Klimawandel 2,2 Grad wärmer: Europa erwärmt sich doppelt so schnell wie andere Kontinente
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20. April 2023, 12:09 Uhr
Laut Daten der Copernicus-Umweltsatelliten hat sich Europa in den vergangenen fünf Jahren doppelt so schnell aufgeheizt wie die anderen Kontinente. Hitze und Trockenheit zeigen erste Rückkopplungen.
- Europas Durchschnittstemperatur lag 2022 rund 2,2 Grad Celsius über dem Niveau vor der Industrialisierung, es war das zweitwärmste Jahr der Aufzeichnungen.
- Nur in der Arktis war die Erwärmung mit durchschnittlich 3 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit noch stärker.
- In Südeuropa waren die Menschen an bis zu 90 Tagen sehr starkem Hitzestress mit gefühlten Temperaturen zwischen 38 und 46 Grad Celsius ausgesetzt.
- Die anhaltende Wasserknappheit in Südeuropa und Frankreich wird wahrscheinlich zu geringeren Ernten im laufenden Jahr führen.
Wie dramatisch sich der Klimawandel inzwischen zeigt, haben eine ganze Reihe wissenschaftlicher Reports beschrieben, die in den vergangenen Wochen veröffentlicht wurden. Dem schließt sich nun auch der sechste Bericht des Copernicus Climate Change Service (C3S) an. Der Dienst wertet die Daten der europäischen Copernicus-Umweltsatelliten aus und die zeigen: Europa hat sich in den fünf Jahren doppelt so schnell erwärmt wie alle anderen Kontinente. Nur über dem Nordpol war die Erwärmung noch stärker.
Bei einer Pressekonferenz anlässlich des neuen Berichts zeichneten die Forschenden ein düsteres Bild. Demnach konnten von vielen Klimawissenschaftlern befürchtete Rückkopplungseffekte beobachtet werden, durch die sich die Erwärmung selbst verstärkte. Demnach führten starke Hitzewellen zu einer Austrocknung der Böden, was die Wolkenbildung reduzierte, wodurch es noch wärmer wurde, was die Austrocknung weiter verstärkte.
Zwei Drittel aller europäischen Flüsse hatten weniger Wasser als sonst
Insgesamt lag die Durchschnittstemperatur in Europa im vergangenen Jahr 2,2 Grad Celsius über dem Niveau vor der Industrialisierung. Laut den beteiligten Forschenden war es das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnung und der heißeste Sommer bisher. Rund ein Drittel des Kontinents sei von Dürren betroffen gewesen. Etwa 63 Prozent der Flüsse führten weniger Wasser mit sich als sonst üblich.
Durch die Hitze kam es zu starken Waldbränden, deren gesamte Fläche die zweitgrößte jemals festgestellte Ausdehnung erreichte. Die Menge des durch die Brände freigesetzten CO2 war die zweitgrößte seit 15 Jahren, in einigen Ländern sogar seit 20 Jahren. Zudem zeigten die Satellitendaten den stärksten Verlust von Gletschereis in den Alpen seit Beginn der Beobachtungen. Insgesamt seien fünf Kubikkilometer Eis verlorengegangen.
Konzentration von Treibhausgasen steigt weiter
Auch hier drohen gefährliche Feedbackschleifen: Weniger Wald und mehr Brände bedeuten mehr CO2 und damit eine stärkere Erwärmung. Weniger Eis bedeutet eine geringere Reflexion von Sonnenenergie zurück ins All und damit ebenfalls mehr Wärme. Zudem waren auch die Temperaturen im Mittelmeer, dem Atlantik und dem Arktischen Ozean höher als je zuvor, was ebenfalls stark auf das Wetter über Europa einwirkte.
Die Satelliten maßen außerdem eine weitere Erhöhung der Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre. Der Anstieg von CO2 und Methan ging trotz einer Reduktion der Emissionen in Europa und den USA weiter, wahrscheinlich vor allem getrieben vom starken Wachstum in China und Indien.
Rekordeisverlust in der Arktis und in Grönland
Noch stärkere Effekte beobachteten die Satelliten nur in der Arktis, also dem nördlichen Polargebiet. Dort und in Grönland lagen die Temperaturen im Schnitt sogar drei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau. Insgesamt gingen elf Kubikkilometer Eismasse verloren, auch, weil eine Hitzewelle im September warmen Regen nach Grönland brachte, wo die Temperaturen teilweise acht Grad Celsius über dem Durchschnitt lagen. Der Regen verstärkte die Eisschmelze zusätzlich.
"Wir können die Auswirkungen dieses Klimawandels inzwischen alle in unserem Alltag sehen", sagte Mauro Facchini, Leiter des Erdbeobachtungsprogramms bei der EU-Kommission. Überall auf dem Kontinent werde nun intensiv daran gearbeitet, Wasser künftig besser zu halten und zu speichern.
Starker Hitzestress für Menschen in der Mittelmeerregion
Auch für die Gesundheit der Menschen veränderten sich die Bedingungen dramatisch, vergleiche man das Klima während des Lebens der heutigen Generation von Großeltern mit dem, das zukünftige Großenkel leben werden, sagte Carlo Buontempo, Direktor von C3S. "Das Klima, das jetzt kommt, wird für uns alle ganz anders sein, als das Klima, das wir gewohnt sind."
So zählten die Forschenden 2022 mehr Tage mit sehr starkem Hitzestress in Europa als je zuvor. Sehr starker Hitzestress bedeutet eine gefühlte Temperatur zwischen 38 und 46 Grad Celsius. In Italien, Spanien und auf dem Balkan wurden teilweise bis zu 90 solcher Tage gezählt, in Deutschland waren es je nach Region zwischen 20 und 30 Tage.
Gute Bedingungen für Solarenergie – Ernteausfälle durch Dürre in Frankreich wahrscheinlich
Einziger Lichtblick so gesehen ist, dass das veränderte Klima die Bedingungen für die Erzeugung von Wind- und Sonnenstrom verbessert. Durch die höchste Zahl an Sonnenstunden in Europa seien die Bedingungen für Photovoltaik besser denn je gewesen, so der C3S-Bericht. Da starke Hitze die Effektivität der Zellen allerdings einschränkt, verläuft die Entwicklung nicht linear. Wenig Wind in Südeuropa schränkte zudem die Windstromerzeugung etwas ein.
Für den jetzt kommenden Sommer 2023 rechnen die Forschenden erneut mit einer starken Wasserknappheit in Südeuropa und Frankreich. Durch den extrem trockenen Winter sind die Wasserreserven südlich der Alpen und entlang des Mittelmeers sehr knapp. Ernteausfälle seien daher sehr wahrscheinlich, wenn jetzt in den kommenden Monaten nicht überdurchschnittlich viel Regen in den betroffenen Regionen falle, sagte Samantha Burgess, Vizedirektorin von C3S.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 20. April 2023 | 08:30 Uhr
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