Eine junge Kellnerin gibt Bestelldaten in den Computer ein.
Junge Menschen aus Vietnam suchen Arbeit, Unternehmen in Deutschland junge Fachkräfte, die sie ausbilden wollen. Win-win möchte man meinen. Die Realität sieht oft anders aus. Bildrechte: IMAGO / Depositphotos

Schattenseiten der Fachkräftezuwanderung Ausgebeutet: Azubi musste 66 Stunden pro Woche arbeiten

16. Oktober 2024, 12:34 Uhr

Immer mehr junge Vietnamesen machen eine Ausbildung in Deutschland. Doch das Erfolgsmodell hat seine Schatten. Eine aktuelle Studie zeigt, wie diese Azubis häufig ausgebeutet werden. Außerdem gibt ein Betroffener Einblicke.

Gastronomie-Azubi arbeitete 66 Stunden pro Woche für halbes Monatsgehalt

Der 21-jährige Xuan (Name von der Redaktion geändert) aus Vietnam lebt seit Anfang August in Berlin, um eine Ausbildung als Fachkraft für Gastronomie zu bestreiten. Sein Arbeitgeber hat selbst eine vietnamesische Zuwanderungsgeschichte. Obwohl Xuans Ausbildungsvertrag eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden vorschreibt, musste der junge Mann nach eigenen Angaben im Schnitt 66 Stunden pro Woche im Restaurant schuften. Nach einem Monat erhielt er dafür 419 Euro in bar als Ausbildungsvergütung statt, wie vertraglich festgelegt, 1.100 Euro. Für sein Zimmer muss er monatlich 350 Euro Miete zahlen. Dazu kommen Kosten für Telefon, Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmittel, Bankgebühren und Lebensmittel und dergleichen. 

"Ich bekomme pro Woche einen freien Tag, von dem ich aber erst einen Tag vorher erfahre. Ich habe das Gefühl, dass mich mein Arbeitgeber wie eine Person behandelt, die hier illegal lebt", berichtet Xuan noch vor wenigen Tagen dem MDR. Inzwischen hat er seine Kündigung erhalten.

21-Jähriger protestiert mit Ein-Mann-Demo gegen seine Ausbeutung

Dass Xuans Chef so schamlos gegen den Ausbildungsvertrag verstoßen hat, legt nahe, dass dieser davon ausgeht, dass sich seine vietnamesischen Azubis kaum wehren können. Als Arbeitgeber spekuliert er offenbar darauf, dass sich die jungen Vietnamesen nicht mit deutschen Gesetzen auskennen, jeden Ärger vermeiden wollen und unter dem Druck stehen, nicht versagen zu dürfen. "Als ich neu war", sagt Xuan, "erzählten mir die anderen Azubis von ähnlichen Erfahrungen. Allerdings hatten sie nicht den Mut, den Arbeitgeber darauf anzusprechen. Sie haben es einfach akzeptiert".

Xuan wollte nicht akzeptieren, dass er ausgebeutet wird. Mutig demonstrierte er mit einem selbstgeschriebenen Protestplakat vor seinem Ausbildungsbetrieb, bis die Polizei darauf aufmerksam wurde. Die Beamten befragten daraufhin den Arbeitgeber. Am Abend meldete sich die Person, die den Ausbildungsplatz vermittelt hatte, und drohte, dass der Arbeitergeber den Azubi vor Gericht zu bringen würde. Das ist nun zwei Wochen her. Was die Polizei weiter unternimmt, kann Xuan nicht sagen. Er muss nun dringend einen neuen Ausbildungsbetrieb finden, um weiter in Deutschland bleiben zu können.

Eine Frau hält ein Brief in der Hand.
Der 21-Jährige demonstrierte mit einem selbstgeschriebenen Protestplakat vor seinem Ausbildungsbetrieb. Bildrechte: privat

Dubioser Vermittler hat ungültige Ausbildungsverträge vermittelt

Gastronomie-Azubi Xuan wendete sich auch an die Industrie- und Handelskammer in Berlin. Von dort erhielt er die Mitteilung, dass sein Ausbildungsvertrag ungültig sei. Der Vertrag sei von der Person, die darin als Ausbilder genannt wird, unrechtmäßig abgeschlossen worden. Eine nähere Erklärung gab die IHK ihm nach eigenen Angaben nicht.

Laut Xuan kam noch eine brisante Erkenntnis für ihn hinzu: Als Ausbilder war der Mann im Vertrag benannt, der ihm diese Stelle vermittelt hatte. Dabei war dieser nicht mal Angestellter im Betrieb und konnte ihn somit gar nicht anlernen. Xuan habe ihm eine Vermittlungsgebühr von 6.000 Euro bezahlt. Der Vermittler biete seine Dienstleistungen über Facebook an und vietnamesische Sprachschulen, Vermittlungsagenturen sowie Privatpersonen könnten bei ihm problemlos Ausbildungsplätze erwerben. "Mein Vermittler hat enge Verbindungen zu mehreren vietnamesischen Betrieben in Berlin und bringt Azubis aus Vietnam in die Restaurants, die im Gegenzug günstige Arbeitskräfte erhalten", erklärt der 21-Jährige. Dass die Auszubildenden ausgebeutet werden sollten, sei für Xuan augenscheinlich Teil des Deals.

In einer Facebook-Gruppe habe Xuan auch noch erfahren, dass zwei weitere angehende Azubis seines Betriebes eine Nachricht von der IHK bekommen hatten, da ihre Ausbildungsverträge ungültig seien. Beide sind noch in Vietnam, ihre Ausbildungspläne vorläufig gescheitert. Erst wenn sie einen anderen Ausbildungsbetrieb gefunden haben, können sie ein neues Visum für Deutschland beantragen.

Die IHK Berlin will sich auf Nachfrage des MDR zum konkreten Fall nicht äußern und verweist darauf, dass grundsätzlich keine Auskünfte zu konkreten Angelegenheiten ihrer Mitgliedsunternehmen möglich seien. Stefan Mathews, Bereichsleiter für die Ausbildungsberatung der IHK Berlin, schreibt der Redaktion Wirtschaft und Ratgeber: "Es gehört aber zu unseren wesentlichen Aufgaben, die Ausbildung nach den Regeln des Berufsbildungsgesetzes zu überwachen. Wenn Ausbildungsverhältnisse aus welchen Gründen auch immer abgebrochen werden, bemühen wir uns, bei Bedarf die Auszubildenden in andere Unternehmen zu vermitteln."

Ob Xuan schnell genug einen neuen Ausbildungsbetrieb findet, wird sich zeigen. Dass sein mutmaßlich unseriös agierender Vermittler ihm weiterhelfen wird, glaubt der junge Mann jedenfalls nicht.

Mein Vermittler hat enge Verbindungen zu mehreren vietnamesischen Betrieben in Berlin und bringt Azubis aus Vietnam in die Restaurants, die im Gegenzug günstige Arbeitskräfte erhalten.

Xuan (Name von der Redaktion geändert)

Aktuelle Studie deckt Probleme vietnamesischer Azubis in Deutschland auf

Als Bundesarbeitsminister Hubertus Heil Anfang dieses Jahres in Hanoi eine Kooperationsvereinbarung zur Anwerbung vietnamesischer Fachkräften unterzeichnete, erklärte er, es gehe darum, "bürokratische Hürden zu beseitigen und auch dafür zu sorgen, dass die Menschen, die zu uns nach Deutschland kommen, fair behandelt werden".

Dass dies oft nicht der Fall ist, belegt eine aktuelle Studie der Freien Universität Berlin, die unter anderem die Perspektiven von aus Vietnam eingewanderten Fachkräften und Auszubildenden thematisiert. Dafür haben die Wissenschaftlerinnen qualitative Daten aus Gesprächen in Deutschland und Vietnam gesammelt und individuelle Fallgeschichten dokumentiert.

Die Studienautorinnen sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Erwerbszuwanderung aus Vietnam häufig unter wirtschaftlich schwierigen Bedingungen stattfindet. Demnach würden Auszubildende aus Vietnam regelmäßig Opfer von Ausbeutung, wodurch ihre Integration zu scheitern drohe.

Auszubildende müssen sich für ihre Ausbildung in Deutschland verschulden

Junge Vietnamesinnen und Vietnamesen aus wirtschaftlich schwächeren Familien verbinden mit einer Ausbildung und einem Job in Deutschland die Aussicht auf ein besseres Leben. Zahllose in Vietnam ansässige Agenturen, die über die nötigen Netzwerke im Ausland verfügen, bieten dafür ihre Hilfe an. Diese Netzwerke funktionieren vor allem über die Zusammenarbeit mit Vietnamesen, die in den Zielländern leben und die Bedarfe der Arbeitgeber vor Ort gut kennen. Vietnamesische Agenturen treten aber auch gezielt mit deutschen Personalvermittlungsagenturen in Kontakt.

Junge Menschen in Vietnam sind bereit, Vermittlungsagenturen viel Geld zu bezahlen, um einen Ausbildungs- oder einen Arbeitsplatz in deutschen Pflegeheimen, Krankenhäusern oder der Gastronomie zu finden. Der Service beinhaltet unter anderem die Organisation von Sprachunterricht, Hilfe bei Visumsantrag sowie Bewerbung und die weitere Betreuung im Zielland. Diese Leistungen kosten allerdings viel Geld. Für Sprachschule und Ausbildungsplatz, so die Ergebnisse der Studie der Freien Universität Berlin, fallen 12.000 bis 20.000 Euro an – für Vietnamesen ein kleines Vermögen bei einem Durchschnittsverdienst von umgerechnet 230 Euro im Monat. Viele Auszubildende und ihre Familien müssen sich hoch verschulden, um die Gebühren zahlen zu können. Endlich in Deutschland angekommen, stehen die Neuankömmlinge deshalb unter enormen Stress.

Wenn die Ausbildung scheitert, bleibt oft nur Schwarzarbeit

Laut dem Statistik-Portal Statista lag 2023 in Deutschland die durchschnittliche monatliche Ausbildungsvergütung über alle Ausbildungsbereiche hinweg bei 1.066 Euro. Neben der Finanzierung der Lebenshaltungskosten einen hohen Schuldenberg abzutragen, ist für die vietnamesischen Azubis eine schwere Bürde.

"Das Azubigehalt ist nicht ausreichend für den Schuldenabbau, weswegen die meisten noch zusätzlich arbeiten, was wiederum zu einer starken Überlastung führt, die sich negativ auf ihr Lernvermögen auswirkt", erklärt Birgitt Röttger-Rössler, Seniorprofessorin am Institut für Sozial- und Kulturanthropologie der Freien Universität Berlin und eine der Projektleiterinnen der Studie "Die neue Zuwanderung aus Vietnam". Für zusätzliche Abendkurse in Deutsch reiche bei den wenigsten die Kraft und die Zeit. Viele gerieten dadurch in eine verhängnisvolle Spirale von Überlastung, würden aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse an den Berufsfachschulen nicht mitkommen und die Ausbildung ihrerseits abbrechen.

Ohne Ausbildungsvertrag in der Tasche erlischt auch die Aufenthaltsgenehmigung. Eine Rückkehr nach Vietnam ist angesichts der Schulden und des Gesichtsverlustes für die meisten keine Option. "Für viele bleibt nur die Schwarzarbeit in ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen– zum Beispiel in Nagelstudios, in der Sexindustrie oder als Arbeiter auf dem Bau", so Birgitt Röttger-Rössler. Häufig versuchten Frauen durch sogenannte Scheinvaterschaften für ein neugeborenes Kind einen legalen Aufenthaltstitel zu erhalten – eine Praktik, die jedoch mit vielen Risiken behaftet und zudem kostspielig sei.

Dabei ist der Wissenschaftlerin wichtig zu betonen, dass die Mehrheit der jungen Auszubildenden auf legalem Weg nach Deutschland kommt und sich ein Leben in der Legalität wünscht. Doch dies scheitere leider vielfach an den angesprochenen Faktoren.

Birgitt Röttger-Rössler
Birgitt Röttger-Rössler ist eine der Projektleiterinnen der Studie "Die neue Zuwanderung aus Vietnam" von der Freien Universität Berlin. Bildrechte: Miriam Klingl

Betreuungspersonen der Agentur vor Ort prellen Azubis

Brauchen vietnamesische Auszubildende in Deutschland Unterstützung, soll ein Mitarbeiter der Vermittlungsagentur vor Ort helfen – zum Beispiel bei bürokratischen Angelegenheiten oder der Wohnungsvermittlung.

Die Studie "Die neue Zuwanderung aus Vietnam" der Freien Universität Berlin zeigt jedoch, dass sich diese Betreuungspersonen, ob nun mit oder ohne Wissen der Agentur, oft an ihren Kunden bereichern und diese schlimmstenfalls sogar betrügen.

Die Wissenschaftlerinnen haben den Fall einer 20-Jährigen angehenden Altenpflegerin dokumentiert, die der Agentur 12.000 Euro an Gebühren gezahlt hatte: Nach ihrer Ankunft in Berlin musste sie für 400 Euro Monatsmiete ein unmöbliertes Zimmer von 15 Quadratmetern mit einer anderen Person teilen. Kurze Zeit später wurde sie vom Vermieter aus der Wohnung geworfen, weil ihre Betreuungsperson die Miete im Voraus nicht bezahlt hatte. Die junge Frau stand plötzlich auf der Straße. Die Suche nach einer neuen Bleibe auf dem umkämpften Berliner Wohnungsmarkt war schwer und langwierig. Da die Auszubildende ohne Meldebescheinigung kein Konto eröffnen konnte, erhielt sie auch kein Azubi-Gehalt. Der für sie verantwortliche Agenturmitarbeiter tauchte nie mehr auf.

Prekäre Lebenssituationen wie diese münden nicht selten in einem Abbruch der Ausbildung. Dazu Studienprojektleiterin Birgitt Röttger-Rössler: "Die Einzelnen können dann leicht in die Illegalität abrutschen, weil ihr Aufenthaltstitel in Deutschland von einer Ausbildung abhängt und eine Rückkehr in die Heimat mit Schulden für sie nicht infrage kommt. Statt sich erfolgreich zu integrieren, leben sie im Schatten der deutschen Gesellschaft."

Die Einzelnen können dann leicht in die Illegalität abrutschen, weil ihr Aufenthaltstitel in Deutschland von einer Ausbildung abhängt und eine Rückkehr in die Heimat mit Schulden für sie nicht infrage kommt. Statt sich erfolgreich zu integrieren, leben sie im Schatten der deutschen Gesellschaft.

Birgitt Röttger-Rössler, Institut für Sozial- und Kulturanthropologie der Freien Universität Berlin

Agenturen wählen der Studie zufolge meist Personen als Betreuer, die sie vorher selbst in Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse vermittelt haben. Weil diese Menschen sich durch ihren Weg nach Deutschland selbst erheblich verschuldet haben, sind sie gezwungen, diese Schulden mit allen Mitteln abzubauen. Dazu zählt auch die Methode, zusätzliche Gebühren für ihre Serviceleistungen zu erheben.

Unseriöse Vermittlungsagenturen ködern Arbeitgeber mit Niedrig-Preisen

Die Vermittlung von vietnamesischen Arbeitskräften ins Ausland kann ein lukratives Geschäft sein. Im Konkurrenzkampf der Agenturen versuchen viele Anbieter, Arbeitgeber mit besonders günstigen Gebühren zu locken. "Die Vermittlungsagenturen profitieren sehr davon und es gehört zu den 'Geschäftstricks', deutschen Unternehmen 'kostengünstig' Arbeitskräfte oder Auszubildende anbieten zu können", sagt Birgitt Röttger-Rössler, Sozial- und Kulturanthropologin mit Spezialisierung auf Südostasien.

Jens Günther ist Geschäftsführer eines Dresdner Unternehmens, das für deutsche Betriebe nach vietnamesischen Fachkräften sucht und dafür auch mit anderen Unternehmen in Vietnam zusammenarbeitet. Für das von ihm angebotene Leistungspaket zahlen Arbeitgeber 9.000 Euro bei Vermittlung einer ausgebildeten Fachkraft oder 3.500 - 4.500 Euro bei Vermittlung eines Azubis. Der Unternehmer kann bestätigen, dass es Vermittlungsagenturen in Vietnam oder Deutschland gibt, die mit Dumping-Angeboten arbeiten zu Lasten der Fachkräfte und Azubis aus Vietnam: "Aus unserer Erfahrungen wissen wir, dass manche Agenturen Azubis oder Fachkräfte für nur 2.000 - 3.000 Euro an deutsche Arbeitgeber vermitteln. Im Gegenzug werden die angehenden Azubis und deren Familien jedoch mit hohen Vermittlungsgebühren abgezockt und zur Aufnahme von hohen Krediten ermuntert, damit die Vermittler mit ihnen mehr Geld verdienen“.

Dass man teilweise von den Familien der gelernten Fachkräfte oder Azubis aus Vietnam hohe Vermittlungsgebühren verlangt, um Arbeitgebern in Deutschland günstige Honorare anbieten zu können, mag der eine oder andere vielleicht vertretbar finden, so Günther, wir halten so etwas dagegen einfach nur für Menschenhandel. Das sollte deutschen Arbeitgebern nicht egal sein. Seine Agentur berechne Arbeitergebern für eine Vermittlung eine höhere Gebühr, könne aber so sicherstellen, dass sich niemand auf unseriöse Weise an den Azubis bereichert.

"Die bilateralen Abkommen beziehungsweise Absichtserklärungen, die nach verschiedenen Modellprojekten zwischen Deutschland und Vietnam zur Fachkräfteeinwerbung formuliert wurden, sehen vor, dass die potenziellen Fachkräfte oder Azubis keinerlei Gebühren zahlen müssen", erläutert Birgitt Röttger-Rössler, Sozial- und Kulturanthropologin an der FU Berlin. Deutschland könne jedoch die Agenturen in Vietnam nicht überwachen und auch nicht sanktionieren. Nur wenige Agenturen in Vietnam würden tatsächlich staatlich kontrolliert. Zudem sei es nicht auszuschließen, dass auch deutsche Vermittlungsagenturen nicht immer ganz seriös arbeiteten. 

Expertin fordert Sensibilität bei Ausbildungsbetrieben

Ausbildungsbetriebe in Deutschland, die vietnamesische Azubis beschäftigen, wissen häufig nichts über das dubiose Verhalten in Vermittlungsagenturen oder die Schuldenlast, mit der junge Vietnamesen in Deutschland starten. Die Auszubildenden selbst erzählen nichts, weil sich sie sich von den Agenturen abhängig fühlen und Angst vor deren Macht haben.

Birgitt Röttger-Rössler sieht den Weg aus der Misere nur durch eine Eindämmung der unseriösen Agenturen und bessere staatliche Kontrolle. Außerdem müsse in Vietnam oder den vietnamesisch-sprachigen sozialen Medien mehr Aufklärung über Alternativen zu teuren und unlauteren Agenturen stattfinden. Betroffene müssten sich über ihre negativen Erfahrungen austauschen. "Allerdings", gibt Birgitt Röttger-Rössler zu bedenken, "haben wir den Eindruck gewonnen, dass vielen gar nicht bewusst ist, dass sie eigentlich ausgebeutet werden".

Zahl der vietnamesische Azubis in Mitteldeutschland steigt

Die Zahl der Auszubildenden mit vietnamesischer Staatsangehörigkeit, die einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in Deutschland nachgehen, nimmt seit Jahren zu. Waren es nach Angaben der Agentur für Arbeit deutschlandweit 2015 noch rund 1.300, sind es Ende 2023 knapp über 12.000. In Sachsen befanden sich 2023 rund 1.350 Azubis aus Vietnam in einer Ausbildung und damit fünfmal so viele wie 2015. Im gleichen Zeitraum stieg ihre Anzahl in Sachsen-Anhalt von 46 auf 625 und in Thüringen von 130 auf 969.

Birgitt Röttger-Rössler, Projektleiterin der Studie "Die neue Zuwanderung aus Vietnam", ist der Meinung, dass die in ihrer Veröffentlichung beschriebenen Probleme auch in Mitteldeutschland relevant sind. "Vietnamesische Agenturen vermitteln Azubis überall hin, auch in kleinere Gemeinden und die Mechanismen sind überall die gleichen. Auch wenn es in kleineren Gemeinden mit preiswerteren Mieten für sie einfacher sein könnte", so ihr Urteil.

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