Urteil des Bundesverfassungsgerichts Ampel will vorerst keine weiteren Änderungen am Wahlrecht
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02. August 2024, 20:07 Uhr
Ampel und Union wollen das Wahlrecht nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorerst nicht weiter anpassen. Grund sind unterschiedliche Schlussfolgerungen, die vor der nächsten Bundestagswahl nicht auszuräumen sind. Ein wesentliches Streitthema ist die sogenannte Zweitstimmendeckung. Sie sieht vor, dass künftig allein das Zweitstimmenergebnis über die Mandatszahl entscheidet - auch dann, wenn das Erststimmen-Ergebnis darüber liegt.
Die Ampel-Parteien wollen das Wahlrecht nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorerst nicht weiter anpassen. Wie die Nachrichtenagenturen dpa und AFP aus Koalitionskreisen erfuhren, sind die Fraktionen der Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP sowie der oppositionellen Union übereingekommen, dass es bis zur nächsten Bundestagswahl im September 2025 keine weiteren Änderungen geben soll.
Zuvor hatten sich die Fraktionschefs der vier Parteien zu dem BVerfG-Urteil ausgetauscht. Es habe grundsätzlich unterschiedliche Bewertungen zwischen Ampel und Union gegeben, die in der noch zur Verfügung stehenden Zeit vor der Bundestagswahl nicht auszuräumen seien, hieß es aus Koalitionskreisen. Dabei sei deutlich geworden, dass die Gesprächspartner unterschiedliche Schlussfolgerungen aus der Karlsruher Entscheidung zögen.
Grundmandatsklausel und Zweitstimmendeckung
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Aufhebung der sogenannten Grundmandatsklausel im neuen Wahlrecht für verfassungswidrig erklärt und diese Regelung vorerst wieder in Kraft gesetzt. Damit gilt erst einmal weiter, dass Parteien auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag einziehen, wenn sie unter der Fünf-Prozent-Hürde liegen, aber mindestens drei Direktmandate gewinnen.
Ein weiteres Kernstück der Wahlrechtsreform, die Begrenzung des Bundestages auf 630 Abgeordnete und den Wegfall der sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandate, haben die Karlsruher Richter hingegen bestätigt. Damit ist für die Zahl der Sitze im Parlament künftig allein das Zweitstimmenergebnis einer Partei entscheidend (Zweitstimmendeckung) - auch dann, wenn sie mehr Direktmandate geholt hat. In dem Fall gehen die Wahlkreisgewinner mit den schlechtesten Erststimmenergebnissen leer aus.
Union will Zweitstimmendeckung neu verhandeln
Gegen die Wahlrechtsreform hatten unter anderem die Union, die Linke und die bayerische Staatsregierung geklagt. Nach dem Treffen der Fraktionschefs von Ampel und Union hieß es aus Koalitionskreisen, die Union ziehe die vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Zweitstimmendeckung in Zweifel und wolle darüber eine Entscheidung treffen. Die Vertreter der Ampel-Fraktionen seien sich hingegen einig gewesen, dass lediglich die vom Verfassungsgericht monierte Praxis bei der Sperrklausel zu erörtern sei.
CDU-Chef Friedrich Merz warf den Ampel-Fraktionen nach dem Treffen mangelnden Kompromisswillen vor. Aufgrund des von der Ampel erfundenen und vom Bundesverfassungsgericht bestätigten Verfahrens der sogenannten Zweitstimmendeckung werde man bei der nächsten Bundestagswahl nach einem Wahlrecht wählen, "das nicht mehr sicherstellt, dass ein direkt gewählter Abgeordneter auch in den Deutschen Bundestag einzieht." Das Wahlrecht komme wieder auf die Tagesordnung, sobald die Union wieder an der Regierungsbildung beteiligt sei.
dpa/AFP(dni)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 02. August 2024 | 17:00 Uhr