Krieg in der Wüste El Alamein 1942 – Das Ende von Rommels Siegeslauf in Nordafrika
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01. Juli 2022, 11:00 Uhr
Anfang 1942 geht Erwin Rommel mit seiner Panzerarmee Afrika noch einmal in die Offensive. Der "Wüstenfuchs" vertreibt in schnellen und trickreichen Feldzügen die Briten aus Libyen, erobert die Festung Tobruk und stößt 400 Kilometer nach Ägypten vor. Sogar ein Vorstoß zum Nil und an den Suez-Kanal wird erwartet. Doch bei El Alamein, 100 Kilometer vor Alexandria, endet am 1. Juli 1942 Rommels Siegeslauf. Es ist der Wendepunkt des Krieges in Nordafrika.
Am 20. Januar 1942 erreichen den in Kairo sitzenden Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte im Nahen Osten, General Sir Claude Auchinleck, Meldungen von Explosionen und Bränden westlich von Mersa el Brega. Agenten der Briten berichten, dass die dort liegenden deutsch-italienischen Truppen des Generals Erwin Rommel Vorratslager und Schiffe in die Luft sprengen, um ihren Rückzug nach Westen vorzubereiten.
Auchinleck wittert Chance auf Sieg
Für Auchinleck, dessen 8. britische Armee seit November 1941 Rommels Panzergruppe Afrika aus Ägypten und durch die ostlibysche Cyrenaika gejagt hat, ist das eine gute Nachricht. Sobald er seine derzeit noch über hunderte von Kilometern verteilten Truppen gesammelt und genügend Nachschub herangeschafft hat, will er Rommels Truppen angreifen und endgültig vernichten.
Doch es sind nicht Auchinlecks Verbände, die kurz darauf zum Angriff antreten, sondern die von Rommel. Dessen Nachrichtendienst meldet für den 20. Januar, dass die britische Front nur schwach besetzt ist, die deutsch-italienischen Truppen bis zum 25. Januar in der westlichen Cyrenaika überlegen sind und das "Übergewicht der britischen Seite" erst danach wieder zunehmen wird.
Angriff unter äußerster Geheimhaltung
Das sind günstige Umstände, die sich Rommel nicht entgehen lassen will. Um die "absolute Überraschung" zu wahren unterrichtet er weder seine deutschen noch seine italienischen Vorgesetzten über seine Angriffspläne. Lediglich den Stabschef der italienischen Truppen in Nordafrika, General Gastone Gambara, weiht er ein. Um die Briten in Sicherheit zu wiegen täuscht er den Abzug aus der Mersa el Brega-Stellung vor, was er durch die Sprengung von leeren Häusern und Schiffswracks simulieren lässt.
Der Coup gelingt. Als Rommels Verbände am Morgen des 21. Januar 1942 die Front östlich von Mersa el Brega (Karte) durchbrechen, sind die Briten völlig überrascht. Regelrecht angefressen reagieren allerdings Rommels italienische Vorgesetzte. Generalstabschef Ugo Cavallero fliegt persönlich nach Nordafrika, um Rommels Offensive zu stoppen. Doch den kümmert das nicht. Der Erfolg gibt ihm recht und lässt seine Kritiker schon bald verstummen.
Cyrenaika in zwei Wochen zurückerobert
Innerhalb von zwei Wochen erobert Rommels Panzerarmee Afrika die gesamte Cyrenaika zurück. Dabei fallen den deutsch-italienischen Truppen in Msus und der Hafenstadt Bengasi gewaltige Munitions-, Treibstoff- und Lebensmittellager in die Hände. Auch Hunderte von Panzern, Artilleriegeschützen und Kraftfahrzeugen werden erbeutet. Allerdings schaffen es Rommels Verbände nicht, größere britische Truppenkontingente gefangen zu nehmen. Immer wieder gelingt es den Briten, sich den Einkesselungen zu entziehen.
Am 6. Februar kommt Rommels rasanter Vormarsch schließlich vor dem Küstenort Ain el Gazala zum Stehen. Die Briten haben hier ein 70 Kilometer breites Verteidigungssystem aus Minengürteln und Stützpunkten angelegt, die sogenannten "Boxes". Beide Seiten sind erschöpft. Allein die Wehrmacht hat in den Kämpfen seit November 1941 rund 14.000 ihrer ursprünglich 65.000 Afrika-Soldaten durch Tod oder Gefangenschaft verloren. Bei den Italienern sind es 22.000 von 54.000. Die britischen Gesamtverluste belaufen sich auf rund 20.000 Mann.
Malta und die Nachschubfrage
Für die Auffrischung seiner Verbände profitiert Rommel von den erbeuteten Lagerbeständen der Briten. Aber auch der Nachschub über das Mittelmeer läuft gerade störungsfrei. Dafür sorgt die deutsche Luftflotte 2 auf Sizilien. Ihre starken Bomber- und Jagdfliegerverbände halten die britischen Luft- und Marinekräfte auf Malta klein. Diese hatten zuvor immer wieder den deutsch-italienischen Nachschub für Libyen gestört. Von Januar bis Juni 1942 sind die Transportverluste der Achse-Staaten im Mittelmehr faktisch auf Null gesunken.
Als im April die Luftoffensive gegen Malta ihren Höhepunkt erreicht, wollen die Italiener den "unsinkbaren Flugzeugträger" der Briten im Mittelmeer mit einer Luftlandeoperation endgültig ausschalten. Doch Rommel sieht in der zunehmend stärker werdenden 8. britischen Armee in Nordafrika das größere Problem. Er schlägt vor, zuerst die strategisch wichtige Festung Tobruk im Osten Libyens einzunehmen und erst danach Malta zu erobern. Der Wehrmachtführungsstab um Adolf Hitler folgt dem Argument und ordnet eine neue Bodenoffensive ("Unternehmen Theseus") der Panzerarmee Afrika an.
Täuschungsmanöver mit Propellern
Am frühen Nachmittag des 26. Mai beginnt entlang der britischen Gazala-Stellung die deutsche Artillerie zu feuern. Sturzkampfbomber stürzen sich auf die Minenfelder, Geschützstände und MG-Nester der "Boxes". Riesige Staubwolken vor dem Nordabschnitt der Verteidigungslinie deuten darauf hin, dass hier der Hauptstoß der deutsch-italienischen Truppen erfolgt. Doch die gigantischen Staubmengen werden von Flugzeugmotoren mit Propellern aufgewirbelt, die auf Lastwagen montiert sind.
Es ist eine weitere Finte Rommels. Denn in Wahrheit starten im Norden der Gazala-Stellung nur eine deutsche Schützenbrigade und vier italienische Infanteriedivisionen zu einem Scheinangriff. Sie sollen, so der Plan, nach Erreichen ihrer Tagesziele zur Abwehr übergehen und "durch ständige Bewegungen von Beutepanzern und schweren Kraftfahrzeugen in Frontnähe" in den Abend- und Nachtstunden die Vorbereitung eines größeren Panzerangriffs vortäuschen.
Umgehungsstoß um Bir Hakeim
Es ist ein "Panzerangriff", der an diesem Abschnitt der Front allerdings nie erfolgt. Stattdessen lässt Rommel am Abend des 26. Mai viel weiter südlich drei Panzerdivisionen und eine motorisierte Division zum Angriff antreten. Die 50 Kilometer breite Streitmacht mit 10.000 Fahrzeugen soll nach Südosten durch die Wüste stoßen, die südlichste Gazala-"Box" Bir Hakeim umgehen und die gesamte Front von hinten aufrollen. Obwohl das Unternehmen - nicht zuletzt wegen des hartnäckigen Widerstands der freifranzösischen Besatzung von Bir Hakeim - zwischenzeitlich fast scheitert, bleiben Rommels Truppen auch dank massiver Luftunterstützung erfolgreich. Die Briten sind gezwungen, die Gazala-Stellung aufzugeben.
Marschallstab für Einnahme von Tobruk
Damit ist der Weg nach Tobruk frei. Am 21. Juni wird die Festung von Osten her im Handstreich genommen. Es ist Rommels größter Triumph. Hitler - völlig euphorisch - ernennt den 50-Jährigen tags darauf zum jüngsten Generalfeldmarschall der Wehrmacht. Für den NS-Diktator nach den Rückschlägen der Winterkämpfe an der Ostfront ein willkommener Propagandaerfolg, den er weidlich ausschlachten lässt.
Aber auch militärisch ist die Eroberung der Festung Tobruk, die ein Jahr zuvor noch gescheitert war, ein Riesenerfolg für die Achse-Verbündeten Deutschland und Italien. 33.000 britische Soldaten werden gefangen genommen, darunter fünf Generale und Brigadegenerale. Zudem fallen der deutsch-italienischen Panzerarmee erneut gewaltige Mengen an Waffen, Munition, Sprit, Verpflegung und Bekleidung in die Hände.
Schwerer Schlag für Churchill
Für Großbritannien ist der Verlust von Tobruk eine Katastrophe. Premierminister Winston Churchill erfährt während einer Konferenz mit US-Präsident Franklin D. Roosevelt in Washington per Telegramm vom Fall der Festung. In seinen Memoiren schreibt er später: "Das war einer der schwersten Schläge, die mir aus dem ganzen Kriegsverlauf in Erinnerung geblieben sind." Er habe gar nicht erst versucht, sein Entsetzen vor Roosevelt zu verbergen. Auf dessen Frage, wie die USA Großbritannien helfen könnten, bat Churchill um so viele Sherman-Panzer wie möglich. Kurz darauf schicken die Amerikaner 300 Shermans und 100 Selbstfahrlafetten in den Nahen Osten.
Karte zu Rommels Feldzügen in Nordafrika 1942
Rommel will zum Suez-Kanal
Rommel will die vorübergehende Schwäche der Briten ausnutzen und sofort weiter nach Ägypten vorstoßen, um "den Gegner vollends zu vernichten". Zum Nil und zum Suez-Kanal soll es gehen. Die Einnahme Maltas will er dafür nicht abwarten. Dabei genießt er die volle Rückendeckung seines obersten Kriegsherrn Hitler. Der erklärt in einem Gespräch mit Italiens Diktator Benito Mussolini, man müsse die britische 8. Armee nun unermüdlich weiterverfolgen, denn "die Göttin des Schlachtenglücks streicht an den Feldherrn nur einmal vorbei".
"Große Ölzange" und "Mare Nostrum"
Hitler, dessen unmittelbar bevorstehende Sommeroffensive in der Sowjetunion auch die Ölfelder des "kaukasischen Raumes" zum Ziel hat, träumt von der "großen Ölzange". Gemeint ist eine - allerdings völlig illusorische - gewaltige Offensivoperation paralleler Vorstöße aus dem Kaukasus bzw. über Ägypten und Palästina in den Irak. Mit ihr meint der "Führer", die Briten aus den Ölgebieten des Nahen Ostens vertreiben zu können.
Auch Mussolini schließt sich den Phantastereien an. Der "Duce", der mit seinem Überfall auf Ägypten im September 1939 den Krieg in Nordafrika begonnen hatte, um das Römische Imperium samt "Mare Nostrum" wieder auferstehen zu lassen, sieht sich nach einem Sieg Rommels bereits - römischen Caesaren gleich - auf einem weißen Ross in Kairo einreiten.
400 Kilometer in einer Woche
Tatsächlich gelingt es Rommels Panzerarmee, in nur einer Woche fast 400 Kilometer nach Ägypten vorzustoßen. Der Vormarsch gleicht einem Wettrennen zum Nil. Immer wieder werden zurückflutende britischen Truppen von deutsch-italienischen Vorausabteilungen überholt. Beim Sturm der Festung Marsa Matruh werden am 29. Juni noch einmal 8.000 Gefangene gemacht. Erneut werden große Versorgungslager mit Kriegsmaterial erbeutet. Im britischen Hauptquartier in Kairo werden die ersten Akten verbrannt. Die Frage scheint nicht zu sein, ob Rommels Panzerarmee in Kairo und Alexandria einzieht, sondern wann.
Letzter Sperrriegel vor Alexandria
Doch eine allerletzte Karte hat der alliierte Oberbefehlshaber Auchinleck noch im Ärmel. Rund 100 Kilometer südwestlich von Alexandria macht er ein Gebiet aus, das sich für die Errichtung eines neuen Sperrriegels geradezu anbietet. Auf 50 Kilometern Länge lässt er dort Minengürtel und Stellungen nach dem "Boxen"-System anlegen. Südlich umfahren werden kann die neue Verteidigungsstellung nicht. Das verhindert die Kattara-Senke, ein Wüstengebiet mit Salzseen, sehr hohen Klippen und pulverartigem Sand. Das Gelände gilt für Panzer und andere Fahrzeuge als unüberwindlich.
Angriff vor El Alamein gestoppt
Den nördlichen Eckpfeiler dieser allerletzten britischen Verteidigungslinie vor Alexandria und Kairo bildet die kleine Bahnstation El Alamein am Mittelmeer. Hier wird der Angriff von Rommels Panzerarmee am 1. Juli 1942 gestoppt. Versuche, die britischen Stellungen von Süden her aufzureißen, scheitern innerhalb der nächsten zwei Tage. Rommel hat nur noch 70 Panzer. Zudem haben seine deutschen Divisionen seit Gazala Gesamtverluste von 12.500 Mann an Toten, Verwundeten und Gefangenen zu beklagen. Die Gesamtverluste der italienischen Verbände liegen sogar bei 16.000. Zwar sind die britischen Gesamtverluste mit 60.000 Mann – davon allein 35.000 bei Tobruk – weitaus höher. Doch können die Briten die Ausfälle mithilfe ihrer Empire-Verbündeten viel schneller kompensieren.
Am 4. Juli muss die Panzerarmee Afrika vor El Alamein zur Verteidigung übergehen. Immerhin gelingt es Rommels Soldaten in der Ersten Schlacht von El Alamein bis Ende Juli sämtliche Gegenangriffe der Briten erfolgreich abzuwehren. Ein letzter deutsch-italienischer Versuch, den Vorstoß zum Suez-Kanal zu erzwingen und die Briten zu schlagen, bevor sie ihre personelle und materielle Überlegenheit endgültig ausspielen können, scheitert vom 30. August bis 6. September in der Zweiten Schlacht von El Alamein (Schlacht von Alam Halfa).
Nachschub entscheidet den Krieg
Danach neigt sich das Kräfteverhältnis endgültig zugunsten Großbritanniens und seiner Verbündeten. Jetzt rächt sich für die Achse-Staaten auch, dass auf die Einnahme Maltas verzichtet wurde. Seit die starken deutschen Luftwaffenverbände von Sizilien zur Unterstützung von Hitlers Sommeroffensive 1942 in die Sowjetunion verlegt wurden, stören die Briten von dort aus wieder massiv den Nachschub für Rommels Afrika-Armee. Die britische Versorgung rollt hingegen mittlerweile besser und umfangreicher denn je zuvor, wofür nicht zuletzt auch die massiven Waffen-Lieferungen aus den USA sorgen.
Drückende Überlegenheit der Alliierten
Als am 23. Oktober die Empire-Truppen in Ägypten mit fast 200.000 Soldaten, über 1.000 Panzern und mehr als 900 Geschützen die allenfalls noch halb so starken deutsch-italienischen Verbände in der Dritten Schlacht von El Alamein angreifen, haben letztere keine Chance mehr. Vor allem die Lufthoheit der Briten ist mittlerweile erdrückend. Während der deutsche Fliegerführer Afrika Mitte Oktober gerade noch über 167 einsatzbereite Flugzeuge verfügt, sind es bei der Royal Air Force mehr als drei Mal so viele.
Keine Vernichtung aber Wendepunkt
Der neue Oberbefehlshaber der 8. britischen Armee, Lieutenant General Bernard Montgomery, will mit seiner Großoffensive die deutsch-italienischen Kräfte in Nordafrika komplett vernichten. Rommel gelingt es immerhin, die totale Niederlage vorerst zu verhindern. Der Feldmarschall ignoriert Hitlers Haltebefehl und führt die motorisierten Verbände seiner Panzerarmee in hinhaltenden Gefechten nach Tripolitanien und später Tunesien zurück.
El Alamein markiert damit zwar noch nicht den Endpunkt des Krieges in Nordafrika, jedoch seinen unbestreitbaren Wendepunkt. Zwar sollte der Mythos vom trickreichen "Wüstenfuchs" Rommel erst in den kommenden Monaten seine volle Popularität entfalten. Doch an der unabwendbaren Niederlage der Achsenmächte im Krieg in der Wüste ändert all das nichts mehr.
Literaturhinweise
- Lieb, Peter: Krieg in Nordafrika 1940-1943. Hrsg. vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Ditzingen 2018.
- Stegemann, Bernd: Die italienisch-deutsche Kriegführung im Mittelmeer und in Afrika. In: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 3. Hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Stuttgart 1984, S. 591-682.
- Stumpf, Reinhard: Der Krieg im Mittelmeerraum 1942/43: Die Operationen in Nordafrika und im mittleren Mittelmeer. In: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 6, Der Globale Krieg - Die Ausweitung zum Weltkrieg und der Wechsel der Initiative 1941 bis 1943. Hrsg. Vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Stuttgart 1990.