Corona-Forschung aktuell: 25. November Für eine Infektion braucht es 1.000 Viruspartikel
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27. November 2020, 16:45 Uhr
Wie genau entstehen Infektionsketten, wie verändert sich das Virus und wie wird es übertragen? Dazu gibt es neue Antworten aus Österreich. Außerdem: Corona verursacht ernsthaften Stress und von der Herdenimmunität sind wir noch ein ganzes Stück entfernt.
Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse über Corona
Die Corona-Beschränkungen in Deutschland bleiben in Kraft, in Sachsen und Sachsen-Anhalt wird es längere Weihnachtsferien geben und Schnelltests sollen die Quarantänezeit verkürzen. Gleichzeitig steigen die Chancen, dass es noch in diesem Jahr erste Impfungen gegen das Virus geben könnte. Auch daneben finden Forschende immer mehr über das Coronavirus und seine Ausbreitung heraus. MDR WISSEN verschafft Ihnen hier den Überblick über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Nachweislich Stress durch Covid-19-Pandemie – vor allem für junge Menschen
Das Gefühl, die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen würden zu einem dauerhaften Stresszustand führen, wurde jetzt in einer Studie an der US-amerikanischen Johns Hopkins-Universität auch wissenschaftlich erfasst. Während sich im April 2018 nicht mal vier Prozent der Erwachsenen in den Vereinigten Staaten in einer psychologischen Notlage befanden, waren es im April 2020 13,6 Prozent. Das hohe Niveau hätte sich auch im Juli gehalten.
Besonders betroffen sind junge Erwachsene zwischen 18 und 29 Jahren – hier stellte sich sogar bei einem Viertel heraus, dass sie sich in einer psychologischen Notsituation befinden. Ebenfalls hohe Werte gab es für Menschen mit einem Jahreseinkommen unter 35.000 US-Dollar sowie bei der hispanischen Bevölkerungsgruppe. Größte Sorgen bereitete die Angst vor einer Ansteckung mit Covid-19 und die durch die Pandemie versursachte Arbeitsmarkt- und Finanzsituation. Eine dauerhafte psychologische Not erhöhe das Risiko einer psychischen Störung, so das Forschungsteam.
Sechzig Prozent der Erwachsenen in einer ernsten Notlage gaben an, dass die Einschränkungen von (Aus-)Bildung, Arbeit und Finanzen sich negativ auf ihre Gesundheit ausgewirkt hätten. 35 Prozent gaben als zusätzlichen Stressfaktor an, keine Gesundheitsversorgung erhalten zu können.
Link zur Studie
Die Studie erschien am 23.11.2020 im Jama Network.
DOI: doi:10.1001/jama.2020.21231
Österreich: Virus-Verbreitung und -Mutation kann genau verfolgt werden
Was in Deutschland der Kölner Karneval und der Kreis Heinsberg waren, waren in Österreich Ischgl und Wien. Sogenannte Superspreader-Events und Corona-Hotspots sind seit Beginn der Pandemie ein wichtiges Thema. Um das Virus in Griff zu bekommen, ist es wichtig, zu beobachten, wie es sich so schnell ausbreiten kann und auch wie es sich möglicherweise verändert. Diese Mutation ist bei Viren normal, kann es aber auch wahlweise gefährlicher oder harmloser machen. Die Verbreitung von Viren lässt sich also am besten durch eine Mischung aus Kontaktverfolgung und Mutationsanalyse beobachten.
Durch solch eine Mutationsanalyse auf Basis epidemiologischer Daten ist es nun Forschenden aus Österreich gelungen, einen Corona-Infektionscluster mit 76 Fällen genau zu rekonstruieren (und dabei auch zuvor als getrennt eingestufte Cluster zu verbinden). Dabei konnten auch acht aufeinanderfolgende Übertragungen genau analysiert werden: "Die Transmissionskette startete mit einem Rückkehrer aus Italien. Binnen 24 Tagen verbreitete sich das Virus im Großraum Wien über öffentliche und soziale Veranstaltungen in geschlossenen Räumen“, so die Studienautorin Alexandra Popa und Studienautor Jakob-Wendelin Genger vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin in Wien (CeMM). Solche detailliert rekonstruierten Fälle würden helfen, genau zu beobachten, wie das Virus im Menschen mutiere und dann weitergegeben wurde.
Außerdem konnte das Mutationsverhalten bei 31 Patientinnen und Patienten während eines Krankenhausaufenthalts beobachtet werden. Das hilft, herauszufinden, ob die Behandlung das Mutationsverhalten des Virus beeinflusst. Die Forschenden haben auch herausgefunden, dass für eine Infektion zwischen zwei Personen in der Regel tausend Viruspartikel notwendig sind, auch wenn es Fälle mit weniger Partikeln gibt. Das ist, im Vergleich zu HIV oder Noroviren, eine eher große Menge Virus, die benötigt wird und unterstreiche aktuelle Präventionsmaßnahmen wie Lüften, Mund-Nasen-Schutz und Abstandsregeln.
Link zur Studie
Die Studie erschien am 24.11.2020 in Science Translational Medicine.
DOI: 10.1126/scitranslmed.abe2555
Stoßlüften viel effektiver als Luftfilter
Wenn es darum geht, die Klassenzimmerluft möglichst virenfrei zu halten, ist Stoßlüften die erste Wahl. Diese Empfehlung des Umweltbundesamts bestätigen Forschende an der Technischen Hochschule Mittelhessen. Mit einem Versuchsaufbau haben sie Luftfiltergeräten nicht nur eine geringere Effektivität, sondern auch eine Lärmlast und hohe Anschaffungskosten bescheinigt. Kühle Temperaturen seien für das Lüften zudem unproblematisch.
USA: Noch ein langer Weg zur Herdenimmunität
Forschende aus den USA wollten wissen, welcher Anteil an Menschen in den Vereinigten Staaten nachweislich Antikörper gegen das Coronavirus gebildet hat. Dazu haben sie fast 178.000 Proben aus den verschiedenen Landesteilen innerhalb von vier Entnahmezeiträumen zwischen Juli und September untersucht. Die Ergebnisse variieren zwischen einem und 23 Prozent mit Sars-CoV-2-Antikörpern. Für den Großteil der Gebiete wird der Anteil an Menschen mit Antikörpern auf weniger als zehn Prozent geschätzt. Die Forschenden schließen daraus, dass die meisten US-Amerikanerinnen und -Amerikaner keine Corona-Antikörper in sich tragen. Von Herdenimmunität kann in den schwer von der Pandemie betroffenen Vereinigten Staaten also keine Rede sein, auch wenn die Ergebnisse in den einzelnen Gebieten stark variieren würden. Neben dem Apell, die gültigen Hygienemaßnahmen weiterhin umzusetzen, empfehlen die Forschenden fortwährende Laboruntersuchungen, um den Verlauf der Epidemie besser bewerten zu können.
Link zur Studie
Die Studie erschien am 24.11.2020 bei JAMA Internal Medicine.
DOI: 10.1001/jamainternmed.2020.7976
(flo)
MDR Aktuell
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