Portrait. Björn Höcke, Vorsitzender der Thüringer AfD, sitzt im Saal des Landgerichts Halle/Saale.
Am Montag ist vor dem Landgericht Halle das Urteil gegen Björn Höcke gesprochen worden. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Zweiter Prozess Wegen NS-Parole: AfD-Politiker Höcke wieder zu Geldstrafe verurteilt

02. Juli 2024, 10:40 Uhr

Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke ist in Halle erneut wegen der Verwendung einer verbotenen Nazi-Parole zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Der Politiker musste sich erneut vor den Richtern verantworten, da er eine verbotene NS-Parole 2023 auch in Gera verwendet hat.

Im zweiten Prozess um eine verbotene Nazi-Parole ist der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Landgericht in Halle sprach den AfD-Politiker am Montag der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen schuldig und verhängte eine Geldstrafe von insgesamt 16.900 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Eine Revision am Bundesgerichtshof ist möglich.

Dem Urteil zufolge äußerte er auf einer AfD-Veranstaltung im Dezember im thüringischen Gera die verbotene Losung "Alles für Deutschland" der nationalsozialistischen SA beziehungsweise animierte sein Publikum dazu, die Parole zu vervollständigen. "Wir halten Sie, so wie angeklagt, für schuldig", sagte der Vorsitzende Richter Jan Stengel an Höcke gewandt. Höcke handelte demnach vorsätzlich.

Verteidigung hatte Freispruch gefordert

Dem Angeklagten sei zu diesem Zeitpunkt aufgrund der vorangegangenen Anklage wegen eines ähnlichen Falls "bewusst" gewesen, dass er sich strafbar machen könnte. Der Angeklagte "lotet die Grenzen des Machbaren aus", sagte Stengel.

Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft für den Thüringer AfD-Chef eine Bewährungsstrafe und eine Geldauflage gefordert. Sie beantragte acht Monate Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollten. Zudem solle Höcke 10.000 Euro an eine gemeinnützige Vereinigung, etwa die KZ-Gedenkstätte Buchenwald zahlen, sagte Staatsanwalt Benedikt Bernzen in seinem Plädoyer am Landgericht Halle.

"Herr Höcke hat die Rede nur als Vorwand genutzt, um die Parole erneut zu verbreiten", so Bernzen. Der Politiker habe gewusst, dass die Rede anschließend im Internet Verbreitung finden würde. Bernzen forderte eine Verurteilung wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen.

Die Verteidigung von Höcke wollte einen Freispruch erwirken. Dass ihr Mandant die Parole abgebrochen habe, sei Beleg dafür, dass dieser eine Strafbarkeit vermeiden wollte. Zudem bekräftigten Höckes Anwälte ihr Hauptargument, dass "Alles für Deutschland" keine zentrale Losung der SA gewesen sei und bereits seit dem 19. Jahrhundert von Vertretern verschiedener politischer Richtungen benutzt worden sei. Auch Höcke wies erneut die Strafbarkeit seiner Aussage zurück.

Zum Aufklappen: So reagierte Höcke auf das Urteil

Höcke selbst verfolgte die Urteilsbegründung ohne große Regung. Zuvor bezeichnete er sich in einem längeren Statement erneut als "unschuldig". Er verwies auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung und stellte sich erneut als Opfer einer politischen Justiz dar. Er habe das Gefühl, dass mit Mitteln der Justiz versucht werde, einen "Maulkorb" gegen Oppositionspolitiker zu verhängen. "Ja, mein subjektives Gefühl ist, dass es beabsichtigt ist, mich mundtot zu machen", warf der AfD-Politiker der Justiz vor.

Der Vorsitzende Richter verwahrte sich gegen solche Unterstellungen. Er selbst sei seit mehr als 30 Jahren mit der Prüfung von Urteilen aus DDR-Zeiten befasst, wo er mit einer "Menge an Rechtsstaatswidrigkeiten" befasst gewesen sei. So seien Menschen in der DDR für einen Witz ins Gefängnis gekommen oder Regime-kritische Sportler anhand fingierter Anklagen verurteilt worden. "Das sind politische Entscheidungen", hielt Stengel dem AfD-Politiker entgegen.

Prozess musste wegen vieler Anträge verlängert werden

Der zuständige Richter hatte am vergangenen Mittwoch den zusätzlichen Verhandlungstag angesetzt. Er verwies auf die Vielzahl von Anträgen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung, für deren Beratung das Gericht mehr Zeit brauche. Plädoyers und Urteil waren eigentlich bereits für vergangenen Mittwoch erwartet worden.

Zu Beginn des Prozesstages am Montag lehnte das Landgericht Halle alle Beweisanträge der Verteidiger ab. Unter anderem hatten sie gefordert, Gutachter und weitere Zeugen zu hören sowie Literatur und Videos heranzuziehen. Anträgen der Staatsanwaltschaft gab das Gericht statt. Dabei geht es um den X-Account Höckes mit Blick auf die Zahl der Follower und die Zahl der Aufrufe des Videos von der Veranstaltung, bei der Höcke den Spruch angestimmt haben soll.

Björn Höcke 1 min
Sehen Sie hier das Video zum zweiten Prozesstag gegen Björn Höcke in Halle. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Die Staatsanwaltschaft Halle wirft dem Politiker vor, als Redner auf einer AfD-Veranstaltung in Gera im Dezember vergangenen Jahres die Parole "Alles für Deutschland" erneut und wissentlich verwendet zu haben. Es handelt sich um eine verbotene Losung der Sturmabteilung (SA), der paramilitärischen Kampforganisation der Hitler-Partei NSDAP. Höcke soll laut Anklage den ersten Teil der Parole "Alles für" selbst ausgesprochen und anschließend das Publikum durch Gesten animiert haben, den zweiten Teil zu rufen.

Verteidiger wollen mehr Zeugen anhören

Höckes Verteidiger hatten am zweiten Verhandlungstag – am letzten Mittwoch im Juni – zahlreiche Anträge gestellt. Unter anderem forderten sie, dass weitere Zeugen ermittelt und angehört werden. Dabei geht es um Teilnehmer des Stammtisches, bei dem die NS-Parole gefallen war. Damit sollte bewiesen werden, dass diese sich nicht durch Höcke aufgefordert gefühlt hätten, die Parole zu vervollständigen, so die Verteidiger.

Die Verteidiger wollten zudem beweisen, dass der Ausspruch im Nationalsozialismus keine zentrale Bedeutung gehabt habe und auch nicht weit verbreitet gewesen sein soll. Dazu hatten sie beantragt, Historiker als Zeugen heranzuziehen, und verwiesen auf verschiedene Publikationen zur SA und zum Nationalsozialismus.

Staatsanwaltschaft hinterfragt Höckes Demokratieverständnis

Die Staatsanwaltschaft äußerte sich in eigenen Anträgen kritisch zu Höckes bisherigen öffentlichen Äußerungen zu dem Prozess. In einem auf Telegram verbreiteten Video habe der AfD-Politiker gesagt, dass "politische Schauprozesse" aufgearbeitet werden müssten und es nach einer Übernahme der Macht durch die AfD wieder eine freie Justiz geben werde. Anklagevertreter Benedikt Bernzen hatte erklärt, dies zeige ein Demokratieverständnis, das mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sei.

Björn Höcke
Wegen der NS-Parole war Höcke bereits zu einer Geldstrafe von 13.000 Euro verurteilt worden. Bildrechte: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Hendrik Schmidt

Zum Aufklappen: Bereits viele Anträge am ersten Prozesstag

Bereits zum Start des Prozesses am Montag, dem 24. Juni, hatte Höckes Verteidigung zahlreiche Anträge gestellt. Unter anderem wurde gefordert, dass das Verfahren eingestellt wird. Der Vorsitzende Richter kam aber zu dem Schluss, es gebe keine Fehler im bisherigen Verfahren und auch keine Verfahrenshindernisse.

Die beiden Anwälte von Höcke hatten zum Auftakt die Zuständigkeit des Landgerichts bezweifelt. Zudem werde ihr Mandant öffentlich vorverurteilt. Das mache ein faires Verfahren unmöglich, hieß es. Es gebe ein mediales "Trommelfeuer". Der Prozess wurde am Montag mehrfach unterbrochen, um über die Anträge der Verteidiger zu beraten.

Dieser zweite Prozess stieß am ersten Verhandlungstag auf ein weniger großes Interesse als der erste. Zuschauerplätze blieben zum Teil leer.

Stadtwappen an der Fassade des Landgerichts Halle 1 min
Bildrechte: imago/imagebroker

"Ich bin auch in diesem Sachverhalt völlig unschuldig"

Höcke hatte am ersten Prozesstag angegeben, unschuldig zu sein. "Ich bin auch in diesem Sachverhalt völlig unschuldig. Ich weiß, dass ich verurteilt werde. Aber das fühlt sich für mich nicht gerecht an", sagte Höcke. Er habe nicht damit gerechnet, dass Anwesende das dritte Wort aussprechen würden, und bestritt, die Zuhörer in Gera bewusst aufgefordert zu haben, die Parole zu ergänzen.

Zu dem Zeitpunkt war bereits ein Verfahren gegen Höcke wegen eines ähnlichen Vorfalls in Merseburg 2021 anhängig. Ihm sei also die Strafbarkeit des Ausspruchs bewusst gewesen, führte Staatsanwalt Bernzen in seiner Anklageschrift aus.

NS-Parole: Erstes Urteil gegen Höcke im Mai

Bereits Mitte Mai hatte das Landgericht Halle den Politiker wegen des Verwendens der NS-Losung in Merseburg zu einer Geldstrafe von 13.000 Euro verurteilt. Gegen das Urteil legte die Verteidigung Revision ein. Der Fall geht damit nun an den Bundesgerichtshof, das Urteil ist vorerst noch nicht rechtskräftig. Höcke hatte im ersten Prozess argumentiert, selbst als ehemaliger Geschichtslehrer die Parole nicht gekannt zu haben. Ursprünglich sollte der Vorfall in Gera zusammen mit dem Fall in Merseburg verhandelt werden.

Keine Folgen für politische Ämter von Höcke

Direkte Folgen für seine Spitzenkandidatur bei der Thüringer Landtagswahl am 1. September hatte das Mitte Mai gesprochene Urteil nicht.

Die Prozesse in Halle sind nicht die letzten gegen Höcke. Das Landgericht Mühlhausen in Thüringen hat eine Anklage gegen den Politiker wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung zugelassen. Konkret geht es um einen Post von Höcke bei Telegram aus dem Jahr 2022, in dem es um eine Gewalttat in Ludwigshafen und das angebliche Verhalten vieler Einwanderer geht. Verhandlungstermine stehen noch nicht fest.

Höcke als Rechtsextremist eingestuft

Der Verfassungsschutz in Thüringen stuft Höcke, der im Freistaat AfD-Landespartei- und Fraktionschef ist, als Rechtsextremisten ein. Auch die Landesverbände der AfD in SachsenSachsen-Anhalt und Thüringen werden als gesichert rechtsextremistisch geführt.

dpa, AFP, MDR (Tanja Ries, Cynthia Seidel, Kalina Bunk, André Plaul, Lucas Riemer, Fabian Frenzel) | Erstmals veröffentlicht am 29.05.2024

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 01. Juli 2024 | 19:00 Uhr

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