Regierungsarbeit Warum die FDP als kleinster Ampel-Partner so viel Einfluss hat
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16. Oktober 2024, 13:54 Uhr
Seit drei Jahren ergeben SPD, Grüne und FDP eine Koalition mit viel Diskussionsbedarf und scheinbar wenig Basis für gemeinsamen Konsens. Ein MDR AKTUELL-Hörer fragt nun mit Blick auf die FDP: Wie kann es sein, dass eine Partei mit immer weniger Befürwortern so einen großen Einfluss auf das Regierungsgeschehen nehmen kann?
- Für Koalitionen gilt das sogenannte Einstimmigkeitsprinzip – unabhängig von der Größe der Parteifraktion im Bundestag.
- SPD, Grüne und FDP setzen einem SPD-Politiker zufolge schon vor Verhandlungen auf Konsens.
- Kritik gibt es an nächtlichen Verhandlungsrunden.
Die Vorstellung der FDP, wie ein zukunftsfähiges Deutschland aussehen muss, unterscheidet sich deutlich von der SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Das macht die Kompromissfindung im Bundestag immer wieder zu einer Herausforderung, erklärt der Chemnitzer Politikwissenschaftler Benjamin Höhner: "Die FDP setzt im Grunde auf einen eher schwachen Staat, der sich zurücknimmt und wo es keine weiteren Steuererhöhungen gibt."
SPD und Grünen dagegen setzten eher auf einen starken Staat, um Krisen und Probleme lösen zu können. Man setze auf höhere Steuern und auch darauf, dass der Staat sich verschulden muss, um investieren zu können. Höhner fragt: "Wie wollen sie diese grundlegend verschiedenen Anschauungen durch Kompromisse zusammenbringen?"
Jeder hat eine Stimme
Es ist das Einstimmigkeitsprinzip, das im Kern die Koalitionsverträge vorschreiben, sowohl auf Länder- als auch auf Bundesebene. Detlef Müller von der SPD-Bundestagsfraktion erklärt das Prinzip: "Jeder Partner in der Koalition hat immer eine Stimme. Beschlüsse werden einstimmig gefasst."
Da spiele es keine Rolle, dass die FDP kleiner sei als SPD oder die Grünen. Man müsse in diesen Abstimmungsrunden immer versuchen, Kompromisse zu schaffen, die eine Einstimmigkeit mit sich bringen. Das sei die große Aufgabe. Es sei aber nicht so, dass nur die FDP ab und zu mal ein Veto einlege, das mache auch die SPD.
Konsens immer schon zu Beginn
SPD-Politiker Müller hat für sich und seine Ressortpartnerinnen eine Strategie gefunden, die schon vor den großen Verhandlungen einen ersten Konsens ermöglichen. "Wir treffen uns in der Sitzungswoche in Berlin mindestens zweimal. Einmal vormittags und einmal abends und abends dann auch open end, um dann Themen abzuräumen. Manchmal spricht man dann auch über private Geschichten, dass man sich besser kennen lernt und eine gute Gesprächskultur hat und Vertrauen aufeinander aufbaut. Das würde ich mir in allen Bereichen wünschen, dann wären wir vielleicht auch schneller."
Keine Begeisterung für nächtliche Verhandlungen
Auch FDP-Politiker Thorsten Herbst hat schon eine Idee, wie Beschlussfindungen zuverlässiger laufen können: "Diese Sitzungen, wo man bis in den frühen Morgen verhandelt und dann Ergebnisse herauskamen, die dann einer genaueren Prüfung doch nicht standhalten, weil es ein schneller Kompromiss war – dass man darauf verzichtet und das in Ruhe macht."
Drei Vorstellungen unter einen Hut zu bringen ist einfach schwieriger als zwei, da sind sich alle einig.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 16. Oktober 2024 | 06:22 Uhr