Zweiter Weltkrieg Schlacht im Atlantik – Der deutsche U-Boot-Krieg 1940 bis 1945
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20. März 2024, 05:00 Uhr
Mit Unterseebooten will der deutsche U-Boot-Befehlshaber Karl Dönitz im Zweiten Weltkrieg den Nachschub für Großbritannien unterbinden. 1942 und im März 1943 nehmen die Erfolge seiner U-Boot-Rudel im Nordatlantik derartige Ausmaße an, dass die Briten eine Niederlage in der Atlantikschlacht fürchten. Doch dann wendet sich das Blatt und die Jäger werden selbst zu Gejagten.
Es ist die größte und für die deutsche U-Boot-Waffe erfolgreichste Geleitzugschlacht des Zweiten Weltkriegs. Vom 17. bis 20. März 1943 greifen drei deutsche U-Boot-Rudel mit mehr als 40 Booten im Nordatlantik südlich Grönland die Geleitzüge SC 122 und HX 229 an. Sie versenken 22 alliierte Schiffe mit 146.596 Bruttoregistertonnen. Nur eines der deutschen Boote geht verloren. Der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine (seit 30. Januar 1943) und Befehlshaber der U-Boote (BdU), Großadmiral Karl Dönitz, spricht in seinem Kriegstagebuch vom "bisher größten Erfolg in einer Geleitzugschlacht". Insgesamt versenken deutsche Unterseeboote vom 1. bis 20. März mindestens 85 Handelsschiffe der Alliierten. Im ganzen Atlantik werden im selben Zeitraum fast 505.000 Tonnen alliierten Schiffsraums vernichtet.
Churchill fürchtet U-Boot-Gefahr
Angesichts derartiger Verluste geht im vom Nachschub aus Übersee abhängigen Großbritannien die Angst um. Die britische Admiralität schließt eine Niederlage in der Atlantikschlacht mit der deutschen Kriegsmarine nicht aus. Der Erste Seelord der Admiralität, Admiral Dudley Pound, sieht sogar die Vorbereitungen für die 1944 geplante Landung alliierter Truppen in Westeuropa in Gefahr. Großbritanniens Premierminister Winston Churchill wird später in seinen Erinnerungen schreiben: "Die einzige Sache, die mir wirklich während des Krieges Furcht einflößte, war die U-Boot-Gefahr."
Rudeltaktik gegen Geleitzüge
Dönitz ist der Schöpfer dieser Gefahr. Der in Jena aufgewachsene Marineoffizier ist die treibende Kraft beim Aufbau der deutschen U-Boot-Waffe seit 1935/36. Aus den Erfahrungen mit alliierten Geleitzügen im Ersten Weltkrieg, gegen die einzelne deutsche U-Boote chancenlos waren, entwickelt er die sogenannte Rudeltaktik. Dönitz lässt quer zu den erwarteten Konvoi-Routen im Atlantik Aufklärungslinien aus mehreren U-Booten bilden. Sichtet ein Boot einen Geleitzug, greift es diesen nicht an, sondern folgt ihm und meldet dessen Position per Funk an die BdU-Befehlsstelle bei Paris. Diese führt ein Rudel aus mehreren U-Booten an den Konvoi, die diesen dann in einer Geleitzugschlacht bekämpfen.
Tonnagekrieg gegen Britanniens Wehrkraft
Das strategische Ziel von Dönitz ist es, mehr Handelsschifftonage zu versenken als die Alliierten bauen können. So soll die Wirtschafts- und Verteidigungsfähigkeit Großbritanniens zerstört werden. Nach dem Sieg über Frankreich 1940 verfügt die Kriegsmarine mit den Atlantikhäfen Brest, Lorient, St. Nazaire und La Rochelle auch über geeignete Basen für den Tonnagekrieg im Nordatlantik.
Allerdings besitzt die deutsche U-Boot-Waffe zunächst nur relativ wenige Frontboote. Bei Kriegsbeginn 1939 sind von 57 U-Booten nur 22 für Fernfahrten einsatzbereit. Der damalige Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Großadmiral Erich Raeder, setzt im atlantischen Zufuhrkrieg zunächst vor allem auf die prestigeträchtigen, aber auch sehr teuren Schlachtschiffe wie die "Bismarck". Für die von Dönitz geforderte größere Zahl von U-Booten fehlen deshalb zunächst die Mittel.
Prien und der erste Rudelangriff
So stehen für den ersten Angriff eines U-Boot-Rudels im September 1940 nur vier Frontboote zur Verfügung. Unter ihnen ist auch U 47 von Günther Prien. Der in Osterfeld bei Naumburg geborene Kapitänleutnant ist ein Liebling der deutschen Propaganda, seit er im Oktober 1939 im britischen Kriegshafen Scapa Flow das Schlachtschiff Royal Oak versenkt hat.
Prien und den anderen drei U-Boot-Kommandanten gelingt es Anfang September 1940 bei stürmischer See, in den Geleitzug SC 2 einzubrechen und fünf Schiffe mit 21.000 Bruttoregistertonnen zu versenken. Keine zwei Wochen später vernichtet ein anderes deutsches U-Boot-Rudel aus dem Geleitzug HX 72 weitere zwölf Schiffe mit 50.000 Tonnen. Doch es kommt für die Briten noch schlimmer. In der zweiten Oktoberhälfte 1940 schießen zehn deutsche U-Boote innerhalb von drei Tagen 63 Schiffe mit 352.507 Bruttoregistertonnen aus drei Geleitzügen heraus.
"Wolf packs" beherrschen die Schlagzeilen
Die deutschen "wolf packs" – Wolfsrudel – beherrschen fortan die britischen Zeitungsschlagzeilen. Die Royal Navy muss erkennen, dass ihre zum Aufspüren getauchter U-Boote entwickelte Asdic-Schallortung bei den nachts über Wasser angreifenden deutschen U-Booten wirkungslos ist.
Die Briten erhöhen daraufhin die Zahl der Geleitschiffe und rüsten sie mit Radargeräten aus. Zudem werden die Konvoirouten in Landnähe stärker durch Flugzeuge überwacht. Das zahlt sich aus. Im März 1941 verliert die U-Boot-Waffe mit Günther Prien, Joachim Scheppke und Otto Kretschmer (Gefangenschaft) drei ihrer erfolgreichsten Kommandanten. Unter dem Druck der stärker werdenden U-Boot-Abwehr weichen die deutschen Boote nach Westen in die Weiten des Nordatlantiks aus. Zwar verfügt die Kriegsmarine im April bereits über 100 Boote. Jedoch sind nur 28 davon Frontboote, von denen durchschnittlich 20 in See stehen.
Briten knacken Enigma-Maschine
Im Mai 1941 erleidet die deutsche U-Boot-Waffe einen Verlust, der den Kriegsverlauf nachhaltig zu ihren Ungunsten beeinflusst. Ein britisches Kommando erbeutet von einem beschädigten deutschen U-Boot Schlüsselunterlagen für die Chiffriermaschine Enigma. Den Briten gelingt es in der Folge, den deutschen Funkschlüssel zu knacken und den U-Boot-Funkverkehr über lange Phasen mitzuhören. Das versetzt die Royal Navy in die Lage, Geleitzüge an den deutschen U-Booten vorbeizuführen. Ab Juli 1941 nehmen die Versenkungszahlen um gut 60 Prozent ab. Das liegt auch daran, dass die Konvois nun durchgängig von Sicherungsfahrzeugen begleitet werden. Darunter sind auch US-Kriegsschiffe, die – obwohl selbst neutral – deutsche U-Boote angreifen.
"Paukenschlag" vor der US-Ostküste
Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour erklärt das Deutsche Reich am 11. Dezember 1941 den USA den Krieg. Dönitz sieht nun vor der Ostküste Nordamerikas ein lohnendes Operationsgebiet. Im Januar 1942 versenken dort im Zuge der Operation "Paukenschlag" fünf große U-Boote der Klasse IX innerhalb von zwei Wochen 25 Schiffe mit 200.000 Bruttoregistertonnen. Den Deutschen kommt dabei zugute, dass die US-Amerikaner wenig Erfahrung in der U-Boot-Bekämpfung haben. Um ihre Boote nach den langen Anmarschwegen über den Atlantik länger am Feind zu halten, setzt die deutsche U-Boot-Führung Unterseeboot-Tanker – sogenannte Milchkühe - ein, die die Frontboote mit Diesel und Torpedos versorgen. Dadurch sind auch Einzeloperationen bis in die Karibik möglich. Dort versenken fünf U-Boote bis zum 18. März 23 Schiffe mit 111.507 Bruttoregistertonnen.
Letzte große U-Boot-Offensive
Nachdem die US Navy im Mai 1942 auch vor der US-Küste das Konvoisystem mit verbesserter U-Jagd einführt und die Versenkungszahlen sinken, verlagert sich der U-Boot-Krieg wieder in den Nordatlantik. Ende Juli 1942 beginnt hier die letzte große U-Boot-Offensive gegen alliierte Geleitzüge. Die Kriegsmarine verfügt mittlerweile über 330 U-Boote, davon 138 Frontboote.
Am 5. August ortet 400 Seemeilen nordöstlich Neufundland ein U-Boot-Rudel den nach England fahrenden Konvoi SC 94. In tagelanger Geleitzugschlacht werden elf Schiffe mit fast 52.500 Bruttoregistertonnen versenkt. Neun weitere große Nordatlantik-Schlachten folgen bis Ende September. Allein zwischen Juli und September 1942 verlieren die Alliierten im Atlantik 302 Schiffe mit mehr als 1,5 Millionen Bruttoregistertonnen. Die hohen Versenkungszahlen setzen sich bis Jahresende fort. Mit über 6,1 Millionen Tonnen versenkten alliierten Schiffsraums ist das Jahr 1942 das erfolgreichste im deutschen U-Boot-Krieg gegen die Alliierten. Erstmals versenken Dönitz' U-Boote in einem Jahr mehr Tonnage als die Alliierten bauen können.
164 Frontboote allein im Nordatlantik
Ein wichtiger Grund für die hohen Versenkungszahlen ist auch, dass die Briten wegen einer technischen Neuerung an der Enigma-Maschine zwischen Februar und Dezember 1942 den Funkverkehr der deutschen U-Boot-Führung nicht entziffern können. Im Januar 1943 ist das "Blackout" zwar beendet, doch im März fällt die britische Funkentzifferung wegen einer weiteren Enigma-Verbesserung erneut aus. Zudem verfügt Dönitz mittlerweile über 212 Frontboote, davon allein 164 im Nordatlantik. Das ermöglicht es dem BdU, im März 50 Boote in drei dichten Aufklärungslinien im Atlantik zu postieren. In sie laufen nacheinander vier Geleitzüge hinein. Zu ihnen gehören auch die eingangs erwähnten Konvois SC 122 und HX 229, deren enorme Verluste die britische Admiralität sogar an der Tauglichkeit des Geleitsystems zweifeln lassen.
U-Jagd-Gruppen und Luftsicherung
Doch kurz darauf wendet sich das Blatt. Ab dem 20. März können die Briten wieder den deutschen U-Boot-Funkverkehr mithören. Zeitgleich erhöhen die Alliierten die Zahl der Sicherungsfahrzeuge. Zudem bilden sie spezielle U-Jagd-Gruppen mit verbesserten Ortungsmitteln. Auch erhalten ihre Konvois nun eine ununterbrochene Luftsicherung durch Geleit-Flugzeugträger sowie auf Island und Grönland stationierte Kampfflugzeuge. Deren Radargeräte orten aufgetauchte U-Boote bei Nacht und Nebel. Die Deutschen reagieren mit Radar-Warngeräten und Flugabwehrgeschützen. Die Briten antworten mit dem Kurzwellen-Peilgerät "Huff-Duff", das die U-Boote anhand ihrer abgesetzten Funkstrahlen ortet.
Vom Jäger zum Gejagten
U-Boote werden nun endgültig von Jägern zu Gejagten. Allein im Mai 1943 werden 41 deutsche U-Boote versenkt. Im gesamten Kriegsjahr 1943 werden es am Ende 287 sein – doppelt so viele wie in den drei Kriegsjahren davor. Zugleich übersteigt allein die von den USA neu gebaute Schiffstonnage mit 13 Millionen die Versenkungsquote um das Fünffache.
Dönitz muss die Angriffe im Nordatlantik einstellen. Gegenüber seinem Oberbefehlshaber Adolf Hitler räumt der BdU ein, dass der U-Boot-Krieg "an einer technischen Waffenfrage" gescheitert ist. Der Einsatz aufgetauchter deutscher U-Boote gegen Geleitzüge ist fortan nicht mehr möglich. Statt der bisherigen Tauchboote werden echte Unterseeboote benötigt. Zunächst erhalten die alten Typen VII und IX einen einklappbaren Schnorchel. Er ermöglicht eine schnellere Unterwasserfahrt mit Diesel- statt Batterieantrieb. Dennoch ist er nur ein Notbehelf.
Neue U-Boot-Typen und Sender "Goliath"
Erst gegen Kriegsende kommen mit den neuen U-Boot-Typen XXI und XXIII die ersten echten Unterseeboote an die Front. Sie besitzen eine bessere Maschinenanlage einschließlich Teleskop-Schnorchel sowie die doppelte Batteriekapazität. Ihr stromlinienförmiger Körper ermöglicht den neuen U-Booten zudem Unterwassergeschwindigkeiten von bis 17,5 Knoten (32,4 km/h). Damit können sie jedes gegnerische Sicherungsfahrzeug ausmanövrieren. Hinzu kommen verbesserte Torpedos.
Um mit den im Fronteinsatz getauchten U-Booten über weite Entfernungen zuverlässig kommunizieren zu können, geht im Frühjahr 1943 nordöstlich der Altmark-Stadt Calbe (heute Kalbe) an der Milde der neue leistungsstarke Längstwellensender "Goliath" in Betrieb. Die Anlage ermöglicht den Funkverkehr mit getauchten U-Booten über Distanzen von mehr als 10.000 Kilometern. Doch an der Niederlage Deutschlands im U-Boot-Krieg ändern all diese technischen Höchstleistungen nichts mehr.
2.882 Frachter und 781 U-Boote versenkt
Am 7. Mai 1945 torpediert das Typ XXIII-Boot U 2336 noch zwei Frachter. Es sind die letzten der insgesamt 2.882 durch deutsche U-Boote im Zweiten Weltkrieg versenkten Handelsschiffe. Rund 14,6 Millionen Bruttoregistertonnen alliierten Schiffsraums hat die deutsche U-Boot-Waffe im Verlauf des Krieges vernichtet. Den Tonnagekrieg gegen Briten und US-Amerikaner können Dönitz' "Graue Wölfe" dennoch nicht gewinnen. Der Preis, den sie in der Schlacht im Atlantik zahlen, ist extrem hoch. Insgesamt 781 deutsche U-Boote werden bis Kriegsende von alliierten Kriegsschiffen und Flugzeugen versenkt. Von 39.000 deutschen U-Boot-Fahrern kehren 30.000 nicht mehr in die Heimat zurück.
Literaturhinweise
- Blair, Clay: Der U-Boot-Krieg. Die Jäger 1939-1942, München 1998.
- Middlebrook, Martin: Konvoi. U-Boot-Jagd auf die Geleitzüge SC 122 und HX 229, Frankfurt am Main, Berlin 1994.
- Rahn, Werner: Der Seekrieg im Atlantik und Nordmeer. In: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 6. Der Globale Krieg, Hrsg. Vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Stuttgart 1990.
- Ders.: Der U-Boot-Krieg. In: Grundzüge der deutschen Militärgeschichte, Band 1. Historischer Überblick, S. 398-403.
- Rohwer, Jürgen: Geleitzugschlachten im März 1943, Stuttgart 1975.