Corona-Forschung aktuell: 8. Dezember Leopoldina fordert harten Lockdown über die Feiertage
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11. Dezember 2020, 08:41 Uhr
Die Akademie der Wissenschaften Leopoldina in Halle fordert einen harten Lockdown über die Feiertage und den Jahreswechsel. Außerdem: Auch US-Forscher diskutieren Abwassermonitoring zur Überwachung von Corona.
Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse über Corona
In Mitteldeutschland laufen die Vorbereitungen für Impfzentren an. Auch aus der Wissenschaft gibt es aktuell täglich Neuigkeiten zur Covid-19 und Sars-CoV-2. MDR WISSEN verschafft Ihnen hier den Überblick über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse.
IgA-Antikörper am wirken am effektivsten gegen das Virus
Eines der größten Forschungsfelder in der aktuellen Pandemie sind Antikörper gegen das Sars-Coronavirus-2. Drei neue Studien bringen jetzt weitere Erkenntnisse zur Frage, welche dieser vom Körper gebildeten Abwehrstoffe am effektivsten wirken und wie lange die kleinen Eiweißmoleküle nach einer Infektion erhalten bleiben.
Zur ersten Frage zeigen die Forscherteams von Delphine Sterlin (Institut Pasteur, Paris) und Zijung Wang (The Rockefeller University, New York) in zwei voneinander unabhängigen Studien, dass die Antikörper des Typs IgA die stärkste neutralisierende Wirkung gegen das Virus haben und wohl deshalb auch am häufigsten vom Immunsystem gebildet werden. Das sei insofern überraschend, weil bei den meisten Infektionen IgM Antikörper die ersten seien, schreiben Sterlin und ihre Kollegen im Fachjournal Science Translational Medicine. Sie untersuchten Blut, Speichel und ein Lungensekret von 150 Patienten, die an Covid-19 erkrankt waren. In allen drei Flüssigkeiten sei die IgA-Konzentration über vier Wochen nach Beginn der Symptome hinweg höher gewesen, als die von IgM und IgG Antikörpern. Danach verschwanden die IgA Antikörper allerdings langsam und waren nur im Speichel noch längere Zeit nachweisbar.
Wang und sein Team untersuchen 149 Patienten, die sich von einer Covid-19-Erkrankung erholten. Sie klonten deren IgA Antikörper und stellten fest, dass deren spezifische, dimetrische Form das Virus etwa 15 Mal besser binden konnte, als monometrische Varianten. Diese Variante kommt laut den Forschern am häufigsten in den Schleimhäuten im Nasen-Rachenraum vor, wo das Virus in den Körper eindringt. Die Forscher argumentieren, dass Impfstoffe, die etwa als Spray eine IgA-Antikörperbildung in den oberen Atemwegen anregen können, einen sehr effektiven Schutz gegen Sars-CoV-2 bieten könnten.
Eine dritte Studie analysierte erneut die Antikörperkonzentrationen im Körper von genesenen Covid-19 Patienten. Katharina Röltgen (Stanford University) und Kollegen analysierten 983 Plasmaproben von insgesamt 254 Personen, davon waren 79 im Krankenhaus und 175 ambulant behandelt worden. Die Forscher stellten Fest: Menschen, deren Antikörper eher gegen das Spikeprotein von Corona wirkten, hatten mildere Covid-19-Verläufe, als diejenigen, deren Antikörper sich eher an der Hülle des Virus andockten. Das ist insofern ermutigend, da die meisten aktuellen Impfstoffkandidaten Antikörper gegen das Spikeprotein anregen. Auch in Röltgens Untersuchung nahm die Antikörperkonzentration einige Monate nach der Infektion ab, ein Phänomen, das bereits viele Studien festgestellt haben. Über den Erhalt einer Immunität gegen das Virus sagt das aber noch wenig aus, da hier auch die T-Zellen eine große Rolle spielen.
Allerdings könne dieser Rückgang der Antikörperkonzentration zu einem anderen Problem führen: Studien, die untersuchen, wie viele Menschen die Infektion bereits durchlebt haben, anhand von Antikörperwerten könnten die tatsächlichen Zahlen leicht unterschätzen, schreiben die Wissenschaftlerinnen.
Zu den Studien
Sterlin et.al.: IgA dominates the early neutralizing antibody response to SARS-CoV-2, Science Translational Medicine
Wang et al.: Enhanced SARS-CoV-2 neutralization by dimeric IgA, Science Translational Medicine
Röltgen et al.: Defining the features and duration of antibody responses to SARS-CoV-2 infection associated with disease severity and outcome, Science Immunology
Abwassermonitoring gegen Corona auch in den USA
Das Abwasser überwachen, um die aktuelle Verbreitung von Corona zu messen – diese Idee wird seit Ausbruch der Pandemie in verschiedenen Ländern getestet, unter anderem auch vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Jetzt berichten Forscher aus den USA im Fachjournal "Environmental Science and Technology" über ihren Ansatz im US-Bundesstaat Kalifornien.
Dort stellten sie bei Tests fest, dass sich das Sars-Coronavirus-2 am besten in Feststoffen messen lässt, die sich am Grund einer flüssigen Abwasserprobe absetzen. Zwischen Mitte März und Mitte Juli nahmen sie rund 100 solcher Proben aus einer Kläranlage in San José, nahe San Francisco. Dabei zeigte sich: Die festgestellten Viruskonzentrationen verliefen parallel zur Entwicklung der von Laboren festgestellten Covid-19-Infektionen. Das mache flächendeckendes Abwassermonitoring zum geeigneten Mittel, um neue Ausbrüche oder lokale Hotspots festzustellen, schreiben die Forscher. Angesichts der Knappheit von PCR-Tests sowie vieler unentdeckter, weil symptomfreier Covid-19-Verläufe könne die Abwasserüberprüfung helfen, blinde Flecken bei der Überwachung des Infektionsgeschehens zu beseitigen.
Link zur Stude
Graham et.al.: SARS-CoV-2 RNA in Wastewater Settled Solids Is Associated with COVID-19 Cases in a Large Urban Sewershed, Environmental Science & Technology
Leopoldina: Situation droht sich zu verschärfen
"Die gegenwärtige Situation ist nach wie vor ernst und droht sich weiter zu verschärfen", mit dieser Einschätzung fordert die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in einer aktuellen Stellungnahme einen "harten Lockdown". Dazu empfiehlt sie ein zweistufiges Vorgehen. "Die Rahmenbedingungen ‒ Weihnachtsferien in Bildungseinrichtungen und eingeschränkter Betrieb in vielen Unternehmen und Behörden – bieten die Chance, in der Eindämmung der Pandemie ein großes Stück voranzukommen", so die Leopoldina.
Die Vorschläge zielen auf eine berufliche und private Kontaktbeschränkung ab dem 14.12. auf das absolute Mindestmaß, Aufhebung der Schulpflicht bis zum Beginn der Weihnachtsferien, Einstellung aller Gruppenaktivitäten in Sport und Kultur. Ab dem 24. Dezember sollten "alle Geschäfte bis auf die des täglichen Bedarfs geschlossen und die Weihnachtsferien in den Bildungseinrichtungen verlängert werden", so die Akademie. Keine Urlaubsreisen und Zusammenkünfte nur im engsten stabilen Familienkreis, heißt es in der Stellungnahme weiter. Und für den Wiederbeginn des Unterrichts ab dem 10. Januar 2021 empfiehlt die Leopoldina in allen Bundesländern das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im Unterricht für alle Jahrgangsstufen und ländereinheitliche Regeln für den Wechselunterricht ab der Sekundarstufe, die ab einer bestimmten Inzidenz greifen sollten.
Die Wissenschaftsakademie begründet den Vorschlag mit Erfahrungen in anderen Ländern, die zeigen, "dass schnell eingesetzte, strenge Maßnahmen über einen kurzen Zeitraum erheblich dazu beitragen, die Infektionszahlen deutlich zu senken und niedrig zu halten, um die Kontrolle über das Infektionsgeschehen zurückzuerlangen".
Alkoholismus: Je länger der Lockdown, desto stärker trinken die Rauschtrinker
Forscher in den USA weisen in einer neuen Studie auf den Zusammenhang zwischen Binge-Drinking – frei übersetzt als Rauschtrinken – und der Covid-19-Pandemie hin, speziell von Gegenmaßnahmen wie Lockdowns. Die Pandemie und ihre Folgen beförderten offenbar bereits vorhandene persönliche Krisen und steigerten sie weiter, schreiben die Autoren im "American Journal of Drug and Alcohol Abuse".
In der Studie berichten sie über die Befragung von rund 2.000 erwachsenen US-Bürgern zwischen Mitte März und Mitte April. Das war die Zeit des ersten Lockdowns, beziehungsweise der "Stay in Shelter Orders", also der ersten, landesweiten Anordnung, zuhause zu bleiben. Die Teilnehmer der Studie waren im Schnitt 42 Jahre alt und zu 69 Prozent Frauen. Der Anteil der Gutverdiener war überdurchschnittlich hoch.
Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass Menschen, die vor der Pandemie ein problematisches Trinkverhalten hatten, in rund 60 Prozent der Fälle ihren Alkoholkonsum während des Lockdowns weiter steigerten. Als problematisch festgelegt wurde, wenn Männer in zwei Stunden fünf oder mehr und Frauen vier oder mehr alkoholische Getränke zu sich nahmen. Der Anteil der Trinker, die diese Grenze überschritten, sei mit jeder weiteren Woche des Lockdowns um 19 Prozent gestiegen.
Die Wissenschaftler raten dazu, die Gesundheitsfürsorge zu verbessern und mehr auf Anzeichen von Alkoholismus und Depression zu achten, um bei Betroffenen früher intervenieren zu können, bevor es zu schweren Gesundheitsschäden kommt.
Link zur Studie
Jetelina, Knell: Longer time spent at home during COVID-19 pandemic is associated with binge drinking among US adults, The American Journal of Drug and Alcohol Abuse
(ens)
Aktuelle Corona-Forschung
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