Konjunktur Ökonomin: "Wirtschaft ist zu einem großen Teil auch Psychologie"

10. Oktober 2024, 09:56 Uhr

Die Bundesregierung rechnet mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung. Damit hängen die China-Konkurrenz und ein schwacher Konsum zusammen, sagt die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer. Doch auch die Verunsicherung der Verbraucher spiele eine große Rolle.

Die Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft, Monika Schnitzer, führt die aktuell ernüchternden Wirtschaftszahlen Deutschlands auf zwei zentrale Faktoren zurück. "Zum einen ist der Konsum nicht so angesprungen, wie wir uns das ursprünglich erwartet hatten." Zum anderen schwächelten die Exporte.

Konsum springt nicht an

Monika Schnitzer
Wirtschaftsweise Monika Schnitzer. Bildrechte: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Zwar seien inzwischen die Realeinkommen wieder angezogen – die Inflation ging runter, die Löhne hoch. Jedoch geben die Menschen ihr Geld nicht aus, erklärt Schnitzer. "Wir sehen einfach nach wie vor eine höhere Sparquote als sonst." Das deutet der Ökonomin zufolge darauf hin, dass die Menschen verunsichert seien und möglicherweise Angst um ihren Arbeitsplatz haben, obwohl es ihnen eigentlich zurzeit wirtschaftlich ganz gut gehe, erklärt Schnitzer.

Die Bundesregierung rechnet für dieses Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent. Damit hat sie ihre Prognose zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts deutlich nach unten korrigiert, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte.

Konkurrenz aus China schwächt deutschen Export

 Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft 3 min
Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft Bildrechte: MDR
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Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft, beantwortet drei Fragen zu den aktuell ernüchternden Wirtschaftszahlen in Deutschland.

Do 10.10.2024 12:15Uhr 03:02 min

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Eine weitere Ursache für den Rückgang der Wirtschaftsleistung ist Schnitzer zufolge der schwache Export. "Obwohl die Weltkonjunktur angezogen hat, profitieren wir davon nicht mehr so stark. "Früher wäre ganz klar gewesen der Export geht hoch, und das ist eben momentan nicht so stark der Fall."

Das liege unter anderem auch an der Konkurrenz aus China, sagte Schnitzer. "Das heißt, in Märkten, wo wir bisher mit unseren Exportgütern gut unterwegs waren – wie Maschinenbau oder bei Autos – machen uns die Chinesen inzwischen sehr deutlich Konkurrenz."

Deutschland hat einen erfolgreichen Mittelstand

Dem deutschen Mittelstand bescheinigt Schnitzer größtenteils Stabilität. "Wir haben immer noch einen Mittelstand, der sehr gut positioniert ist, der auch noch sehr erfolgreich auf dem Weltmarkt agiert." Das gelte jedoch nicht für alle mittelständischen Unternehmen.

"Wir haben natürlich auch Schwächere, die nicht so gut mit der Transformation zurechtkommen, mit der Digitalisierung einerseits und mit der Dekarbonisierung andererseits." Schnitzer zufolge werde es hier strukturelle Veränderungen geben müssen.

"Wirtschaft ist eben doch zu einem großen Teil auch Psychologie"

Zudem stellt die Ökonomin eine Diskrepanz in der Wahrnehmung der eigenen wirtschaftlichen Situation und der des Landes fest. So sagen Umfragen der Forschungsgruppe Wahlen zufolge mehr als die Hälfte der Menschen, es gehe ihnen gut. "Nur ganz wenige sagen, 'es geht mir nicht gut'", erklärt Schnitzer.

Viele machen sich sehr viel mehr Sorgen um das Land an sich.

Monika Schnitzer

Das ist bei der Beurteilung der Lage des Landes offenbar anders. "Viele machen sich sehr viel mehr Sorgen um das Land an sich", sagt die Wirtschaftsweise. Da gebe es einen Zwiespalt. "Und jetzt muss man sagen: Wirtschaft ist eben doch zu einem großen Teil auch Psychologie."

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Wenn Menschen befürchteten, etwa ihren Arbeitsplatz zu verlieren, "dann halten sie ihr Geld zusammen und dann kommen auch keine Aufträge für die Industrie", sagt Schnitzer. "Und dann kann auch die Industrie nicht auf Zuwachs bauen und entsprechend wieder in ihre Anlagen investieren. Das hängt irgendwo alles miteinander zusammen."

Anpassung der Schuldenbremse

Dennoch ist laut der Wirtschaftsexpertin eine Transformation notwendig: "Wir haben einfach großen Nachholbedarf", sagt Schnitzer und zählt Infrastruktur, Straßen, Brücken sowie Schulen und die Ausgaben für Verteidigung auf. "Das alles kostet viel Geld." Die Wirtschaftsweisen hatten deshalb vor einigen Monaten eine Modifikation der Schuldenbremse vorgeschlagen. "Das soll wohlgemerkt eine moderate Reform sein", sagt Schnitzer. Es solle ein bisschen Spielraum geben, um in die Zukunft zu investieren.

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