Lieferkettengesetz Unternehmer: "Wir können für unsere Zulieferer nicht die Hand ins Feuer legen"

18. April 2023, 05:00 Uhr

Der Elektronikdienstleister "IMM electronics GmbH" in Mittweida bezieht seine Komponenten aus ganz Europa. Die Hersteller sitzen jedoch zu 80 Prozent in Asien. Das neue deutsche Lieferkettengesetz soll garantieren, dass bei diesen Handelsbeziehungen keine Menschenrechte verletzt werden. Vor welche Schwierigkeiten ihn diese eingeforderten Garantien stellen, erklärt Geschäftsführer René In der Stroth im Gespräch mit MDR SACHSEN.

Herr In der Stroth, mit Ihren 125 Mitarbeitern fallen Sie nicht unter das neue Lieferkettengesetz. Trotzdem haben Sie Bedenken, warum?

René In der Stroth: Wir befürchten, dass wir als kleine Mittelständler zunehmend mit solchen Regularien belastet werden und wir für Lieferketten in Haftung genommen werden, für die wir per Gesetz nicht verantwortlich sind.

Große Unternehmen geben den Druck also an Sie weiter?

Ja, genauso ist das. Größere Kunden, die unter die gesetzliche Regel fallen, geben die Verantwortung weiter. Sie verlangen von uns den Nachweis, dass Menschenrechte und Umweltauflagen eingehalten werden. Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir die erforderlichen Informationen und Garantien abbilden können. Das kann uns in Haftungsprobleme bringen.

Warum?

Wir beschaffen auf europäischer Ebene elektronische Komponenten und Bauteile. Aber die ganzen Materialien werden zu 80 Prozent in Asien hergestellt. Für diese Herstellungsverfahren können wir nicht die Hand ins Feuer legen. Wir wissen weder, wie es dort genau läuft, noch können wir es beeinflussen. Noch dazu sind wir stark abhängig von den Herstellern in Asien und haben nicht viel Spielraum.

Was produziert die "IMM electronics GmbH"? Die IMM electronics GmbH ist ein Elektronikdienstleister (englisch: Electronics Engineering and Manufacturing Services, kurz E²MS) für die Entwicklung, die Konstruktion und Produktion von Elektronik. Dazu zählen produktionsnahe Forschungsanwendungen und Produktionsentwicklung. Das Mittweidaer Unternehmen entwickelt die Hard- und Software sowie die Konstruktion bis hin zur Muster- und Serienfertigung kompletter Baugruppen und Geräte.

Sie können also maximal garantieren, dass bei Ihrem Lieferanten alles stimmt. Sie können aber nicht für dessen Zulieferer einstehen?

Genau. Es ist ja tatsächlich unser Ziel, unsere Lieferanten in die Pflicht zu nehmen. Wir hören nur relativ oft: 'Das können wir nicht. Wendet euch bitte direkt an die Hersteller.' Doch einen Bauteilehersteller für Schaltkreise aus Asien mit solchen Sachen zu belasten, ist relativ aussichtslos.

Trotzdem müssen Sie handeln. Was tun Sie, um die Menschenrechte einzuhalten?

Wir beschäftigen uns im Rahmen des Material Compliance schon seit zwei Jahren mit dem Thema. Um die Einhaltung der umwelt- und völkerrechtlich relevanten Gesetze zu gewährleisten, haben wir intern eine neue Stelle geschaffen, die sich nur um die Lieferketten kümmert. Gleichzeitig erstellten wir Verhaltenskodexe, die wir auch an unsere Lieferanten weitergeben können.

Sie haben extra Personal eingestellt?

Ja. Bei uns kümmert sich jemand nur um die Dokumentationspflichten rund um die Zulieferer. Aktuell verbauen wir 20.000 aktive und passive Bauteile. Alle haben ihre Lieferkette. Diese ganzen Informationen auf die Vorprodukte herunterzubrechen, ist eine Riesenaufgabe, die nur mit zusätzlichen Ressourcen zu deckeln ist.

"Lieferkettengesetz" Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verpflichtet in Deutschland seit dem 1. Januar 2023 Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Nachweis der Einhaltung von Menschenrechten und auch ökologischer Sorgfalt innerhalb der eigenen Lieferketten. Wird dies nicht umgesetzt, drohen Bußgelder bis acht Millionen Euro oder bis zu zwei Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) mit dem neuen Standort im sächsischen Borna bei Leipzig überwacht die Einhaltung des Gesetzes.

Werden Ihre Produkte und Preise durch die Mehrkosten jetzt teurer?

Die Gemeinkosten für die Produkte steigen natürlich. Was das im Detail bedeutet, können wir noch nicht ganz abmessen. Das größere Problem sehen wir jedoch darin, Arbeitsbedingungen zu garantieren, die wir nicht gewährleisten und beeinflussen können. Wir werden durch die mittelbaren Auswirkungen des Gesetzes mit Garantien belegt werden, die wir nicht bestätigen können. Dazu haben wir schlichtweg zu wenige Informationen und bekommen diese auch nicht.

Versprechen wir trotz dieser Unsicherheiten Garantien, die wir eigentlich nicht geben können, machen wir uns haftbar. Wird der Kunde kontrolliert und belangt, gibt er den Schaden an uns weiter. Ich sehe das Risiko, dass wir dadurch in Europa und Deutschland Standortnachteile erhalten und Produktionen abwandern in Regionen, in denen solche Garantien nicht gefordert werden.

Sehen Sie die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes?

Ja, wir sehen schon auch die Notwendigkeiten. Deswegen beschäftigen wir uns ja schon seit längerer Zeit intensiv damit. Wenn wir das gut hinkriegen, kann das auch ein Wettbewerbsvorteil sein. Wir scheuen keine Mühen, um entsprechende Aussagen treffen zu können.

Was sind Ihre Wünsche an die Politik – auch im Hinblick auf das geplante europäische Lieferkettengesetz?

Mein Wunsch wäre, dass die gesetzlichen Regelungen nicht voneinander abweichen. Das sehen wir in anderen Bereichen, wo es um Schwermetalle und die chemische Zusammensetzung von Produkten geht. Dort gibt es teilweise sehr verschiedene Regularien mit ganz verschiedenen Grenzwerten. Wenn wir uns zu dem gleichen Sachverhalt mit verschiedenen Regeln auseinandersetzen müssen, bringt das einen immensen extra Aufwand.

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Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Dienstags direkt | 11. April 2023 | 20:00 Uhr

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