Mitarbeiter bei der Montage
Das verarbeitende Gewerbe im Osten ist weniger produktiv als in Westdeutschland. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Marcus Brandt

Arbeitsmarkt Warum das verarbeitende Gewerbe im Osten weniger produktiv ist

08. August 2024, 05:00 Uhr

Einer Studie der Bertelsmann Stiftung zufolge hat sich die ostdeutsche Produktivität im Dienstleistungssektor dem Westen angenähert. Aber im verarbeitenden Gewerbe liegt sie weiterhin nur bei 76 Prozent des westdeutschen Niveaus. Woran liegt das? Das sagen Arbeitsmarktexperten.

Provokante Frage: Glauben Sie, dass Menschen in Produktionsbetrieben in Ostdeutschland grundsätzlich langsamer oder schlechter arbeiten als im Westen der Republik? Natürlich nicht, sagt Eric Thode. Er ist Arbeitsmarktexperte bei der Bertelsmann Stiftung und Co-Autor einer Studie, die sich mit dem ostdeutschen Arbeitsmarkt befasst.

Und dennoch: "Man kann ungefähr sagen: Die Arbeitsproduktivität im verarbeitenden Gewerbe in Ostdeutschland liegt bei etwas mehr als drei Vierteln im Vergleich zum westdeutschen Niveau." Der Maßstab dafür war in Thodes Studie die "Bruttowertschöpfung je Arbeitsstunde" – wie viel Wert also mit jeder Stunde Arbeit zum hergestellten Produkt hinzukam.

Dabei gab es durchaus auch gute Nachrichten für den Standort Ost: Bei öffentlichen Dienstleistungen liegt Ostdeutschland nämlich gleichauf mit dem Westen. Und ostdeutsche Land- und Forstwirte sind im Schnitt sogar deutlich produktiver als ihre Kolleginnen und Kollegen im Westen.

Ostdeutsche Produktionsstätten oft am Anfang der Lieferkette

Warum also gibt es die Lücke ausgerechnet bei den verarbeitenden Betrieben im Osten? Unter anderem, weil es im Westen mehr große Player gebe, erklärt Thode. Diese Unternehmen hätten einen entscheidenden Vorteil: "Sie haben in Großbetrieben spezialisierte Personalabteilungen, eine IT-Abteilung und der Einkauf ist zentralisiert. Es gibt eine Abrechnungsabteilung und vieles mehr, sodass sich die verschiedenen Beschäftigten dann auf ihr Kerngebiet konzentrieren können." Und es sei produktiver, wenn nicht alle alles machen müssten. Produktionsstätten im Osten stünden zudem oft am Anfang der Lieferkette und seien nicht so gut in weitere Schritte der Wertschöpfung eingebunden.

Mitarbeiter von BMW arbeiten im Stammwerk in der Produktion an der Karosserie von verschiedenen Modellen des Autoherstellers. 4 min
Bildrechte: picture alliance/dpa | Sven Hoppe

Ein Punkt, den Martin Witschaß von der Industrie- und Handelskammer Chemnitz bestätigt. Denn selbst bei den Automobilbauern und ihren großen ostdeutschen Standorten fiele ein Teil der Produktivität aus rechnerischen Gründen an die Bundesländer, sagt er. "Innerhalb dieser Konzernstrukturen gibt es verschiedene Verrechnungspreise. Wenn zentrale wertschöpfende Funktionen wie Forschung und Entwicklung, Marketing, Produktentwicklung an der Zentrale gebündelt sind, werden die Preise auch von dort bestimmt." Das heißt: "Auf die Produkte, die wir hier verkaufen, geht ein bestimmter Teil immer an die Konzernzentralen in München, Wolfsburg und so weiter."

Förderung von ostdeutschen Unternehmen wichtig

Die Lösung, um die Produktivitätslücke zu schließen, sei aber nicht, die Hauptsitze von Konzernen in den Osten zu verfrachten, sagt Witschaß. Eine Chance hingegen sehen er und auch Thode, wenn internationale Unternehmen weiter Standorte im Osten hochziehen -- die Subventionen für die Chipfabriken von Intel und TSMC würden sicher Effekte auf die Produktivität haben.

Intel Fabrik  in Chengdu city, 2012
Europas Halbleiterindustrie braucht Subventionen, um global konkurrenzfähig zu bleiben Bildrechte: picture alliance / dpa | Wang Wei Cd

Witschaß mahnt aber zusätzlich an, unternehmerische Eigengewächse in den ostdeutschen Bundesländern zu stärken, sei es durch Fusionen lokaler Unternehmen oder durch die Förderung von Unis und Forschungseinrichtungen der Region: "Da gibt es durchaus viele innovative Ansätze. Ich denke an das Thema Wasserstoff und an das Thema Kommunikationssoftware, wo hier wirklich langsam auch was entsteht. Das müssen wir hegen und pflegen und weiter fördern."

Ein weiterer Lösungsansatz dürfte den Gewerkschaften überlassen sein. Denn, so zeigt die Bertelsmann-Studie: Auch wenn viele Unternehmen an Tarife gebunden sind, beeinflusse das die Produktivität positiv.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 08. August 2024 | 06:13 Uhr

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