Paul aus "Die Legende von Paul und Paula" Winfried Glatzeder, der "Belmondo der DDR" wird 80 Jahre alt
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26. April 2025, 03:00 Uhr
Seine Filme, die er in der DDR für die Defa drehte, sind für die Ewigkeit: Winfried Glatzeder war "Der Mann, der nach der Oma kam", "Till Eulenspiegel" – und vor allem Paul im Film "Die Legende von Paul und Paula". Das Pop-Märchen erzählt, wie Liebe die starren Regeln einer Gesellschaft sprengt und ist bis heute Kult. Am 26. April wird der Schauspieler Winfried Glatzeder 80 Jahre alt.
- Winfried Glatzeder wurde 1945 geboren und studierte Schauspiel in Potsdam-Babelsberg.
- Berühmt wurde Glatzeder insbesondere für die Rolle des Paul im DDR-Kultufilm "Die Legende von Paul und Paula".
- Jüngst machte Glatzeder mit Rollen in der Fernsehserie "Dark" und der Kinofilmreihe "Kundschafter des Friedens" auf sich aufmerksam.
Am 26. April wird Winfried Glatzeder 80 Jahre alt. Als "widerlich" bezeichnete der Schauspieler erst kürzlich seinen Geburtstag in der MDR-Sendung Riverboat. Allerdings wolle er 104 Jahre alt werden. Grund dafür sei eine Rentenversicherung, die sich erst dann lohne, erklärte Glatzeder weiter. Das sei doch die beste Motivation.
Ein ähnlich profaner Grund brachte Glatzeder zum Schauspiel: Eine Schauspielerin und Freundin seiner Oma erzählte ihm, sie müsse nur einmal ins Mikrofon rülpsen, schon hätte sie 100 Mark verdient. Das überzeugte den damals Zwölfjährigen.
Ich will 104 werden. Weil ich eine Rentenversicherung abgeschlossen habe, und die habe ich erst mit 104 wieder raus. Das ist doch die beste Motivation.
Kindheit in Ost-Berlin
Geboren 1945 bei Danzig, kommt Glatzeder kurze Zeit später nach Berlin. Sein Vater ist kurz zuvor in Kriegsgefangenschaft gestorben, seine Mutter erkrankt jahrelang an Tuberkulose und verbringt Glatzeders erste Lebensjahre in Sanatorien.
In der jungen DDR wird Glatzeders Großvater für kurze Zeit Bezirksbürgermeister von Lichtenberg und die Familie genießt die damit einhergehenden Privilegien, wie eine Villa als Wohnort. Doch 1953 weigert sich der Großvater, in die SED einzutreten und verliert nicht nur sein Amt, sondern auch die Wohnung. Von da an lebt Glatzeder mit seiner Familie in einer Anderthalb-Zimmer-Wohnung, bis zu seinem Auszug als Schauspiel-Student.
Durchbruch bei der Defa
Er studiert in Potsdam-Babelsberg, will Bühnenschauspieler werden und verdient sich als Kleindarsteller bei Defa-Produktionen etwas dazu. Kurz nach seinem Abschluss arbeitet er nicht nur an der Berliner Volksbühne, sondern auch bei der Defa.
Die Widersprüche einer Figur zu finden und handwerklich gekonnt darzustellen: Das ist der Spaß eines Schauspielers.
Seinen filmischen Durchbruch schafft er 1971 in Siegfried Kühns "Zeit der Störche". Einflussreiche Filmkritikerinnen wie Renate Holland-Moritz oder Rosemarie Rehhahn sind nach der Premiere hingerissen von Glatzeder, dem sie ein Aussehen wie den französischen Stars der Nouvelle Vague zuschreiben.
Den Spitzdamen "Belmondo des Ostens" nach der französischen Schauspielikone Jean-Paul Belmondo verdankte Glatzeder seiner markanten Nase und seinem großen, schlaksigen Körper. Größere Bekanntheit erlangt er mit der Komödie "Der Mann, der nach der Oma kam". Mit über drei Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern, wird der Film von 1972 zu einer der erfolgreichsten Defa-Komödien.
"Paul und Paula" als Rolle seines Lebens
Ein Jahr später, 1973, spielt Glatzeder an der Seite von Angelica Domröse in "Die Legende von Paul und Paula". Das unkonventionell erzählte Liebesdrama wird zum bekanntesten Film der DDR. In Hippie-Ästhetik erzählt der Film, wie Sinnlichkeit und Liebe die Regeln einer starren Gesellschaft sprengen. Für manche überraschend, passiert der Film die DDR-Zensur.
"Mir hat das Spaß gemacht, den Sozialismus auf diese Weise in Frage zu stellen und so eine Figur auf den Boden der Tatsachen zu bringen", erzählte Glatzeder in einem Interview mit MDR KULTUR über seine Rolle als "Paul". Die Widersprüche einer Figur zu finden und handwerklich gekonnt darzustellen, sei der Spaß eines Schauspielers, so Glatzeder.
1975 landet Glatzeder in der Hauptrolle von Rainer Simons Film "Till Eulenspiegel" den nächsten großen Erfolg. Aus dem alten Stoff haben Gerhard und Christa Wolf das Drehbuch für eine Satire auf die DDR-Gegenwart geschrieben.
Erfolg in der DDR mit hohem Preis
Mit der Garantie jedes Jahr einen Film zu drehen, bekommt Glatzeder 1978 bei der Defa einen Exklusiv-Vertrag. Doch am Erfolg hängen Bedingungen, wie Gewerkschafts- und Parteiversammlungen zu besuchen.
Als er nur noch für die Defa und nicht mehr für die Volksbühne arbeitet, sieht Glatzeder immer mehr, wie Regisseure oft Jahre lang ideologisch um Projekte kämpfen müssen. Nach mehreren Ausreiseanträgen verlässt Winfried Glatzeder 1982 die DDR.
An die riesigen Erfolge aus dem Osten konnte er in der BRD nicht anknüpfen, aber Glatzeder war in zahlreichen erfolgreichen Serien zu sehen. So spielte er in zwölf Folgen ab 1996 im Berliner "Tatort" den Kommissar Ernst Roiter.
2014 sorgte Glatzeder für Aufsehen, als er im RTL-Dschungelcamp auftrat – sich damit aber wieder ins Bewusstsein der Produktionsfirmen brachte.
Späte Erfolge von "Dark" bis "Kundschafter des Friedens"
Obwohl sich Glatzeder seit seinem 69. Geburtstag vor elf Jahren "alt" fühlt, scheint seine Energie ungebrochen. In der Netflix-Serie "Dark" übernahm er die Rolle des alten Ulrich Nielsen. 2024 war er in der Hauptrolle der ARD-Mystery-Serie "Oderbruch" zu sehen.
In der Agentenkomödie "Kundschafter des Friedens" spielte er einen ehemaligen DDR-Spion, die Fortsetzung des Kinofilms hatte erst Anfang des Jahres Premiere.
Ich freue mich immer, wenn Kollegen von mir schon vor mir gestorben sind. Weil ich dann die Rollen noch bekomme, die wenigen, die für Alte noch übrig geblieben sind. Eines Tages bin ich dabei, aber gut, solange habe ich noch Genuss am Leben.
Glatzeder erzählte bei Riverboat, auf ein Kreuzfahrtschiff eingeladen zu werden, "wo die dickbäuchigen Leute wie ich, sich an den Geländern in den Gängen lang hangeln, das wäre der größte Horror".
Zynisch erklärte Glatzeder weiter, er freue sich immer, wenn Kollegen schon vor ihm sterben würden: "Weil ich dann die Rollen noch bekomme, die wenigen, die für Alte noch übrig geblieben sind" und stellt bissig fest: "Eines Tages bin ich dabei, aber gut, solange habe ich noch Genuss am Leben."
Quellen: MDR, AFP
Redaktionelle Bearbeitung: hro
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 26. April 2025 | 06:40 Uhr