Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke: Anwalt Florian Gempe und Björn Höcke nach der ersten Verhandlungspause im Gerichtssaal
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AfD-Politiker Höcke in Halle vor Gericht: Fragen und Antworten zu Prozessen und Urteilen

02. Juli 2024, 10:44 Uhr

Thüringens rechtsextremer AfD-Chef Björn Höcke musste sich erneut vor dem Landgericht Halle verantworten. Grund dafür war, wie im ersten Prozess, die mutmaßliche Verwendung einer NS-Losung. Im Mai wurde Höcke bereits zu einer Geldstrafe verurteilt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Prozessen im Überblick.

Zweiter Prozess: Was wurde Höcke vorgeworfen?

Björn Höcke musste sich seit Ende Juni vor dem Landgericht Halle wegen eines Vorfalles verantworten, der sich im Dezember 2023 im thüringischen Gera ereignet hat. Höcke soll dort bei einer Rede erneut die Parole "Alles für Deutschland" der ehemaligen Sturmabteilung (SA) der NSDAP verwendet haben, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits ein anderes Strafverfahren wegen derselben Parole gegen ihn lief. Der Vorwurf lautet auf Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen.

Konkret soll Höcke auf einer Parteiveranstaltung der AfD den ersten Teil des Slogans "Alles für..." gerufen und das Publikum durch Gesten dazu animiert haben, das Wort "Deutschland" zu ergänzen. Sowohl der Angeklagte als auch das Publikum sollen laut Anklage gewusst haben, dass es sich bei der Parole um eine verbotene SA-Parole handelte.

Zweiter Prozess: Was wurde im zweiten Prozess verhandelt?

Das Gericht lehnte zu Beginn des zweiten Prozesses mehrere Anträge der Verteidigung ab – unter anderem die Forderung, das Verfahren einzustellen. Höcke selbst beteuerte seine Unschuld. Er sei überrascht gewesen, dass der Spruch aus dem Publikum heraus vollendet wurde. Höcke bezeichnete das Verfahren als "Farce", erwarte einen weiteren Schuldspruch. Höckes Verteidiger hatten auch am zweiten Verhandlungstag zahlreiche Anträge gestellt, denen das Gericht nicht stattgab. Unter anderem wollten sie weitere Zeugen ermitteln und anhören lassen, nämlich Teilnehmer des Stammtisches, bei dem der Ausspruch gefallen war. 

Anders als vorab geplant, kam ein Historiker bei dem Prozess nicht als sachverständiger Zeuge zu Wort. Das Gericht hatte ihn als Zeugen geladen. Der Vorsitzende Richter erklärte aber, der Historiker habe sich vorab öffentlich negativ über die AfD geäußert.

Die Staatsanwaltschaft forderte in diesem Prozess für den Thüringer AfD-Chef eine Bewährungsstrafe und eine Geldauflage. Sie beantragte acht Monate Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollten. Zudem forderte sie, dass Höcke 10.000 Euro an eine gemeinnützige Vereinigung, etwa die KZ-Gedenkstätte Buchenwald zahlen sollte.

Zweiter Prozess: Welches Urteil gab es?

Im zweiten Prozess ist der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Landgericht in Halle sprach den AfD-Politiker am 1. Juli 2024 der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen schuldig und verhängte eine Geldstrafe von insgesamt 16.900 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Eine Revision am Bundesgerichtshof ist möglich.

Erster Prozess: Was wurde Höcke vorgeworfen?

Björn Höcke soll im Mai 2021 die verbotene SA-Parole "Alles für Deutschland!" in einer Rede in Merseburg (Saalekreis) in Sachsen-Anhalt verwendet haben. Dieser Ausspruch ist in Deutschland verboten. Das Landgericht Halle sah es als erwiesen an, dass Höcke die Parole wissentlich geäußert hat und ihn wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs zu einer Geldstrafe verurteilt.

Warum der Fall in Gera getrennt verhandelt wurde

Ursprünglich sollten beide Fälle gemeinsam vor dem Landgericht in Halle verhandelt werden. Kurz vor Beginn des Prozesses hat die Kammer jedoch beschlossen, den Fall in Gera von dem in Merseburg abzutrennen. Grund dafür ist einer Gerichtssprecherin zufolge, dass Höckes Verteidigung kurzfristig gewechselt hat und daher keine Gelegenheit hatte, in die Akten zum Fall in Gera Einsicht zu nehmen.

Als Höcke die Parole das zweite Mal im Dezember 2023 öffentlich verwendete, war bereits bekannt, dass er sich für den ersten Fall aus dem Mai 2021 vor Gericht verantworten muss.

Paramilitärische Organisation der NSDAP Die Sturmabteilung (SA) war die paramilitärische Kampforganisation der NSDAP. Die SA spielte unter anderem beim Aufstieg der Nationalsozialisten vor der Machtergreifung 1933 eine entscheidende Rolle.

Erster Prozess: Wie lautet das Urteil – und wie geht es weiter?

Nach vier Prozesstagen verurteilte das Gericht Höcke am 14. Mai zu einer Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen zu je 130 Euro, insgesamt also 13.000 Euro. Gegen das Urteil legte die Verteidigung Revision ein, die Staatsanwaltschaft nicht. Es wird nun vom Bundesgerichtshof überprüft.

Die Staatsanwaltschaft hatte bereits kurz nach der Urteilsverkündung erklärt, mögliche Rechtsmittel zu prüfen. Sie hatte eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten gefordert, ausgesetzt für zwei Jahre auf Bewährung. Zudem sollte Höcke 10.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen soll. Höckes Behauptung, er habe nicht gewusst, dass die Parole verboten sei, wies Staatsanwalt Benedikt Bernzen zurück. Höckes Verteidigung dagegen hatte einen Freispruch gefordert.

Polizisten vor dem Justizzentrum in Halle
Vor dem Justizzentrum Halle waren beim Prozessauftakt gegen Björn Höcke im April viele Polizisten im Einsatz. Bildrechte: picture alliance/dpa/Hendrik Schmidt

Erster Prozess: Was sagt der AfD-Politiker?

Höcke hat die Vorwürfe schon vor und während des ersten Prozesses abgestritten. Der AfD-Politiker, der als Geschichtslehrer gearbeitet hat, erklärte, er habe nicht gewusst, dass "Alles für Deutschland" eine SA-Parole sei. Vielmehr sprach er zuletzt von einem "Allerweltsspruch". In einem Fernsehduell gegen den Thüringer CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt verteidigte er seine Wortwahl und erklärte, letztlich habe er den Slogan "America First" von Donald Trump frei interpretierend ins Deutsche übertragen.

Erster Prozess: Ist Höckes Argumentation glaubhaft?

Laut Staatsanwalt Benedikt Bernzen nicht: Für ihn sei die Parole ein "historischer Fakt", erklärte er in seinem Schlussplädoyer. Zudem habe Höcke auch an anderer Stelle NS-Vokabular verwendet, als "gezielte, planvolle Grenzüberschreitungen". Das Gericht sah es letztlich als erwiesen an, dass Höcke die Äußerung wissentlich verwendet hat.

Auch nach Einschätzung von Bastian Wierzioch vom MDR-Investigativ-Team gibt es Indizien dafür, dass Höcke vorsätzlich gehandelt haben könnte. Zum einen handelt es sich um eine Doppelanklage – Höcke werden also gleich zwei Sachverhalte der gleichen Art vorgeworfen. Außerdem ist Höcke ehemaliger Geschichtslehrer eines Gymnasiums in Hessen – was nahelegt, dass er sich mit deutscher Geschichte etwas genauer auskennt.

Auf der Plattform X hat sich Höcke zudem jüngst zu den Regelungen im Strafgesetzbuch geäußert, die das Verwenden von NS-Parolen verbieten. Sie zielten darauf ab, "Deutschland daran zu hindern, sich wieder zu finden", so Höcke. Diese Kritik könnte ein weiteres Indiz sein. Denn wer sich so verteidigt, müsste eigentlich gewusst haben, dass es sich um eine SA-Losung gehandelt hat. Diese Äußerungen Höckes bei X könnten deshalb auch vor Gericht relevant sein.

Erster Prozess: Wie ging Höcke mit dem Prozess um?

Höcke versuchte den Anschein zu erwecken, dass er zu Unrecht verfolgt werde. Im Internet beklagte er eine angebliche politische Verfolgung und Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Bei X hatte der AfD-Politiker jeden eingeladen, nach Halle zu kommen, um sich ein Bild von der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland zu machen.

Höcke wollte den Prozess also als Bühne nutzen. Am Rande der Urteilsverkündung soll Höcke gesagt haben, er habe das Gefühl, ein politisch Verfolgter zu sein.

Erster Prozess: Was bedeutet die Geldstrafe für Höcke?

Eine Sprecherin des Landgerichtes hatte bereits am zweiten Prozesstag erklärt, die Kammer erwarte keine Freiheitsstrafe. Am 14. Mai wurde Höcke schließlich zu der Geldstrafe verurteilt. Da er in Revision ging, die Staatsanwaltschaft jedoch nicht, ist aufgrund des sogenannten Verschlechterungsverbotes keine höhere Strafe möglich.

Unabhängig von der Höhe der Strafe gilt als vorbestraft, wer rechtskräftig verurteilt wurde, erklärte eine Sprecherin des Landgerichtes nach Ende des Prozesses. Dies werde im Bundeszentralregister eingetragen, in dem alle rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteile in Deutschland vermerkt sind.

Einen Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis gibt es der Sprecherin zufolge ab einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen, sofern keine weiteren Einträge im Zentralregister vorliegen. Wird das aktuelle Urteil von 100 Tagessätzen rechtskräftig, würde Höcke also einen Eintrag im Bundeszentralregister und im Führungszeugnis bekommen.

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Erster Prozess: Was sind die Reaktionen auf das Urteil?

Sebastian Striegel, Grünen-Abgeordneter im Landtag von Sachsen-Anhalt, hatte Höckes Äußerung angezeigt. Er begrüßte das Urteil. Es zeige, "dass der Rechtsstaat funktioniert und dass für solche Parolen auf unseren öffentlichen Straßen und Plätzen kein Raum ist."

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) äußerte sich ähnlich, betonte aber, dass die AfD das Urteil nutzen werde, um sich als Opfer darzustellen. Diese Erzählung müsse man entlarven: "Das ist der Rechtsstaat, der hier funktioniert."

Mario Voigt, Chef der Thüringer CDU, erklärte, ein verurteilter Straftäter wie Höcke dürfe keine politische Verantwortung in Thüringen bekommen. Höcke habe es nach dem Urteil "amtlich, dass seine Nazi-Parolen nicht rechtens sind". Voigt fügte hinzu: "Es bleibt aber unsere Verantwortung, ihn an der Wahlurne zu schlagen."

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dpa, MDR (Bastian Wierzioch, Lars Wohlfarth, Felix Fahnert, Lucas Riemer, Maren Wilczek) | erstmals veröffentlicht am 18. April 2024

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 18. April 2024 | 19:00 Uhr

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