Förserungsdesater Bundesregierung will Eigenheimförderung nachbessern
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04. Oktober 2023, 11:17 Uhr
Fachleute hatten frühzeitig gewarnt: Die neue Eigenheimförderung der Bundesregierung "Wohneigentum für Familien" (seit Juni 2023 in Kraft) kann nicht funktionieren. Nach den ersten drei Monaten ist klar: Die Experten hatten recht. Inzwischen hat das auch die Bundesregierung erkannt und will das Gesetz nachbessern.Wirtschaftsredakteur Frank Frenzel über das Förderungsdesaster und was die neuen Regeln bringen könnten.
Kritik von Experten am Programm "Wohneigentum für alle"
Das Desaster des seit Juni aktiven Förderprogramms "Wohneigentum für Familien" war vorhersehbar. In den Monaten Juni bis August gab es gerade 212 Bewilligungen mit einem Fördervolumen von 8,6 Millionen Euro, so die Auskunft der Bundesregierung auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Jan-Marco Luczak, baupolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion.
"Das Förderprogramm der Ampel zur Eigentumsbildung für Familien ist ein Rohrkrepierer. Wir haben von Anfang an davor gewarnt, dass das Programm strukturell falsch konzipiert ist. Denn nur die Familien erhalten eine Förderung, die allerhöchste energetische Standards erfüllen. So etwas zu bauen, kostet richtig viel Geld. Gleichzeitig dürfen Familien aber maximal 60.000 Euro zu versteuerndes Haushaltseinkommen haben. Das passt schlicht nicht zusammen", so Luszak. "Nur wenige Familien können ein so teures Haus bauen und bekommen dafür eine Finanzierung." Genau das hatten vorab viele Baufinanzierungsexperten vorhergesagt.
Das Förderprogramm der Ampel zur Eigentumsbildung für Familien ist ein Rohrkrepierer.
Michael Neumann, Vorstand beim Baufinanzierungsvermittler Dr. Klein Privatkunden AG erklärt auf MDR-Anfrage, dass die neue Eigenheimförderung in der Beratungspraxis keine Rolle spielt: "Uns war noch vor Start des Förderprogramms klar, dass das 'Wohneigentum für Familien' in seiner gewählten Ausgestaltung keine nennenswerte Wirkung entfalten kann. Ein klimafreundlicher Neubau ist unfassbar teuer für eine Zielgruppe, die in großen Teilen unterdurchschnittlich wenig Geld verdient. Angesprochene Bauwillige benötigen daher viel Eigenkapital, um sich ein solches Eigenheim – auch mit staatlicher Förderung – leisten zu können."
Für ihn sei die neue Eigenheimförderung "vorgetäuschter Aktionismus". Der sehr verhaltene Start zeige, wie wenig zielführend das Programm in seiner bisherigen Ausgestaltung sei. Der massive Aufwand, der im Rahmen der Konzeption und Implementierung des Förderprogramms betrieben wurde, stehe in keinerlei Relation zu den wenigen bewilligten Anträgen. Zwar gäbe es das "Wohneigentum für Familien" erst knapp vier Monate und die Zahlen von Antragstellern und Bewilligungen könnten noch steigen. Dennoch hält Neumann einen signifikanten Anstieg für "sehr unrealistisch", da die derzeitige Zielgruppe nur in wenigen Fällen über ausreichend Eigenkapital verfügt, um sich die geforderten Neubaustandards leisten zu können.
Auch Martina Schröder, Referentin Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Sachsen sieht das ähnlich. Immerhin habe man "vereinzelt" Erfahrungen mit dem neuen Förderprogramm sammeln können. "Einerseits haben wir in den letzten Monaten generell eine geringere Beratungsnachfrage nach Baufinanzierungen und zum anderen können Familien nicht in den Genuss der Förderung kommen, da die Einkommensgrenze zu niedrig ist", erklärt die Finanzexpertin.
Sie fordert deshalb, die Einkommensgrenzen anzuheben, damit auch Familien mit mittlerem Einkommen die Förderung nutzen können. Auch sei es sinnvoll, die Förderung von Bestandsimmobilien in die Förderung miteinzubeziehen.
So will die Bundesregierung nachbessern
Die Bundesregierung will, dass die Förderung mehr Familien erreicht, und plant zahlreiche Korrekturen:
- Großzügigere Einkommensgrenze: Diese soll von derzeit 60.000 Euro pro Jahr zu versteuerndes Einkommen auf 90.000 Euro angehoben werden (für eine Familie mit einem Kind).
- Mehr Geld durch höhere Kredite: Die maximal möglichen Kreditbeträge von 140.000 bis 240.000 Euro sollen um bis zu 35.000 Euro angehoben werden.
- Wegfall der Fördervoraussetzung Energiesparhausstandards, der Bauen besonders teuer machte.
- Möglichkeit, auch den Kauf von Bestandsimmobilien zu fördern.
Gerade den letzten Punkt sieht Immobilienexperte Michael Neumann als dringend notwendig an und denkt dabei nicht nur an alte Wohnimmobilien: "Ich denke da unter anderem an die Umwidmung von leerstehenden Büro- und Gewerbeflächen." Eine solche Umwidmung gestalte sich aber aufgrund eines extrem hohen bürokratischen Aufwandes als schwer realisierbar.
Wohnungsneubau bricht ein
Die Bauwirtschaft meldet einen dramatischen Auftragseinbruch. Im Juli wurden in Deutschland gerade einmal 21.000 neue Wohnungen genehmigt, wie das Statistische Bundesamt jüngst bekannt gab. Das ist ein Einbruch von 31,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.
400.000 Wohnungen sollen laut Koalitionsvertrag der Ampel jedes Jahr gebaut werden, nur etwas mehr als 200.000 hält die Wohnungswirtschaft für realistisch. Schon 2022 wurde das Ziel um mehr als 100.000 Wohnungen unterboten.
Wohnungsunternehmen wie Vonovia legen ihre Neubauvorhaben komplett auf Eis. Und auch im privaten Eigenheimbau sieht es kaum besser aus. Dennoch verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz, der Erwerb von Wohnimmobilien sei heutzutage leichter als in Hochzinsphasen Anfang der 1980er-Jahre, als Zinsen von acht bis zehn Prozent normal waren.
Aber: Entscheidend sind nicht allein die Kreditkosten, sondern das Zusammenspiel von Einkommen, Hauspreis und Kreditkosten. Immobilien waren lange auch deshalb noch ganz gut erschwinglich, weil im letzten Jahrzehnt die Einkommen kontinuierlich zugelegt hatten und Immobilien und Kreditkosten historisch gesehen lange Zeit günstig waren. Die inzwischen explodierenden Immobilienpreise, Baukosten und Zinsen lassen für viele Menschen den Immobilienerwerb in weite Ferne rücken.
Hohe Preissteigerungen seit 2015
Was die im Juni 2023 gestartete neue Eigenheimförderung leistet (und was nicht) und ob es mit den geplanten Änderungen besser wird, soll eine Beispielrechnung verdeutlichen. Diese vergleicht die Bau- und Finanzierungskosten eines Einfamilienhauses im Jahr 2015 mit denen des Jahres 2023.
Vorab zum Verständnis ein paar Zahlen zur Entwicklung von 2015 bis 2023:
- Die Baukosten stiegen in dieser Zeit um 64% (Baupreisindex).
- Auch die Grundstückspreise erhöhten sich massiv, in manchen Großstädten wie Leipzig oder Erfurt verdreifachten sie sich (+200%).
- Die Kreditzinsen haben sich mehr als verdoppelt (+ 100%).
- Die Durchschnittslöhne haben sich aber nur um 22% erhöht (von 22.347 auf 27.185 Euro netto).
In der nun folgenden Beispielrechnung erhöht sich der Bau eines Einfamilienhauses inklusive Grundstückskauf im Vergleich zu 2015 um 91% und die Finanzierungskosten verdreifachen sich sogar (+205,92%), denn die monatlich zu zahlende Kreditrate würde nach dieser Rechnung statt 625 Euro (2015) nun 1.912 Euro betragen. Man stelle sich das als Mieter vor: Die Kaltmiete würde sich in wenigen Jahren verdreifachen!
Beispielrechnung für 2015, 2023 und die für Oktober angekündigte Änderung
In der Beispielrechnung geht es um den Bau eines Einfamilienhauses inklusive Grundstück im Leipziger Ortsteil Lindenthal, am nördlichen Stadtrand.
Das Grundstück ist 500 Quadratmeter groß. Pro Quadratmeter lag 2015 der Bodenrichtwert bei 100 Euro, so dass das Grundstück insgesamt 50.000 Euro kostete. Für den Bau des Einfamilienhauses werden 200.000 Euro veranschlagt, ergibt Gesamtkosten von 250.000 Euro für Haus und Grundstück.
2023, also acht Jahre später, kostet das Grundstück bereits 150.000 Euro, also dreimal so viel. Der Bodenrichtwert hat sich seit 2015 pro Quadratmeter von 100 Euro auf 300 Euro erhöht. Der Hausbau hat sich – statistisch gesehen – von 200.000 auf 328.000 Euro verteuert, ein Plus von 64%, legt man den Baupreisindex zu Grunde. Für Haus und Grundstück sind 2023 also 478.000 Euro fällig, also 91,2% mehr als 2015!
Stichwort Baunebenkosten
In dieser Beispielrechnung fehlen jetzt noch die sogenannten Baunebenkosten, ohne die ein Hausbau nicht möglich ist. Dazu zählen die Grunderwerbssteuer, Notarkosten, Grundbuchkosten, Maklerkosten, Architektenkosten, Kosten für Bauantrag und Baugenehmigung, für Vermessung, Bodengutachten, Erdarbeiten, Baustrom oder Versicherungen. Rund zehn bis 15% des Kaufpreises sollten Bauherren dafür einplanen. Nimmt man den Mittelwert von 12,5%, so würden die Gesamtkosten 281.250 Euro im Jahr 2015 betragen und 537.750 im Jahr 2023.
Stichwort Finanzierung
Ein weiteres Problem ist die Finanzierung der Immobilie, denn nicht nur die Anschaffungskosten haben sich mit 91,2% fast verdoppelt, auch die Kreditzinsen sind im Vergleich zu 2015 heute mehr als doppelt so hoch. War 2015 noch 1,75% ein gängiger Sollzins, so verlangen Banken aktuell rund 4%.
Die Kombination dieser Werte führt schließlich zu einer Verdreifachung der Kreditraten. Um einen Immobilienkredit zu bekommen, verlangen Banken in der Regel 20% Eigenkapital. Hier mussten Bauwillige 2015 noch 56.250 Euro nachweisen (20% von 281.250 Euro), 2023 schon 107.550 Euro (20% von 537.750 Euro).
Schon an dieser Hürde dürften junge Familien scheitern. Zumal die Sparmöglichkeiten im zurückliegenden Jahrzehnt äußerst dürftig waren – Stichwort Nullzinspolitik.
2015 | 2023 | |
---|---|---|
Gesamtkosten | 281.250 Euro | 537.750 Euro |
20% Eigenkapital | 56.250 Euro | 107.550 Euro |
Kredit | 225.000 Euro | 430.200 Euro |
Zinsen | 1,75% | 4% |
2015 | 2023 | |
---|---|---|
Bei 1% | 515 Euro | 1.792 Euro |
Bei 2% | 703 Euro | 2.151 Euro |
Bei 3% | 890 Euro | 2.509 Euro |
Bei 4% | 1.078 Euro | 2.868 Euro |
Die Zahlen zeigen, solche monatlichen Kreditbelastungen von über 2.000 Euro lassen sich von Durchschnittsverdienerfamilien nicht stemmen, zumal in den Kreditraten Betriebskosten für Strom, Heizung, Müllabfuhr usw. noch gar nicht enthalten sind.
Stichwort Förderung
Wie sähe nun aber eine Finanzierung mit Förderung aus, wie sie die Bundesregierung in ihrem Programm "Wohneigentum für Familien" vorgesehen hat?
Der höchstmögliche Kreditbetrag für eine Familie mit Kind beträgt 140.000 Euro. Von der benötigten Kreditsumme von 430.200 Euro würden 140.000 Euro durch einen Förderkredit mit 1,25% Zinsen im Jahr finanziert, der Rest (290.200 Euro) durch einen banküblichen Kredit, aktuell also 4%.
Kreditaufnahme | monatliche Belastung |
---|---|
Förderkredit (1,25 %) 140.000 Euro | 379 Euro |
Banküblicher Kredit (4 %) 290.200 Euro | 1.451 Euro |
Gesamt 430.200 Euro | 1.830 Euro |
Mit Förderung würde die monatliche Kreditbelastung für eine Familie mit 1.830 Euro 321 Euro weniger betragen als ohne Förderung. Im Vergleich zu den 703 Euro im Jahr 2015 (ohne Förderung) ist die Belastung aber immer noch zweieinhalbmal so hoch!
Außerdem darf für eine solche Förderung das zu versteuernde Einkommen pro Jahr maximal 60.000 Euro betragen. Dass eine Familie angesichts solch einer knapp bemessenen Einkommensgrenze eine derart hohe Kreditbelastung stemmen kann, ist fragwürdig.
Angekündigte Förderungsänderung
Etwas anders könnte es aussehen, wenn die Bundesregierung ihre Ankündigung verwirklicht, die Förderung großzügiger zu gestalten. So sollen etwa die höchstmöglichen Kreditsummen um bis zu 35.000 Euro erhöht werden. Im Falle unserer Beispielrechnung wären dann 175.000 statt 140.000 Euro zu berücksichtigen.
Kreditaufnahme | monatliche Belastung |
---|---|
Förderkredit (1,25 %) 175.000 Euro | 474 Euro |
Banküblicher Kredit (4 %) 255.200 Euro | 1.276 Euro |
Gesamt 430.200 Euro | 1.750 Euro |
Die Gesamtbelastung wäre also um 80 Euro günstiger – aber immer noch sehr viel teurer als 2015. Allerdings plant die Bundesregierung auch, die Einkommensgrenzen um 30.000 Euro anzuheben. Für eine Familie mit Kind läge die Einkommensgrenze dann bei 90.000 Euro zu versteuerndem Einkommen pro Jahr und könnte den Kreis, die für eine Immobilienförderung in Frage kommen, stark ausweiten. Die neuen Regelungen sollen schon am 16. Oktober in Kraft treten.
MDR (cbr)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 25. September 2023 | 06:12 Uhr