Welttag gegen Kinderarbeit UNICEF zu Kinderarbeit: Konsumentinnen können Druck auf Unternehmen ausüben
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12. Juni 2024, 09:28 Uhr
Zum Welttag gegen Kinderarbeit erklären UNICEF und die International Labour Organisation in Deutschland, dass das Ziel Kinderarbeit bis 2025 weltweit abzuschaffen, in aller Wahrscheinlichkeit nicht erreicht wird. Das EU-Lieferkettengesetz sei indes ein Schritt in die richtige Richtung, im Versuch Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen. Auch Konsumentinnen können dabei helfen.
- 70 Prozent der Kinderarbeit weltweit finden im Landwirtschaftssektor statt.
- Kinderarbeits-Produkte sind schwer zu erkennen, aber Verbraucher können durch kritischen Konsum Druck auf Unternehmen ausüben.
- Faire Löhne und Arbeitszeiten für Erwachsene bedeuten, dass Kinder nicht mitarbeiten müssen.
Kurz vor Ablauf der Frist zeichnet sich UNICEF Deutschland zufolge immer deutlicher ab, dass das Ziel zur Beendigung der weltweiten Kinderarbeit nicht mehr zu erreichen ist. Die Weltgemeinschaft hatte sich im Rahmen der "Agenda 2030" selbst das Ziel gesetzt, Kinderarbeit bis 2025 abzuschaffen.
Grund für das Verfehlen dieses Ziels ist nach einer Kurzanalyse der "International Labour Organisation" (ILO) Deutschland und "UNICEF Deutschland", dass der Klimawandel als Verstärker dazu beitrage, das Risiko für Kinderarbeit zu erhöhen.
"Der Klimawandel wird zu einem Treiber für Kinderarbeit aufgrund von Armut, wenn die Weltgemeinschaft nicht gegensteuert", sagte Dr. Annette Niederfranke, ILO Direktorin Deutschland. "Faire Transformation schließt Sozialschutz, Bildung und Ausbildung für Kinder ebenso ein wie menschenwürdige und auskömmliche Arbeit für Eltern."
Weltweit rund 160 Millionen Kinder von Kinderarbeit betroffen
Nach letzten Schätzungen von ILO und UNICEF aus 2021 sind weltweit rund 160 Millionen Kinder unter 18 Jahren von Kinderarbeit betroffen. Fast die Hälfte von ihnen, 79 Millionen, arbeiten demnach unter gefährlichen Bedingungen. Die Folgen der Covid-Pandemie, aktuelle Konflikte und klimabedingte Katastrophen, sind darin noch nicht berücksichtigt.
Der allergrößte Teil der Kinderarbeit, etwa 70 Prozent, findet in der Landwirtschaft statt, erklärt Ninja Charbonneau, Sprecherin bei Unicef Deutschland, im Gespräch mit MDR AKTUELL. "Es ist ein komplexes Problem, das neben der Landwirtschaft auch den Dienstleistungssektor und das verarbeitende Gewerbe betrifft."
In welchen Alltags-Produkten Kinderarbeit steckt
Doch wie geht man als Verbraucher damit um? Zunächst gilt es zu wissen, in welchen Alltags-Produkten Kinderarbeit stecken kann. Das bekannteste Beispiel ist wohl die Textilbranche, weil darüber auch immer wieder berichtet wird. Charbonneau erklärt, dass gerade dort in fast jedem Glied der Lieferkette Kinderarbeit stecken kann: "Das kann schon anfangen bei der Baumwollernte und dem Einfärben der Stoffe. Und es geht weiter beim Transport bis hin zum Nähen der Textilien."
Weitere Produkte seien Kakao, Kaffee und Tee, sagt Charbonneau. So waren in Ghana und der Elfenbeinküste, den führenden Anbauländern für Kakao, im Erntejahr 2019 etwa 1,56 Millionen Kinder auf den Plantagen beschäftigt.
Auch beim Abbau verschiedener Mineralien werde Kinderarbeit eingesetzt. "Mika, auch Glimmer genannt, wird in vielen Kosmetikprodukten aber auch in Autolacken verwendet. Andere Mineralien, die von Kindern abgebaut werden, brauchen wir für unsere Smartphones und Tablets," erklärt Charbonneau.
Was Verbraucher gegen Kinderarbeit tun können
"Das Problem ist, dass wir es einem Produkt nicht ansehen können, ob irgendwo in der langen Lieferkette Kinderarbeit zum Einsatz kommen ist", sagt Charbonneau. Dennoch könne man als Verbraucher zumindest versuchen, darauf zu achten und die Produkte, die man kaufe, kritisch hinterfragen. "Zum Beispiel mal auf der Webseite der Unternehmen schauen, welche Auskunft sie dazu geben, wie sie mit ihrer Sorgfaltspflicht in Bezug auf Menschenrechte und Kinderrechte umgehen."
Konsumentinnen hätten so durchaus die Möglichkeit, Druck auf die Unternehmen auszuüben, und dafür zu sorgen, dass die Einhaltung dieser Pflichten priorisiert werde, meint Charbonneau. Darüber hinaus könnten auch Faitrade-Siegel und ähnliches eine Orientierung bieten. "Solche Siegel sind aber keine 100-prozentige Garantie."
UNICEF Deutschland betont Verantwortung der Unternehmen bei Kinderarbeit
Die Einflussmöglichkeiten der Verbraucher sind also vorhanden, aber begrenzt. Charbonneau betont daher besonders die Verantwortung der Unternehmen: "Unternehmen können und sollten einen großen Beitrag dazu leisten, dass menschenrechtliche Standards eingehalten werden, einschließlich der 800 Kinderrechte."
Es geht immer darum, nicht nur die Symptome zu bekämpfen, sondern die Ursachen anzugehen.
Das deutsche Lieferkettengesetz und die anstehende Umsetzung der EU-Richtlinie zu Lieferketten sieht Unicef als Schritte in die richtige Richtung. Mittelfristig sollten jedoch auch kleine und mittlere Unternehmen dazu verpflichtet werden, dafür Sorge zu tragen, dass in ihren Lieferketten keine Kinderarbeit stattfinde.
"Es geht bei Kinderrechten nicht nur um ein Verbot von Kinderarbeit, sondern auch darum, dass Unternehmen insgesamt für ein kinder- und familienfreundliches Umfeld sorgen", erklärt Charbonneau. Das bedeute, faire Löhne und Arbeitszeiten für Erwachsene zu zahlen. Denn dann seien Familien nicht darauf angewiesen, dass auch die Kinder mitarbeiteten. "Es geht immer darum, nicht nur die Symptome zu bekämpfen, sondern die Ursachen anzugehen."
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 11. Juni 2024 | 08:00 Uhr