Osten heißer und trockener Niederschlag in Deutschland "unfair verteilt"

30. Juni 2023, 05:00 Uhr

Erst Rekordhitze in Spanien und Portugal, jetzt die Schlagzeile "Großbritannien dörrt aus", subtropische Temperaturen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und erste Bewässerungsverbote in der Region. Wie sinnvoll sind die, beeinflussen eigentlich die Tagebau-Seen das Klima und warum noch einmal ist Ostdeutschland trockener als der Westen?

Mit dem Regen und dem Gewitter ist es im Sommer oft wie mit dem Rasen, für Viele ist der beim Nachbarn grüner. "Die menschliche Wahrnehmung", sagt der Leiter des Dürremonitors vom Umweltforschungszentrum in Leipzig (UFZ Leipzig), Andreas Marx, "ist ein Hund".

Andreas Marx Andreas Marx ist Klimaforscher am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig und leitet sowohl das Klimabüro Mitteldeutschland als auch den Deutschen Dürremonitor.

Dürremonitor 14. Juni 2023
Dürremonitor vom 14. Juni 2023 Bildrechte: UFZ / MDR Wissen

Immer wieder habe man den Eindruck im Sommer, der Regen würde vorbeiziehen. Aber: "Den Eindruck haben alle. In ganz Deutschland." Das liegt Marx zufolge ganz einfach an der Größe einer Gewitterzelle. Sie habe normalerweise einen Kern von einem Kilometer Durchmesser aus dem heraus es regne. "Deswegen hat man im Sommer häufig den Eindruck, das Wetter wird vorbeiziehen."

Diese Wahrnehmung führt zu einer zweiten falschen Annahme – nämlich, dass Seen wie die im Mitteldeutschen Braunkohlegebiet oder Flüsse den Regenfall beeinflussen. "Das ist wissenschaftlich nicht haltbar", sagt der Forscher vom UFZ Leipzig.

Gebirge hätten Einfluss, der Harz etwa, nicht aber relativ kleine Wasseroberflächen wie die von Flüssen. In Deutschland hat Marx zufolge nur ein See Einfluss auf das Klima: der Bodensee. "Der Bodensee ist ein riesiger See, der bildet ein Lokalklima aus", sagt Marx. "Alle Wasserflächen zusammen, die in Tagebaurestlöchern im gesamten mitteldeutschen Raum entstanden sind, die sind 50-mal kleiner als der Bodensee."

Niederschlag unfair verteilt

Trotzdem regnet es in Deutschland nicht gleichermaßen viel und auch die Böden führen dazu, dass einige Regionen trockener sind als andere, dass der Osten als generell trockener gilt als der Westen. "Der Niederschlag", sagt Marx, "ist unfair verteilt". Das liegt am Klima und den Bergen: Im Westen herrscht ein Atlantikeinfluss, im Osten der vom kontinentalem Klima – im Sommer heiß, im Winter kalt und trocken.

Bodensee im Vergleich zum Neuseenland * Der Bodensee ist 536 Quadratkilometer groß.
* Alle Seen im Neuseenland sind 24 Quadratkilometer groß. * Sie passen 22-mal in den Bodensee. Michaela Koschak, MDR-Wetterstudio

Während in den Alpen im 30-jährigen Mittel zwischen 2.000 und 2.200 Liter Regen pro Quadratmeter fielen, seien es im Mitteldeutschen Trockengebiet 450 Liter. Das Mitteldeutsche Trockengebiet erstreckt sich von Magdeburg bis nach Thüringen. "Wenn feuchte Luft von Westen kommt, dann steigt die am Harz auf und regnet da ab und die Luft fällt dann hinter dem Harz, also östlich, wieder runter und ist aber dann wesentlich trockener und da regnet es einfach weniger."

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MDR Garten So 30.04.2023 08:30Uhr 03:37 min

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Sandböden im Nordosten trocknen schneller aus

Die Region ist zwar trocken, die Ernten aber sind trotzdem gut. Grund ist die Bodenqualität, meint Marx. Die sandige Bodenqualität im Norden und Nordosten, und eben auch in Sachsen und Sachsen-Anhalt, sind ein weiterer Grund für die Trockenheit. Der Niederschlag sickert durch, regne es eine längere Zeit nicht, dann trockneten diese Böden sehr schnell aus. Den Norden Sachsen-Anhalts führt Marx als eine der Problemregionen Deutschlands an, wo der Boden nie richtig nass werde, sich das Grundwasser im Winter nicht so stark erhole, wie es das normal machen würde. In der Region sei es seit fünf Jahren durchgehend zu trocken, entstünden zum ersten Mal in mehreren Jahren in Folge Dürreschäden.

Grundwasserpegel Es müsste anderthalb Jahre regnen, damit sich der Grundwasserspiegel in ganz Deutschland wieder erholt. Michaela Koschak, MDR-Wetterstudio

Marx: "Wir haben immer noch viel Wasser"

Prinzipiell ist Marx zuversichtlich: "Wir haben nicht ein bisschen Wasser, wir haben immer noch viel Wasser." Die Lage sei nicht mit der in Spanien vergleichbar, wo inzwischen jedes Jahr um den Einsatz von Wasser gestritten werde. Zudem verweist er auf wissenschaftliche Studien, Klimasimulationen. Aus diesen werde nicht ersichtlich, warum Deutschland austrocknen sollte. Der Wasserhaushalt bleibe voraussichtlich im Mittel. Er erwartet bis zur Mitte des Jahrhunderts nur relativ kleine Veränderungen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. "Es ist sogar so, dass mit zunehmender Erwärmung der Jahresniederschlag sogar leicht steigt, vor allem im Winterhalbjahr." Und damit in einer Zeit, in der sich das Grundwasser immer erneuert.

Wir haben nicht ein bisschen Wasser, wir haben immer noch viel Wasser.

Andreas Marx, Dürremonitor Deutschland, UFZ Leipzig

Gießen zwischen 11 und 19 Uhr befeuchtet höchstens Atmosphäre

Scheinbar widersprüchlich: Die Gefahr mehrjähriger Dürren und sogenannter Blitzdürren steigt voraussichtlich. Hier unter anderem setzt die Nationale Wasserstrategie an, die die Bundesregierung im Frühjahr vorgelegt hat, und hier setzen verschiedene Landesprogramme an. Und natürlich auch Bewässerungsverbote von beispielsweise 11 bis 19 Uhr. Sinnvoll, meint Marx, wenngleich er gerade im Raum Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen der privaten Wassernutzung keine "wahnsinnig große Rolle" beim Verbrauch zuschreibt. Bei strahlendem Sonnenschein und 25 Grad "gießen Sie nicht Ihren Rasen oder Ihren Garten, sondern damit machen Sie die Atmosphäre feucht."  Denn, der größte Teil des Wassers verdunste. Pure Wasserverschwendung also.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 20. Juni 2023 | 14:57 Uhr

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