Eigenheime Deutsche kaufen immer mehr Häuser in Polen

18. September 2023, 17:25 Uhr

Teure Kredite, wenig Erspartes: Gerade in Krisenzeiten bleibt das Eigenheim in Deutschland für viele Deutsche ein unerfüllter Traum. Der Kauf von Wohneigentum im Nachbarland Polen liegt dagegen nach wie vor im Trend. Hinter den Ukrainern sind die Deutschen seit Jahren die zweitgrößte ausländische Käufergruppe in Polen. Und die Tendenz ist steigend.

Beispiel: Eigentumswohnung in Swinemünde an der polnischen Ostsee

Carola und Horst Ihrke, beide Rentner, haben sich im letzten Jahr eine Wohnung im polnischen Swinemünde gekauft: 70 Quadratmeter groß, voll möbliert mit Balkon und zehn Minuten zu Fuß vom Meer entfernt. 200.000 Euro haben sie bezahlt. Nach intensiver Recherche auf dem Wohnungsmarkt an der Ostsee sind sie sich sicher: "Die gleiche Immobilie in der Größe und der Ausstattung hätten wir für dieses Geld nicht auf der deutschen Seite bekommen. Wir hatten unser Limit. Und das war eigentlich nur hier in Swinemünde möglich."

Mit dem Kauf der Wohnung, die in einer gepflegten Anlage liegt, haben sich die Rentner ihren Traum, den Lebensabend an der Ostsee zu verbringen, erfüllt. Doch auch in Polen sei die Nachfrage für solche Wohnungen groß. Lange Zeit zum Nachdenken hatten sie nicht, erklärt Carola Ihrke: "Man muss liquide sein, also man muss das Geld parat haben. Zwischenfinanzierung oder so was funktioniert hier nicht. Wenn man das Geld da hat und sofort bezahlt, dann geht das auch alles ganz schnell und unbürokratisch."

Günstige Energiepreise in Polen ein Standortvorteil

Dass die beiden Rentner das Geld für die Wohnung parat hatten, lag daran, dass sie ihr Haus mit Garten in Schwerin zuvor verkauft hatten. 30 Jahre ihres Lebens hatten sie dort verbracht.

Angesichts der steigenden Energie- und Sanierungskosten in Deutschland fiel ihnen der Abschied von ihrem Haus in Schwerin nicht ganz so schwer. Denn auch die Energiepreise seien in Polen noch deutlich günstiger. Derzeit würden sie elf Cent pro Kilowattstunde zahlen, erzählt Horst Ihrke. In ihrem Haus in Schwerin wären es zuletzt 45 Cent pro Kilowattstunde gewesen. Das sei ein spürbarer Preisunterschied, so der 69-Jährige. 

Deutsche kaufen unter gleichen Bedingungen wie Polen

Die beiden Rentner aus Schwerin sind nicht die einzigen Deutschen, die derzeit in Polen Wohneigentum kaufen. Obwohl die Immobilienpreise in Deutschland gerade sinken, scheinen Wohnungen, Häuser aber auch Grundstücke in Polen nach wie vor attraktiv zu sein. 

Für Immobilienmakler David Lis gibt es deshalb alle Hände voll zu tun. Er hat sich darauf spezialisiert, Deutsche beim Immobilienkauf in Polen zu unterstützen. Er ist in Deutschland aufgewachsen und spricht daher Deutsch und Polnisch. Seiner Einschätzung nach sind es nicht nur die günstigeren Preise, die Deutsche anlocken. In den letzten Jahren sei es für Deutsche auch immer leichter geworden nach Polen zu ziehen, so Lis. "Noch vor fast zehn Jahren war es grundsätzlich nicht so einfach, eine Immobilie in Polen zu erwerben", sagt er. Mittlerweile aber könnten Deutsche unter gleichen Bedingungen kaufen wie ihre polnischen Nachbarn.

Deutsche stehen beim Wohnungskauf in Polen an zweiter Stelle

Nach aktuellen Zahlen des in Polen zuständigen Ministeriums für das Innere haben deutsche private Käufer im Jahr 2022 insgesamt 75.262 Quadratmeter Wohneigentum gekauft. Im Jahr 2021 waren es noch 59.415 Quadratmeter. Das ist eine Steigerung um 21 Prozent.

Rechnet man zum privaten Wohnungskauf noch die Gewerbeimmobilien hinzu, stand 2022 die Ukraine im Käuferranking mit 365.704 Quadratmeter an erster Stelle. Die Deutschen haben 2022 insgesamt 107.152 Quadratmeter gekauft und sind somit die zweitstärkste Käufergruppe in Polen. An dritter Stelle steht Weißrussland mit 77.405 Quadratmeter.

Bei Grundstücken besonders Ackerflächen gefragt

 Im Jahr 2022 wurden zudem insgesamt 12.190 Hektar Grundstücke in Polen an ausländische Käufer aus der Eurozone verkauft. Dies ist doppelt so viel wie im Jahr 2021. Auch hier liegt Deutschland mit 3.109 Hektar an zweiter Stelle. Führend ist Zypern mit dem Kauf von 3.640 Hektar. An dritter Stelle steht Luxemburg mit knapp 1.500 Hektar. Bei genauerer Analyse stelle man fest, so Makler Lis, dass die Käufer aus Zypern und Luxemburg "juristischer Natur" sind. Er vermutet hier Investmentgesellschaften.

Ausländische Käufer würden insbesondere Grundstücke in den Woiwodschaften Großpolen, Westpommern und Niederschlesien erwerben. Bezugnehmend auf den Erwerb von deutschen Käufern seien besonders Acker- und Waldflächen gefragt, so Lis. Etwa 60 Prozent der durch deutsche Käufer erworbenen Grundstücke seien nämlich Acker- und Waldflächen. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Nachfrage in diesem Bereich bei deutschen Käufern um das Zweifache, so die Analyse des Maklers.

Keine Grunderwerbssteuer für die Erstimmobilie

Für Deutsche gebe es beim Kauf einer Immobile mehrere Vorteile, erläutert Makler Lis: "Wenn jemand im Bestandssektor eine Erstimmobilie in Polen kauft, dann entfällt die Grunderwerbssteuer seit September komplett." Bei Neubau würde man sowieso keine Grunderwerbssteuer zahlen, so Lis, weil dort die Mehrwertsteuer vom Bauträger ausgewiesen werden müsse.

Definitiv ein Vorteil, denn wer hier in Deutschland eine Immobilie kauft, muss je nach Bundesland zwischen 3,5 und 6,5 Prozent Grunderwerbssteuer zahlen. Eine Zweitwohnsitzsteuer werde in Polen nicht fällig, sagt David Lis.

Immobilienpreise in Polen bis zu 40 Prozent günstiger

Ein Mann steht vor einem Kanal.
In Wasserlage im Herzen von Stettin entsteht dieses neue Wohnviertel. "Hier bezahlt man klar die Lage", betont Makler David Lis. Ein Mangel an Interessenten an Wohneigentum gibt es nicht. Bildrechte: MDR/Umschau

Dass Polen für deutsche Immobilienkäufer nach wie vor attraktiv ist, kann auch Florian Koch, Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, bestätigen. Seinen Recherchen zufolge ist der Hauptgrund nach wie vor der Preis. "Auch wenn jetzt in Deutschland die Immobilienpreise gesunken sind, während sie in Polen immer noch steigen, haben sich die Preise noch lange nicht angeglichen. Wir haben immer noch Unterschiede, je nach Lage, zwischen 20 und 40 Prozent". Hinzu käme, dass die energetischen Vorgaben in Polen derzeit noch laxer seien als in Deutschland. Dies sei ebenso ein Anreiz, gerade wenn das gekaufte Haus sanierungsbedürftig sei, so Koch. Wie lange dieser Vorteil allerdings noch bestehen wird, sei ungewiss.

Auch in Polen große Preisunterschiede

Ähnlich wie in Deutschland variieren die Preise auch in Polen. Während man in attraktiven und begehrten Lagen wie an der polnischen Ostsee 200.000 Euro für eine kleine bis mittlere Wohnung zahlen muss, bekommt man anderenorts ein ganzes Haus dafür.

Zum Beispiel in der Grenzstadt Stettin, die mit ihren 400.000 Einwohnern etwa eineinhalb Autostunden von Neubrandenburg und 45 Minuten von Prenzlau entfernt ist. "Wenn man Stettin mit kleineren Städten wie Prenzlau oder Neubrandenburg vergleicht, dann sind Häuser hier nach wie vor um die 30 bis 40 Prozent günstiger. Bei Wohnungen gibt es einen Preisunterschied von etwa 30 Prozent. Also in Stettin muss man ungefähr mit 1.900 Euro pro Quadratmeter rechnen, wenn man eine Wohnung kaufen möchte", so Makler David Lis.

Moderne Energiesparhäuser für 215.000 Euro

Derzeit verkauft der Makler etwa 20 Kilometer von Stettin entfernt moderne Energiesparhäuser mitten im Grünen. "Die Häuser erfüllen alle energetischen Standards – mit Wärmepumpe, Wärmerückgewinnung und einer sehr guten Isolation, so dass man sehr geringe Fixkosten von nur 50 Euro pro Monat hat." Im sogenannten Bauträgerzustand, also ohne Innenausbau, liegt der Preis bei 215.000 Euro für 100 Quadratmeter Wohnfläche und 500 Quadratmeter Garten.   

Ein Einfamilienhaus
Dieses moderne Energiesparhaus steht etwas außerhalb von Stettin zum Verkauf, das senkt den Preis. Bildrechte: MDR/Umschau

Die eingerichtete und etwas luxuriösere Variante, die ebenso zum Verkauf steht, würde dann 450.000 Euro kosten. Dazu zählt dann aber eine komplette moderne Inneneinrichtung mit allen Möbeln einschließlich zwei Bädern, hochwertiger und individueller Einbauschränke und einer Küche mit allen Geräten. Insgesamt handelt es sich um 200 Quadratmeter Wohnfläche,  dazu Ladestation für ein Elektroauto sowie ein größer 1.000 Quadratmeter-Garten.

Neubau in exklusiven Lagen auch in Stettin teuer

Auch in Stettin steigen die Preise, vor allem im Neubau, stetig. Im Herzen der Stadt wird derzeit ein komplett neues Wohnviertel mit Shops und Restaurants direkt am Wasser entstehen. "Hier zahlen die Käufer ganz klar für die Lage. Sie müssen mit zweieinhalb bis sogar 4.000 Euro pro Quadratmeter kalkulieren", so Makler Lis. Trotz dieser hohen Preise, die definitiv deutsches Niveau erreichen,  gebe es bereits deutsche Käufer.

MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 12. September 2023 | 21:00 Uhr

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