Unter der Lupe - Torben Lehning zum Bundeshaushalt
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Unter der Lupe – die politische Kolumne Bundeshaushalt 2025: Zukunftskoalition ohne Zukunft

20. Juli 2024, 05:00 Uhr

Lange haben die Ampel-Koalitionspartner um Inhalte gerungen und gestritten. Einen gemeinsamen Nenner fanden sie nur selten. Selbst dem optimistischsten Fan von Rot-Grün-Gelb dürfte nach Vorlage des widersprüchlichen Haushaltsentwurfs 2025 klar sein: Die Koalitionspartner können und wollen nicht mehr. Eine Neuauflage der Ampel wird es vorerst nicht geben. Dafür aber einen Wahlkampf, der es in sich hat. Neue alte Bündnisse werfen ihre Schatten voraus.

Als Zukunftskoalition sind sie gestartet. Viel hatten sich SPD, Grüne und FDP vorgenommen: wirtschaftspolitische Transformation im Angesicht des Klimawandels, mehr Lohn und Chancengleichheit für Geringverdienende, ein Ende der Kinderarmut sowie eine Infrastrukturwende. Und das alles, ohne Steuern zu erhöhen oder Schulden zu machen. Also quasi so weitermachen wie bisher, aber mit besseren Ergebnissen für alle. Das klang – vorsichtig formuliert – schon von Anfang an sehr ambitioniert, nahezu unmöglich.

Dann aber kamen Pandemie, Ukrainekrieg samt Energiekrise, schlussendlich die Schuldenbremsen-Klatsche vor dem Verfassungsgericht. Von den hohen Plänen der ersten Drei-Parteien-Koalition der Bundesrepublik blieb nicht viel mehr übrig – außer dem Wunsch, weniger liegen lassen zu wollen, als die Vorgängerregierung.

Kalkulierte Bruchlandung

Da ist es schon bemerkenswert, dass Scholz, Lindner und Habeck sich nach der verkorksten Haushaltsrunde 2024 noch einmal in einem 80 Stunden andauernden Verhandlungsmarathon zusammenreißen und einen Kompromiss ausarbeiten konnten. Nach einer durchverhandelten Nacht kam Bundeskanzler Scholz zu dem Schluss, der Haushalt 2025 sei "aus einem Guss". Immerhin kein Scherbenhaufen.

Die Bundesregierung vollzieht eine kalkulierte Bruchlandung, mit dem Ziel, es irgendwie bis zur nächsten Bundeswahl zu schaffen. Staatspolitische Verantwortung sagen die einen. Angst vor Neuwahlen die anderen.

Eklatante Lücken

Da wären allein 17 Milliarden Euro im Haushalt, von denen die Regierung hofft, sie nicht auszugeben zu müssen, weil sie das Geld gar nicht hat. Eine Wette mit sich selbst und das noch vor den Haushalts-Verhandlungen im Parlament. Frei nach dem Motto: Wer zuerst zuckt oder Schwäche zeigt, verliert.

Rekordinvestitionen in die Schiene, das klingt gut. Diese mittels verzinster Darlehen für die Deutsche Bahn ermöglichen zu wollen, die verfassungsrechtlich erst noch überprüft werden müssen: Das klingt eher fahrlässig. Von der Kindergrundsicherung bleibt genauso wenig übrig wie vom Bürgergeld, während aus der Zeit gefallene Subventionierungen wie das Dienstwagenprivileg bestehen bleiben. Die Bundesregierung will sogar E-Fuels fördern. Eine Technik, die noch nicht auf dem Markt ist.

Kein Wille zu Grundsatzentscheidungen

Wo soll das Geld für den Wehretat ohne eine Abänderung der Schuldenbremse künftig herkommen, wenn das Sondervermögen für die Bundeswehr aufgebraucht ist?

Wo soll das Geld für unseren Sozialstaat herkommen, damit Renten und Co. nicht das soeben Erwirtschaftete direkt auffressen? Gesund investieren oder Gesundsparen? Die Ampel-Koalition bleibt hier wichtige Antworten schuldig, weil sie keine Grundentscheidungen trifft. Die Koalitionspartner sind zu unterschiedlich, als dass sie diese Grundsatzentscheidungen treffen könnten. So können SPD, Grüne und FDP nicht mehr für einen gemeinsamen Politikentwurf werben, weil es keinen mehr gibt.

Klar ist auch: Ohne die CDU gibt es keine Mehrheit für eine Abänderung der Schuldenbremse. Also beginnen die Partner bereits jetzt im Einzelkampf, für neue politische Mehrheiten nach der kommenden Bundestagswahl zu werben.

Neue alte Freunde?

Geht es nach FDP und CDU, soll das Geld für eine moderne Bundeswehr vornehmlich durch Kürzungen im Sozialetat zusammenkommen. Wie die aktuell rund 16.000 sogenannten "Jobverweigerer im Bürgergeldbezug" durch eine Politik der harten Hand plötzlich Milliardenbeträge für die bundesdeutsche Aufrüstung erwirtschaften sollen, scheint mir schleierhaft. Doch das Versprechen "nicht bei euch, sondern bei den Untätigen ist noch was zu holen", ist ein altbewährtes Instrument der liberal-konservativen Trickkiste.

Finanzminister Linder reagiert auf die Frage, mit wem er zukünftig zusammen diese Politik umsetzen wolle, mit einem Lächeln. "Das beantworte ich nicht als Finanzminister. Kommen Sie dazu doch bitte ins Genscherhaus" – die FDP-Parteizentrale.

Die Ampel wird gehen – die Schuldenbremse auch

Grüne und SPD gönnen einander naturgemäß keine einzige Wählerstimme, wissen aber, dass sie, um Steuern für Gutverdiener zu erhöhen und mehr schuldenfinanzierte Investitionen tätigen zu können, bislang nur einander haben. Das reicht nicht. Für Kanzler Scholz ist das eine Aufgabe, "die man mit ganz viel Ruhe und ohne Schaum vorm Mund" lösen müsse.

Damit dürfte der Kanzler recht behalten. Womöglich wird es aber keine SPD-geführte Regierung sein, die die Schuldenbremse modernisiert. So wie die Dinge stehen – und für die Ampel stehen sie wahrlich schlecht – kann die Union sich bereits darauf freuen, das Geld auszugeben, dass sie der Ampel verwehrt hat. Auf SPD und Grüne könnte die Rolle der Mehrheitsbeschafferinnen zukommen. Klar ist, die Schuldenbremse wird gehen nach der nächsten Bundestagswahl. Die Ampelkoalition auch.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 20. Juli 2024 | 06:00 Uhr

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