Neue Einbürgerungsregeln Schneller zum deutschen Pass: Ein Mittel gegen Fachkräftemangel?
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27. Juni 2024, 11:38 Uhr
Das Staatsangehörigkeitsgesetz wird modernisiert und kann damit dazu beitragen, gegen den Fachkräftemangel vorzugehen. Wer zukünftig deutscher Staatsbürger werden möchte, kann dies bereits nach fünf Jahren Aufenthalt beantragen. Noch schneller geht es, wenn man sogenannte besondere Integratrionsleistungen erbracht hat. Zudem ist es auch möglich, mehr als eine Staatsbürgerschaft zu besitzen. Die Veränderungen sind am 27. Juni in Kraft getreten. Doch es gibt auch Kritik.
BDA: Aussicht auf Staatsbürgerschaft kann gegen Fachkräftemangel helfen
In Deutschland fehlen Fachkräfte. Integration ist eine Möglichkeit, diesem Mangel entgegenzuwirken. "Die Fachkräftesicherung gehört zu den Top-Themen der Unternehmen in Deutschland. Ein Baustein in Zeiten des Fachkräftemangels ist neben der Aktivierung der inländischen Potenziale, dass wir deutlich attraktiver für qualifizierte Zuwanderer werden. Und zwar so, dass sie auch bleiben wollen. Wir stehen im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe mit den USA, Kanada oder Australien. Neben einer guten Integration in die Betriebe gehören dazu auch weitere Angebote zur gesellschaftlichen Teilhabe wie die Aussicht auf Einbürgerung", antwortet die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) auf MDR-Anfrage.
Die Aussicht auf eine deutsche Staatsbürgerschaft kann dabei ein interessanter Anreiz sein, wie Markus Guffler, der Pressesprecher des Sächsischen Ausländerbeauftragten, erläutert: "Für zugewanderte Fachkräfte – aber auch potentielle Arbeitgeber wie international agierende Unternehmen, Universitäten – ist selbstverständlich die Bleibeperspektive relevant. Ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht, welches Zuwandernden zeitnah die Aussicht auf einen deutschen Pass und damit gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht, ist ein Faktor im Wettbewerb um Fachkräfte."
Kritik an Bürokratie und neues Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung
Auf die Frage, ob die neue Regelung weitgreifend genug ist, merkt Mikolaj Ciechanowicz, Geschäftsführer der Deutschlandstiftung Integration, an: "Das neue Staatsangehörigkeitsgesetz stellt Deutschland gleichauf mit vielen der fortschrittlichsten Regelungen weltweit. Entscheidend wird jetzt sein, ob die Bürokratie die Anträge zügig bearbeiten kann, sodass lange Wartezeiten, die bislang leider in vielen Bundesländern noch normal sind, vermieden werden. Die Regelung kann uns aber so mittelfristig attraktiver für ausländische Fachkräfte machen und helfen, die Lücke von gegenwärtig 800.000 offenen Stellen in Deutschland zu schließen."
Kritik an der Bürokratie äußert auch Manja Lorenz von der Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt e.V.: "Auch ohne Einbürgerung sollte eine Arbeitsaufnahme – gerade auch in Mangelberufen – derzeit keine Hürde sein. Wir sollten vielmehr die Reduzierung der Aktenberge verfolgen. Das verlangt wiederum neben einer konsequenten Digitalisierung, eine Vereinfachung und Reduzierung der Ausführungserlasse, die nach Gesetzesänderungen auf die Ämter und Behörden niederprasseln. Dieses Paragrafendickicht verbunden mit Personalmangel auch in den Behörden, wird uns in unseren Kontakten mit Verwaltungen immer wieder als eigentlicher Hemmschuh benannt."
Neben der Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts gab es zuletzt auch ein neues Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung. Die Reaktionen auf die neuen Gesetze sind optimistisch. So erläutert Mikolaj Ciechanowicz: "Die beschlossenen Gesetze sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und ein klares Signal der Offenheit und Akzeptanz, von dem wir uns eine positive Auswirkung auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland erhoffen." Auch Manja Lorenz begrüßt die Maßnahmen des neuen Gesetzes zur Fachkräfteeinwanderung. "Allerdings führt auch hier nicht automatisch ein neues Gesetz zu mehr Fach- und Arbeitskräften. Die Rahmenbedingungen: Entbürokratisierung, Beschleunigung der Vorgänge, Digitalisierung, das Bereithalten von mehr Ressourcen beim Ankommen und der Orientierung in Deutschland sind auch für die erfolgreiche Umsetzung des neuen Gesetzes zur Fachkräfteeinwanderung essentiell", führt sie weiter aus.
Die Organisation Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sieht dies ähnlich: "Für beide Gesetze gilt: Die Behörden müssen so aufgestellt sein, dass die neuen Regelungen effizient umgesetzt und Anträge schnell bearbeitet werden. Das ist bisher nicht der Fall. Lange Wartezeiten an Botschaften und bei Behörden sind leider Realität. Wir hoffen sehr, dass der Aktionsplan Visabeschleunigung des Auswärtigen Amtes hier die angekündigten Erfolge bringen wird. Damit die Verfahren digitaler und einfacher werden, bedarf es einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen. Nur dann gelingt auch die operative Umsetzung."
Einbürgerung nach kürzerer Zeit möglich
Am 27. Juni ist die Modernisierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes in Kraft getreten. Durch diese wird eine schnellere Einbürgerung ermöglicht. So ist es bereits nach fünf (anstatt wie bisher nach acht) Jahren Aufenthalt möglich, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben. Wer sogenannte besondere Integratrionsleistungen nachweisen kann, hat bereits nach drei Jahren die Chance, den deutschen Pass zu erhalten. Dazu zählen sehr gute Deutschkenntnisse, herausragende Leistungen im Job oder ehrenamtliches Engagement.
Welche Voraussetzungen gelten für eine Einbürgerung?
Damit eine Person die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten kann, muss sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. "Dazu gehört, dass unter anderem eine gelungene Integration, gute Deutschkenntnisse und die eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes nachgewiesen werden müssen", schreibt das Bundesministerium des Innern und für Heimat auf seiner Webseite.
Zudem müssen sich Einbürgerungsbewerber zum Grundgesetz und dessen freiheitlich-demokratischen Werten bekennen, heißt es dort weiter.
Quelle: Bundesministerium des Innern und für Heimat
Die Reform bringt noch weitere Veränderungen mit sich: Eine davon ist, dass Mehrstaatigkeit möglich ist – wenn dies das Herkunftsland auch zulässt. Das bedeutet, dass der Besitz von mehreren Staatsbürgerschaften erlaubt ist. Cornelius Funke, ein Sprecher des Bundesministeriums des Innern und für Heimat, erklärt dazu: "Personen, die schon lange in Deutschland leben und fester Bestandteil der Gesellschaft sind, sich aber aufgrund der notwendigen Aufgabe ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit gegen eine Einbürgerung in Deutschland entschieden haben, waren von einer gleichberechtigten Teilhabe ausgeschlossen. Durch die generelle Zulassung der Mehrstaatigkeit soll diesen Menschen die gleichberechtigte demokratische Teilhabe und die politische Mitgestaltung in Deutschland ermöglicht und hierdurch der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden."
In der Reform wurde auch die sogenannte Gastarbeitergeneration bedacht. "Zudem soll auch die Lebensleistung der Gastarbeiter und der Vertragsarbeitnehmer aus der ehemaligen DDR durch Erleichterungen beim Sprachnachweis sowie den Verzicht auf einen Einbürgerungstest berücksichtigt werden", erläutert Cornelius Funke.
Chancen und Kritikpunkte an der Modernisierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes
Die Reform des Gesetzes kann in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen Vorteile mit sich bringen. "Über die Anerkennung von Lebensrealitäten und die größere Attraktivität für Fachkräfte hinaus ist die Verabschiedung des neuen Gesetzes auch ein wichtiges Signal in die Gesellschaft hinein. Jeder Mensch, der in Deutschland lange genug wohnt, sich an die gesetzlichen Regeln hält und unser demokratisches Grundverständnis teilt, kann Deutscher sein – egal welche Hautfarbe man hat, welcher Religion man sich zugehörig fühlt oder was für eine familiäre (Migrations-)Geschichte man mitbringt", erklärt Mikolaj Ciechanowicz, Geschäftsführer der Deutschlandstiftung Integration, auf Anfrage der Redaktion Wirtschaft und Ratgeber.
Über die Anerkennung von Lebensrealitäten und die größere Attraktivität für Fachkräfte hinaus ist die Verabschiedung des neuen Gesetzes auch ein wichtiges Signal in die Gesellschaft hinein.
Der Sachverständigenrat für Integration und Migration begrüßt in einer Pressemitteilung zwar an sich die Möglichkeit, mehrere Staatsangehörigkeiten besitzen zu können, merkt aber auch einen Kritikpunkt an. "Die ausländische Staatsangehörigkeit einer in Deutschland eingebürgerten Person kann durch die geplante Änderung entlang des Geburtsortsprinzips zeitlich unbegrenzt an die Nachkommen weitergegeben werden – inklusive der mit der ausländischen Staatsangehörigkeit einhergehenden politischen Beteiligungsrechte. Mit der Reform wird die Gruppe an Personen stark zunehmen, die nicht nur in Deutschland, sondern auch im Herkunftsland der ursprünglich in Deutschland eingebürgerten Person wählen dürfen. Sie können damit über politische Entscheidungen mitbefinden, von denen sie gar nicht betroffen sind", wird Professor Hans Vorländer zitiert, Vorsitzender des Sachverständigenrats.
Auch aus der Opposition melden sich kritische Stimmen. So schreibt Stefan Heck, Mitglied Der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in einem Essay in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: "Kulturelle Vielfalt ist in unserem Land willkommen – im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Diese Einschränkung ist besonders wichtig in einer Zeit, in der in Europa wieder Krieg herrscht und Loyalitätskonflikte damit ganz konkret werden. Deswegen ist die Einführung des Doppelpasses als Regelfall ein so grundlegender wie falscher Paradigmenwechsel: Ohne Grund ersparen wir Einbürgerungsbewerbern die Entscheidung zwischen dem Bekenntnis zum freiheitlich demokratischen Rechtsstaat und der Zugehörigkeit zu autoritären Regimen."
MDR (jvo)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR Aktuell | 27. Juni 2024 | 10:00 Uhr