Gräber liegen auf dem Nordfriedhof unter Bäumen mit buntem Herbstlaub. 3 min
Audio: Friedhofskultur verschwindet zunehmend aus der Öffentlichkeit, die Pflege von denkmalgeschützten Gräbern ist teuer. Der Johannisfriedhof in Dresden lockt Besucher nun mit Gottesackerhonig. Bildrechte: picture alliance/dpa | Horst Ossinger

Bestattungsgesetz Friedhofszwang in Deutschland: Warum Urnen mitnehmen noch immer verboten ist

03. Juli 2024, 11:06 Uhr

Seebestattungen, Friedwälder, Humankompostierung: Die deutsche Bestattungskultur verändert sich. Doch Urnen mit nach Hause zu nehmen ist und bleibt verboten. Dabei geht es auch ums Geld, sagt ein Verbraucherschützer. Aber es gibt Wege, den Friedhofszwang zu umgehen.

Wer heute über deutsche Friedhöfe läuft, sieht vor allem eines: Lücken. Die Abstände zwischen den Grabsteinen wachsen. Erdbestattungen sind selten geworden. Die meisten Menschen lassen sich nach ihrem Tod verbrennen. 2022 waren es einer Umfrage der Gütegemeinschaft Feuerbestattungen e.V. zufolge im Schnitt 78 Prozent.

Doch anders als in anderen Staaten dürfen Angehörige in Deutschland die Asche der Verstorbenen nicht mit nach Hause nehmen. Denn wer in Deutschland stirbt, muss auf einem Friedhof beigesetzt werden – egal, ob in einer Urne oder in einem Sarg. Nur in Bremen dürfen Bürgerinnen und Bürger Asche auf dem eigenen Grundstück verstreuen – allerdings unter hohen Auflagen.

Friedhofszwang seit dem Mittelalter

Dieser sogenannte Friedhofszwang geht zurück auf das späte Mittelalter. Damals begann man, wegen des Verwesungsgeruches und aus Angst vor verunreinigtem Grundwasser, die Toten nicht länger in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten zu begraben. Als im 14. Jahrhundert die Angst vor der Pest umging, entstanden auf kaiserlichen Erlass Friedhöfe außerhalb von Dörfern und Städten.

Im 19. Jahrhundert wurden Friedhöfe dann grundsätzlich außerhalb der Stadtmauern angesiedelt. Dass die Menschen ihre Toten dort beerdigen ließen, war eine stillschweigende Übereinkunft, die erst 1934 gesetzlich festgehalten wurde.

Verbraucherinitiative fordert Lockerung der Friedhofspflicht

Doch ist dieses Gesetz 90 Jahre später noch zeitgemäß? "Nein", sagt Alexander Helbach, Sprecher von Aeternitas, einer Verbraucherinitiative für Bestattungskultur. Die Bestattungskultur in Deutschland habe sich deutlich gewandelt: "Immer weniger Menschen legen Wert auf klassische Traditionen bei der Bestattung. Es gibt einerseits mehr Individualismus, andererseits auch den Wunsch nach kostengünstigen Optionen."

Immer weniger Menschen legen Wert auf klassische Traditionen bei der Bestattung.

Alexander Helbach, Sprecher von Aeternitas

Aeternitas fordert daher eine Lockerung der Friedhofspflicht. Helbach glaubt nicht, dass dadurch das allgemeine Pietätsempfinden der Gesellschaft verletzt würde. Bereits 2019 hätten sich in einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag von Aeternitas 71 Prozent der Befragten dafür ausgesprochen, das Entnehmen kleiner Mengen von Totenasche, etwa zum Abfüllen in Schmuckstücke, zu legalisieren.

Drei Jahre zuvor hatten 83 Prozent der Befragten in einer anderen repräsentativen Umfrage angegeben, die Vorstellung, dass der Nachbar eine Urne zu Hause habe, löse kein negatives Gefühl bei ihnen aus.

Friedhofszwang wegen finanzieller Interessen von Kirchen und Kommunen?

Helbach erklärt, Experten hätten schon vor 15 Jahren erwartet, dass die Friedhofspflicht bald fallen würde. Dass dies bis heute nicht passiert ist, führt er auch auf finanzielle Interessen von Kirchen und Kommunen zurück, deren Empfehlungen bei Gesetzgebungsverfahren viel Gewicht hätten.

Kein Friedhof in Deutschland arbeite kostendeckend in Deutschland – ein Problem, dass sich durch den Trend der Feuerbestattung noch verschärfe, sagt Helbach. "Urnengräber sind in der Regel günstiger. Das Resultat sind große leere Flächen auf den Friedhöfen, die trotzdem gepflegt werden müssen." Das koste viel Geld.

Eine Urne steht auf dem Friedhof des Krematoriums Dachsenhausen.
Urnengräber sind kleiner und deswegen in der Regel günstiger als Sarggräber. Bildrechte: picture alliance/dpa | Thomas Frey

"Das heißt, die Friedhofsgebühren gehen immer weiter nach oben, und der Friedhof wird noch unattraktiver", erklärt Helbach weiter. Auch legale Alternativen wie Seebestattungen und Bestattungswälder seien eine harte Konkurrenz. "Friedhofsbetreiber haben Angst, dass sich noch mehr Menschen vom Friedhof abwenden, wenn man den Friedhofszwang aufgeben würde."

Friedhofspflicht in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bleibt

In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wird der Friedhofszwang auf absehbare Zeit wohl bestehen bleiben. Auf Anfrage von MDR AKTUELL teilten die zuständigen Ministerien der Länder mit, dass es keine Bestrebungen gebe, diesen aufzuheben. Sachsen etwa beruft sich auf den Schutz des Gemeinwohls. Eine geordnete Bestattung sei ohne Friedhofszwang nicht mehr gesichert, die Totenruhe womöglich nicht mehr gewahrt. Zudem gehe es um die Schonung der Gefühlswelt.

Eine Frau berührt mit ihrer Hand einen Baumstamm mit einer letzten Ruhestätte
Auch sogenannte Bestattungswälder oder Friedwälder gelten rechtlich als Friedhof. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Andreas Arnold

Alle drei Länder betonen, dass der Friedhof als öffentlich zugänglicher Ort der Trauer wichtig sei. Vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung in Sachsen-Anhalt hieß es dazu, der Friedhof ermögliche es allen, die die verstorbene Person kannten, ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen und einen Ort zu geben. Beisetzungen auf privaten Grundstücken könnten Trauernden ohne Zutrittsrecht einen solchen Ort des Andenkens und der Erinnerung vorenthalten.

Friedhofszwang wird bereits umgangen

Helbach argumentiert, dass es nach dieser Logik auch keine anonyme Bestattung oder Seebestattung geben dürfe. Schließlich fehle auch in diesen Fällen ein Ort zum Trauern. "Die Würde des Toten zeichnet sich im Kern aber dadurch aus, dass er oder sie so bestattet wird, wie er oder sie es sich zu Lebzeiten gewünscht hat." Und wenn jemand kein Grab wolle, das andere besuchen können, sei das für manchen vielleicht tragisch, aber dennoch das Recht des Toten.

"Ich glaube aber auch nicht, dass sich durch eine Abschaffung der Friedhofspflicht viel ändern würde", sagt Helbach. Effektiv gebe es auch jetzt schon Wege, diese zu umgehen: Indem man etwa die Urne legal in ein anderes Land schicken lasse. Viele Menschen brächten diese dann von dort mit zurück und nähmen sie heimlich mit nach Hause. Manche Bestatter würden Angehörigen die Urne auch einfach aushändigen. "Das wird ja nicht aktiv kontrolliert", sagt Helbach.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 30. Juni 2024 | 04:00 Uhr

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