Wahlversprechen im Zukunftscheck Volksleasing: Ein Auto zum Preis des Deutschlandtickets?
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09. Februar 2025, 05:00 Uhr
Sahra Wagenknecht will, dass Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen auf dem Land ein Auto für 58 Euro im Monat leasen können – einen effizienten Verbrenner oder ein E-Auto. Das soll auch der deutschen Autoindustrie helfen. Ist ihr Wahlversprechen – das "Volksleasing" – zukunftsfähig?
- Frankreich hat Sozialleasing für Menschen mit niedrigen Einkommen eingeführt.
- Was verhindert eher Mitnahmeeffekte: Kaufprämie oder Leasing?
- Wahlversprechen im Zukunftscheck: Fazit.
Mobilität für alle – das ist ein erklärtes Ziel von BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht. Was das heißt? Sie will zum einen am Deutschlandlandticket festhalten. Zum anderen hat sie sich Gedanken über die gemacht, die vergeblich an den Haltestellen dieser Republik auf öffentliche Verkehrsmittel warten.
Für sie soll es genauso viel kosten, ein eigenes Auto anzuschaffen wie ein Deutschlandticket zu kaufen; nämlich 58 Euro im Monat für einen Leasing-Vertrag. Das BSW nennt das "Volksleasing". Und weil es auf dem Land nicht nur an Bus- und Bahnverbindungen mangle, sondern auch an E-Auto-Infrastruktur, sollen die Leute auch sparsame Verbrenner mit bis zu fünf Litern Verbrauch auf 100 Kilometern leasen dürfen, so Wagenknecht. Im BSW-Wahlprogramm steht dann auch:
Mit einem "Volksleasing" für umweltfreundliche Fahrzeuge aus europäischer Produktion, einschließlich verbrauchsarmer Verbrenner (unter 5l), wollen wir Menschen in Regionen mit geringen öffentlichen Verkehrsangeboten angemessene Mobilität ermöglichen."
58 Euro – das klingt tatsächlich nach einem Schnäppchen. Laut dem Vergleichsportal Goleasy kostet allein ein gebrauchter VW Golf rund 200 Euro im Monat. Die Differenz soll der Staat tragen – die Steuerzahlenden also. Nicht unerhebliche Kosten, meint Matthias Gather, Professor für Verkehrspolitik an der Fachhochschule Erfurt. "58 Euro ist ganz schön wenig für eine Leasingrate. Das heißt, das wird ein sehr teures Modell für den Staat." Und anders als die Ende 2023 abgeschaffte E-Autokaufprämie wäre das Volksleasing ein Förderprogramm, das kontinuierlich Kosten verursacht.
Frankreich hat das Sozialleasing für E-Autos
Daher spricht sich der Verbraucherzentrale Bundesverband auch gegen Wagenknechts Volksleasing – eine Förderung im Dauerzustand – aus. "Grundsätzlich sehen wir als Verbraucherschützer:innen Kaufanreize für Autos kritisch. Sie können für eine gewisse Zeit sinnvoll sein, um wie bei der E-Mobilität zu helfen, eine neue Technologie zu etablieren. Langfristig kann der Markthochlauf nicht auf Kosten der Steuerzahler:innen finanziert werden", so Gregor Kolbe, Referent Verkehrsmärkte. Stattdessen sieht er die Hersteller in der Verantwortung, für attraktive Preise und Produkte zu sorgen.
Wagenknecht orientiert sich mit ihrem Vorschlag an unseren Nachbarn. Frankreich hat ein Sozialleasing für Elektroautos eingeführt. Menschen mit niedrigem Einkommen, die gleichzeitig eine weite Pendelstrecke zurücklegen, können davon profitieren. Das Interesse war deutlich größer als der Fördertopf.
Kaufprämie oder Leasing
Gezielt Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen zu fördern, hält Sven Stöwhase für eine gute Idee. Der Volkswirt vom Fraunhofer-Institut für angewandte Informationstechnik hat die Wirkung der E-Auto-Kaufprämie untersucht. Eine Erkenntnis: Die abgeschaffte Kaufprämie kam vor allem Menschen mit höherem Einkommen zugute, "die sich ohnehin mit einer höheren Wahrscheinlichkeit ein E-Auto gekauft hätten. Die nehmen diese Prämien gerne noch mit".
Die Gefahr eines Mitnahmeeffekts gibt es aber auch auf der anderen Seite, nämlich bei den Autoherstellern. Es gibt Hinweise, dass sie E-Modelle verteuert haben, während die Prämie gezahlt wurde. Solche Preissteigerungen ließen sich bei einem Leasingvertrag noch besser verstecken, argumentiert Sven Stöwhase und spricht sich daher eher für eine Kaufprämie nach sozialen Aspekten aus. Bedenken hat er auch, weil Wagenknecht nicht nur E-Autos, sondern auch Verbrenner fördern will. Er warnt vor einer Kostenfalle: "Denn wir wissen, dass der CO2-Preis in den nächsten Jahren massiv steigen wird." Die Quittung bekommen die Menschen am Ende an der Tankstelle.
Seine Skepsis teilt er mit Verkehrspolitik-Professor Matthias Gather. Er ist der Meinung, man werfe die Transformation über Bord, wenn Deutschland jetzt wieder anfange, Verbrenner zu fördern. "Was wir brauchen für die Verkehrswende, ist eine Elektrifizierung des Straßenverkehrs – gerade auf dem Land." Im Gegensatz zu Wagenknecht sieht Gather den ländlichen Raum dafür besonders geeignet. "Die Leute haben Platz. Die können oft mit einer Wallbox ihre Autos selbst aufladen. Und dann haben die vielleicht noch eine Solaranlage auf dem Dach. Die Eigentumsquoten sind ja viel größer auf dem Land als in der Stadt." Parallel dürfe man nicht den ÖPNV aus dem Blick verlieren. Man müsse auch immer die Möglichkeit haben, ohne Auto zurechtzukommen.
50 Millionen Autos – und es werden immer mehr
Mehr E-Mobilität, aber auch mehr ÖPNV statt Autos – das zahlt auf die deutschen Klimaziele ein. Die Emissionen im Verkehrssektor sind seit 1990 nahezu konstant – konstant hoch. Und die Zahl der Pkws steigt immer weiter.
Im Oktober 2024 waren es laut Kraftfahrtbundesamt knapp 50 Millionen Autos. Ungeachtet dessen haben auch Politiker anderer Parteien bereits auf der Idee unseres französischen Nachbarn herumgekaut. Anders als in Frankreich profitierten heimische Autobauer wie VW, BMW oder Mercedes nicht vom Sozial- oder Volksleasing, glaubt auch Matthias Gather: "Weil preiswerte Kleinwagen, die hier gefördert werden sollen, kommen nicht aus Deutschland – weder Verbrenner noch E-Autos".
Fazit: Die Verbrenner vermasseln die Zukunftstauglichkeit
Würden chinesische Autos ausgeklammert, würde man so eher die französische und italienische Autoindustrie fördern, schlussfolgert Gather.
Volksleasing könnte Steuergelder sicher sozialer als die inzwischen abgeschaffte E-Auto-Kaufprämie verteilen, das wäre ein Pluspunkt. Volksleasing mit E-Autos würde auf eine emissionsfreie Zukunft einzahlen, Volksleasing mit Verbrennern hingegen nicht.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 09. Februar 2025 | 21:45 Uhr