Gesundheitskarte der Krankenkassen in Deutschland.
Viele gesetzlich Krankenversicherte müssen sich im kommenden Jahr auf Beitragserhöhungen einstellen. Bildrechte: IMAGO/Zoonar

Krankenkasse Kassenbeiträge werden wohl deutlich steigen – Was Versicherte tun können

16. Oktober 2024, 20:53 Uhr

Die Beiträge von Beschäftigten und Arbeitgebern zur gesetzlichen Krankenversicherung werden 2025 voraussichtlich deutlich steigen. Das geht aus Schätzungen des Bundesamts für Soziale Sicherung (BAS) hervor.

Viele gesetzlich Krankenversicherte müssen sich im kommenden Jahr auf spürbare Beitragserhöhungen einstellen. Experten des sogenannten Schätzerkreises haben errechnet, dass der durchschnittliche sogenannte Zusatzbeitrag im kommenden Jahr um 0,8 auf 2,5 Prozentpunkte angehoben werden muss, wie das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) in Bonn mitteilte. Die Nachrichtenplattform "Politico" hatte zuvor berichtet.

Der Schätzerkreis aus Vertretern des Bundesgesundheitsministeriums, der GKV und des Bundesamtes für Soziale Sicherung hatte bis zum Dienstagabend über die Finanzlage der Krankenkassen beraten.

Die Empfehlung des Schätzerkreises ist Grundlage für den durchschnittlichen Zusatzbeitrag, den Gesundheitsminister Karl Lauterbach bis Anfang November festlegen muss. Wie sehr der Beitragssatz dann wirklich steigt, entscheidet jede Krankenkasse für sich.

Droht ein neues Rekordhoch an Sozialabgaben?

Der Beitragssatz zur Krankenversicherung würde damit 2025 auf ein Rekordhoch steigen. Zusammen mit dem regulären Beitragssatz von 14,6 Prozent läge der Gesamtbeitrag dann bei 17,1 Prozent, die vom Bruttolohn abgeführt werden müssen.

Konkret geht es um den Anstieg des sogenannten Zusatzbeitrages. Alle gesetzlich Versicherten haben den festen Beitragssatz von 14,6 Prozent – zur Hälfte getragen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Darüber hinaus erheben die aktuell 95 gesetzlichen Kassen zur Kostendeckung einen Zusatzbeitrag, der ebenfalls je zur Hälfte von beiden Seiten gezahlt wird. Der Zusatzbeitrag ist unterschiedlich und liegt laut einer ständig aktualisierten GKV-Liste im Moment zwischen 0,7 und 3,28 Prozent. Eine Kasse ist darunter, die keinen Zusatzbeitrag erhebt. Der durchschnittlich von den Krankenkassen erhobene Zusatzbeitragssatz lag im August bei 1,78 Prozent, wie das Bundesgesundheitsministerium mitgeteilt hatte.

Zusammen mit den Beiträgen an Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung würden die Sozialabgaben dann von derzeit 40,9 Prozent auf 41,7 Prozent steigen. Kinderlose Beitragszahler entrichten in der Pflegeversicherung zudem zusätzlich 0,6 Prozentpunkte. Noch höher waren die Beitragssätze zuletzt 2006 mit 41,9 Prozent. Der Rekordwert wurde 2003 mit 42,0 Prozent erreicht.

Lauterbach: Reformen sollen Beitragssätze stabilisieren

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach teilte in einer ersten Reaktion mit: "Das deutsche Gesundheitswesen ist das teuerste in Europa, weil es in vielen Bereichen nicht effizient ist." Eine wesentliche Ursache für die steigenden Kassenbeiträge seien im Rekordtempo steigende Ausgaben für Krankenhäuser. Deswegen brauche es die Krankenhausreform. Diese soll am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden und die Finanzierung der Kliniken im Land auf eine neue Grundlage stellen. Die Prognose des Schätzerkreises zeige die Notwendigkeit der von der Bundesregierung eingeleiteten Strukturreformen, sagte Lauterbach.

Kassen warnen immer wieder vor Finanzlücke

Die Kassen hatten schon Anfang September gewarnt, dass ihre Ausgaben im ersten Halbjahr noch stärker gestiegen seien als im ersten Quartal. Das Defizit sei auf mehr als 2 Milliarden Euro angewachsen und werde im Gesamtjahr bis zu 4,5 Milliarden Euro erreichen.

Kritik ließ nicht lange auf sich warten

Verbände, Krankenkassen und die Opposition übten indes scharfe Kritik an den prognostizierten Erhöhungen: "Mit den anstehenden Beitragssatzerhöhungen wird die finanzielle Belastbarkeit der Versicherten und Arbeitgebenden zunehmend an ihre Grenzen gebracht", erklärte Doris Pfeiffer, die Vorstandsvorsitzende der GKV. Es sei unerklärlich, dass die Gesundheitspolitik tatenlos zuschaue.

Die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, erklärte, es könne nicht sein, dass gesetzlich Versicherte die Zeche zahlten und erneut Beitragssteigerungen genutzt würden, um Defizite auszugleichen. "Diese Praxis muss beendet und gesamtgesellschaftliche Aufgaben müssen aus Steuermitteln finanziert werden."

Vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hieß es, die Entwicklung sei auch Folge falscher politischer Entscheidungen.

Gesundheitsminister Lauterbach selbst wies Vorwürfe von CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge zurück. Dieser hatte kritisiert, dass Lauterbach wichtige Reformen ankündige, aber nichts weiter passiere. Ähnlich äußerte sich auch die AfD.

Was können Versicherte tun?

Versicherte sind angesichts steigender Beiträge nicht gänzlich machtlos, sondern können auf ihr Sonderkündigungsrecht zurückgreifen. Dieses greift, wenn eine Krankenkasse erstmalig einen Zusatzbeitrag erhebt oder diesen erhöht. Das Sonderkündigungsrecht gilt bis zum Endes des Monats, in dem der Zusatzbeitrag erhöht wird.

Ein Beispiel: Wird die Krankenkasse zum 1. Januar 2025 teurer, können Versicherte bis zum 31. Januar vom Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen. Die Krankenkasse muss ihrerseits bis 31. Dezember 2024 über die Anpassung informieren.

Karteireiter mit der Aufschrift Kassenwechsel
Erhöhen Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge haben Versicherte ein Sonderkündigungsrecht. Bildrechte: imago/Jens Schicke

Versicherte selbst müssen für die Sonderkündigung nur eine neue Krankenkasse wählen und sich dort anmelden. Die Kündigungs- und Wechselmodalitäten übernimmt dann die neue Versicherung. Zu beachten ist jedoch, dass eine Sonderkündigung nicht ein sofortiges Verlassen der bisherigen Krankenkasse bedeutet. Die zweimonatige Kündigungsfrist greift auch hier, weshalb die Anmeldung bei einer neuen Krankenkasse nicht mit einer sofortigen Mitgliedschaft dort gleichzusetzen ist.

Ein Wechsel der Krankenkasse ist zudem auch möglich, wenn eine Mitgliedschaft länger als zwölf Monate bestanden hat. Versicherte können grundsätzlich zu jeder gesetzlichen Krankenkasse wechseln, die für Versicherte im jeweiligen Bundesland geöffnet ist.

dpa,reuters (nvm/lik)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 16. Oktober 2024 | 15:00 Uhr

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