Immobilien Tausche Wohnung: Biete vier Zimmer und günstige Miete
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02. September 2023, 05:00 Uhr
Zwei Kinder, drei Zimmer und 61 Quadratmeter – das ist eng und auf Dauer belastend. Doch wie soll in großen Städten eine große und bezahlbare Wohnung gefunden werden: Durch einen Wohnungstausch. Doch kann das funktionieren?
- Eine Familie sucht in Dresden seit einem Jahr eine größere Wohnung
- Zwei Millionen Wohnungen könnten getauscht werden
- Wohnungstausch scheitert meist an Vermietern
Der kleine Miguel hängt im Tragetuch an seiner Mutter. Jeannette Siedentopf steht neben Alvaro Perez in ihrer Wohnung in Dresden-Altstadt. Die beiden leben mit ihren zwei Kindern auf 61 Quadratmetern. In den drei Zimmern wird es ihnen zu viert jetzt zu eng. Doch eine neue Wohnung in der Landeshauptstadt von Sachsen zu finden, ist schwer. Deshalb hofft die kleine Familie auf einen Wohnungstausch.
Im Schlafzimmer kann Jeannette Siedentopf nur seitwärts am Bett vorbeilaufen. "Man muss sich hier ein bisschen sportlich vorbei schlängeln", sagt sie. Dort schlafen die Eltern und das Baby. Im kleinen Kinderzimmer schläft der zweijährige Sohn. Wenn im Bad die Tür der Waschmaschine geöffnet ist, kommt man nicht mehr zur Toilette. Immerhin: Das Wohnzimmer bietet etwas Platz.
Noch kommen die Eltern mit Kleinkind und Baby damit zurecht. Doch wenn die Kinder älter werden, droht Platzmangel. Eine vierköpfige Familie wohnt in Deutschland im Schnitt auf 90 Quadratmetern – das sind 30 Quadratmeter mehr, als die Siedentopfs derzeit haben. Künftig sollen die Kinder dann eigene Zimmer haben. "Wir wollen auch irgendwann mal wieder ein bisschen Privatsphäre als Paar haben, sprich unser Schlafzimmer", erklärt die Mutter.
Wohnung: Tauschportale mit Angeboten
Die Familie will deshalb in eine Vier-Raum-Wohnung umziehen. Seit einem Jahr durchforstet Jeanette Wohnungs-Anzeigen. Die Sachbearbeiterin und der Teamleiter zahlen bisher 740 Euro warm. Maximal 1.200 Euro wollen sie für die neue, größere Wohnung in Dresden ausgeben. "Alle Sachen, die neu gebaut werden, können wir uns definitiv nicht leisten. Die sind viel zu teuer", sagt die Mutter.
Monatelang hatte es Jeanette Siedentopf auf normalen Immobilien-Portalen versucht – ohne Erfolg. Dann entdeckt sie eine Wohnungs-Tausch-Plattform. "Wenn man sich verkleinern oder vergrößern möchte und flexibel auch mit dem Zeitpunkt ist, kann man das ja mal einstellen", erklärt die Wohnungssuchende. "Dann habe ich das auch gemacht, halt in der Hoffnung, dass da vielleicht mal was kommt."
Alle Sachen, die neu gebaut werden, können wir uns definitiv nicht leisten. Die sind viel zu teuer.
Die Idee dahinter: Menschen in zu großen Wohnungen, die sich verkleinern wollen, tauschen mit jenen, die sich vergrößern möchten — in der gleichen Stadt oder sogar im gleichen Viertel. Mehrere dieser Plattformen gibt es. Eine der größten heißt "tauschwohnung.com". "Bei uns werden Wohnungen dauerhaft getauscht, vorrangig Mietwohnungen in Großstädten", erklärt Geschäftsführer John Weinert. "Beispielsweise die ältere Dame, die in einer zu großen Wohnung lebt, die ihre Wohnung mit einer jungen Familie, die Nachwuchs bekommt, tauscht."
Viele Menschen wohnen in zu großen Wohnungen
In Deutschland gibt es 43 Millionen Wohnungen. Sechs Prozent sind eigentlich für ihre Mieter zu groß. Mehr als zwei Millionen Wohnungen könnten also einfach getauscht werden. Die Politik sieht darin Chancen: Die Bundesregierung will lokale Tauschplattformen stärken. Hierzu hat sich das im April 2022 im Bauministerium gegründete "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" verpflichtet, kommunale Beratungsangebote zur Umsetzung von Wohnungstausch zu stärken.
Ein Recht auf Wohnungstausch haben die Grünen schon vor vier Jahren vorgeschlagen. Aktuell hat die Linke – unterstützt vom Mieterbund – eine Lösung für den Wohnungstausch auf der Agenda. "Viele suchen Händeringend eine größere Wohnung, weil sie zum Beispiel eine Familie gründen wollen. Andere würden sich gerne verkleinern, weil zum Beispiel ein Partner stirbt", erklärt die Linken-Bundestagsabgeordnete Caren Lay. "Deswegen schlagen wir vor, dass Mieter*innen das Recht erhalten sollen ihre alten Mietverträge zu tauschen."
Studie: Wie gut das Tauschen bisher funktioniert
Bislang funktioniert das Tauschen von Wohnung kaum. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Professors für Volkswirtschaftslehre an der HTWK Leipzig, Harald Simons. Im Auftrag des Bundesbauministeriums hat er herausgefunden, dass es bei "tauschwohnung.com" etwa 1.000 pro Jahr sind. Über das Tauschportal der Stadt Frankfurt wurden nur sieben Wohnungen getauscht. In einem Modellversuch in München waren es sechs. Insgesamt hat Simons sechs Anbieter untersucht.
"Wir sind nicht im Prozentbereich. Wir sind auch nicht mal im Promillebereich. Das sind lächerliche Größenordnungen an tatsächlich vollzogenen Tauschen, die hier dann realisiert werden konnten", sagt der Leipziger Professor. "Der politische Aufwand steht in einem total krassen Missverhältnis zu den tatsächlichen Wirkungen auf den Wohnungsmarkt."
Bisher scheitert der Wohnungstausch meist an den Vermietern. Sie können von beiden Parteien neue Mietverträge verlangen – und dabei die Miete kräftig anheben. "Denn der wichtigste Faktor, die für die Bestimmung der Miethöhe, ist ja nicht die Größe der Wohnung, sondern das Alter des Mietvertrages", so Simons. Der Tausch eines Mietvertrages müsse also nicht unbedingt eine Mietersparnis einbringen.
Die Linke: Bei Tausch soll Miete gleichbleiben
Auch das will die Linkspartei ändern: Beim Wohnungstausch soll die Miethöhe beider Tauschwohnungen garantiert gleichbleiben. In Berlin wird das bereits ausprobiert. "Das ist die Besonderheit bei diesem Tauschangebot, das man in die Mietkondition des Vormieters eintritt. Das ist ein 100-prozentiger Tausch" sagt der Pressesprecher vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, David Eberhart. Das gelte — immerhin — für die 350.000 Wohnungen der sechs landeseigenen Wohnungsgesellschaften.
Doch: Das Ganze läuft offenbar eher schleppend. Fast 260.000 hoffnungsvolle Mieter wollten seit Start der Plattform vor fünf Jahren ihre Wohnungen tauschen, wie aus der offiziellen Statistik hervorgeht. Erfolgreich getauscht wurde in dieser Zeit aber nur 533 Mal. Das entspricht 0,2 Prozent.
"Dass es dennoch so wenig genutzt wird und wenig Fälle dabei rauskommen, zeigt eben, dass viele andere Faktoren dagegensprechen", erklärt Sprecher Eberhart. "Wir haben bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen sowieso sehr günstige Mieten. Also sprich, der wirtschaftliche Druck, wenn ich jetzt verwitwet bin oder verrentet bin, ist nicht da."
Woran es scheitern könnte
Das Recht auf Wohnungstausch bei garantiert gleichen Mieten – es klingt wie ein schöner Traum. Auch das Bundesjustizministerium ist strikt dagegen. Auf Anfrage von MDR Investigativ heißt es schriftlich: "Das Recht der Vermieterinnen und Vermieter, frei zu wählen, welche Wohnung sie welcher Person, zu welchen Bedingungen überlassen möchten, ist Bestandteil der Vertragsfreiheit."
So hat auch Jeanette Siedentopf in Dresden viele Stunden auf der Plattform verbracht. Eine Tauschwohnung für ihre Familie hat sie nicht gefunden: "Keine Ahnung, also irgendwo hapert es dann doch. Und das ist die Erfahrung, die wir gemacht haben, dass man irgendwie nicht zusammenkommt." Sie sucht nun weiter auf dem regulären Wohnungsmarkt.
Quelle: mpö
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR exakt | 30. August 2023 | 20:15 Uhr