt Thomas Klinger, Direktor am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald und Wissenschaftlicher Leiter von Wendelstein 7-X.

Während es bei anderen Primärenergiequellen um bessere Effizienzen und Verfügbarkeiten geht, muss die Kernfusion zur Energiegewinnung allerdings erst noch tatsächlich gelingen. Kritische Stimmen gehen teils sogar so weit, die Forschung an der Technologie als "Brücke ins Nichts" zu bezeichnen.  

Von Dauerbetrieb noch weit entfernt  

Ganz so weit will Matthias Englert vom Öko-Institut auch als erklärter Skeptiker nicht gehen. "Ich will nichts wegnehmen von den Erfolgen, die die Fusionsforschung erreicht hat", sagt der Experte für Nukleartechnik und Anlagensicherheit. Doch die Erfolge fänden bisher noch in einzelnen Schwerpunktbereichen statt, die in Zukunft noch zusammengebracht werden müssten. Hin zu einem kommerziellen Fusionskraftwerk seien noch viele Hürden zu nehmen.

Offen sind selbst so grundlegende Fragen wie jene danach, welche Materialien überhaupt zum Einsatz kommen sollen. Sogenannte Blankets – in denen die entscheidenden Prozesse für einen dauerhaften Reaktorbetrieb ablaufen – müssen eine ganze Reihe an Kriterien erfüllen. Dass sie aus neutronenresistenten Materialen bestehen müssten, sei nur eine davon, erklärt Matthias Englert vom Öko-Institut. Es geht aber beispielsweise auch darum, zu kühlen und einen Wärmetransport zu garantieren. "Jede einzelne Komponente davon ist ingenieurtechnisch herausfordernd", betont er. Auch Klinger räumt ein, Blankets seien "noch nicht in einem Entwicklungszustand, wie man es gerne haben würde". 

Insgesamt ist Fusion so komplex, dass der Prozess bisher nur für kurze Zeiträume aufrechterhalten werden kann, meist wenige Sekunden. Um die Atomkerne zu verschmelzen und Energie zu gewinnen, sind Temperaturen von über 100 Millionen Grad nötig. Mit dem sogenannten Plasma wird dabei ein Materiezustand erreicht, der "kosmisch gesehen gar nichts Exotisches" sei, sagt Klinger mit Verweis auf das Nordlicht oder die Atmosphäre der Sterne. Auf der Erde lässt sich das aber nur mit großen Anstrengungen herstellen. "Wir reden von einem Gas, das eine Million mal dünner ist als die Luft, die wir atmen", erklärt Klinger. 

Fusionsenergie künftig eher für Spezialbereiche relevant 

Doch selbst wenn ein Fusionskraftwerk eines Tages marktreif wäre: Fest steht, dass sich das Stromnetz bis dahin stark verändert hat. Der Ausbau erneuerbarer Energien hat sich zuletzt deutlich beschleunigt. Mit einem Anteil von 62,7 Prozent an der öffentlichen Nettostromerzeugung erreichten erneuerbare Energien in Deutschland 2024 einen neuen Rekord. Netzausbau und Speichertechnologien gewinnen damit zunehmend an Bedeutung.

Sogenannte Grundlastkraftwerke sind nach Einschätzung von Fachleuten im Energiesystem der Zukunft allerdings nicht mehr notwendig. In genau diese Kategorie würde jedoch ein Fusionskraftwerk fallen: Es lohnt sich nur, wenn es auf hohem Niveau tatsächlich dauerhaft genutzt würde. Das "Akademienprojekt Energiesysteme der Zukunft" kam zuletzt zu dem Schluss, dass die zunehmend kleinräumige Ausrichtung unseres Energiesystems "die Integration eines neu hinzukommenden Großkraftwerktyps gegebenenfalls erschweren oder behindern" könne.

"Das Wahrscheinlichste ist, in der zukünftigen Wasserstoffwirtschaft Fusion einzusetzen", sagt Matthias Englert vom Öko-Institut. Fusionsforscher Klinger hält zwar breitere Einsatzfelder der Zukunftstechnologie für möglich, aber auch er betont die Bedeutung erneuerbarer Energien wie Windkraft und Photovoltaik: "Das ist eine gut funktionierende Technik, die schon kommerzialisiert ist." Auch in Zukunft werde das ein starkes Standbein der Energieversorgung sein.

Investitionen mit hohem Risiko

Bei der Fusion geht es dagegen darum, welche strategischen Weichenstellungen notwendig und sinnvoll sind, um die Technologie eines Tages möglicherweise tatsächlich nutzen zu können. Jede Investition birgt daneben Chancen auch Risiken und schon heute fließen hohe Summen in die Forschung. Der geplante Versuchsreaktor ITER – ein internationales Großprojekt in Südfrankreich – verteuerte sich zuletzt auf 20 Milliarden Euro. Ebenso verzögerte sich der Start um weitere Jahre, sodass Experimente dort frühestens 2034 beginnen können.

Welche Ausgaben da gerechtfertigt sind, ist letztendlich Entscheidung der Politik.

Matthias Englert Öko-Institut

"Welche Ausgaben da gerechtfertigt sind, ist letztendlich Entscheidung der Politik", sagt Matthias Englert vom Öko-Institut. So spannend er die Fusionsforschung schon als Physiker selbst findet, für ihn steht fest: Die Investitionen sollten nicht zu Lasten der Erneuerbaren gehen. Ähnlich äußert sich die Energieökonomin Claudia Kemfert: "Die Jahrzehnte, die jetzt noch benötigt werden, um Kernfusion wirklich auch zur Marktreife zu bringen, können die erneuerbaren Energien weltweit so weit ausgebaut werden, dass wir eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien haben."

Man kann es drehen und wenden, wie man will. Wir landen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts.

Thomas Klinger Max-Planck-Institut für Plasmaphysik

Disruptive Technologiedurchbrüche könnten zwar die Entwicklung beschleunigen, räumt Englert ein. Aber man kann eben nicht damit rechnen. Auch Fusionsforscher Klinger verweist auf die langen Zeiträume, die es allein für Planung und Bau von Großanlagen – zu denen selbst die Forschungsreaktoren zählen – braucht. "Man kann es drehen und wenden, wie man will. Wir landen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts", sagt er über den Zeithorizont, Fusionsenergie tatsächlich nutzen zu können.

Fazit: Für Klimaziele 2045 kommt Fusion zu spät 

Bis zum Jahr 2045 soll Deutschland allerdings treibhausgasneutral sein – das ist im Klimaschutzgesetz festgelegt, zu dem sich auch die Union bekennt. Bei allen Unwägbarkeiten, mit denen Kernfusion noch verbunden ist: Für Klimaziele und Versorgungssicherheit spielt die Technologie in absehbarer Zukunft keine Rolle. 

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 09. Februar 2025 | 21:45 Uhr

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