Infratest dimap Prognose, Hochrechnungen und Sitzprojektion bei der Europawahl 2024
Hauptinhalt
09. Juni 2024, 22:15 Uhr
Auch bei der Europawahl am 9. Juni wird die ARD mit Schließung der Wahllokale pünktlich um 18 Uhr eine Ergebnisprognose für Deutschland und danach Hochrechnungen und erste Analysen liefern. Doch es gibt Unterschiede etwa zur Bundestagswahl. Und wie das neue EU-Parlament genau aussieht, entscheidet sich erst später – die Kräfteverhältnisse werden zunächst projiziert.
Bei der Wahl zum neuen Europäischen Parlament liefern am 9. Juni Wahlforschungsinstitute mit Schließung der Wahllokale pünktlich um 18 Uhr eine Ergebnisprognose für Deutschland. Partner der ARD ist Infratest dimap. Damit die Prognose dem tatsächlichen Ergebnis möglichst nahe kommt, erstellen die Statistiker vor jeder Wahl ein neu angepasstes Modell.
Unterschiede der Europawahl zu Bundestags- oder Landtagswahlen
Bei der Europawahl gib es einige grundsätzliche Unterschiede zu Parlamentswahlen in Deutschland: Anders als etwa bei der Bundestagswahl mit Erst- und Zweitstimme geben Wählerinnen und Wähler nur eine Parteienstimme ab. Es darf ab 16 Jahren gewählt werden. Außerdem gibt es keine einheitliche Sperrklausel, wie die Fünf-Prozent-Hürde für den Bundestag und Landtage. Damit haben deutlich mehr Parteien die Möglichkeit, ins Europäische Parlament einzuziehen.
Wie Infratest dimap MDR AKTUELL mitteilte, ist Deutschland bei der Veröffentlichung des Endergebnisses an die Schließung der letzten Wahllokale in Europa gebunden. Da das erst um 23 Uhr MESZ der Fall sei, gebe es vorher kein vorläufiges Ergebnis. Dazu komme das unterschiedliche Auszählungstempo in den EU-Ländern und ihren Gemeinden.
Kein einheitliches Wahlsystem bei Europawahlen
Bei der Europawahl gelten die grundlegenden Prinzipien einer demokratischen Wahl: Sie muss allgemein, frei, direkt und geheim sein und in allen EU-Staaten nach der Verhältniswahl ablaufen. Die Länder gestalten weitere Regeln unterschiedlich aus. Das gilt insbesondere bei Sperrklauseln. Etwa der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten hat überhaupt keine Prozenthürde. In den restlichen Staaten gibt es unterschiedlich hohe Hürden zwischen 1,8 und 5 Prozent.
Das Europäische Parlament hat 2022 eine EU-Wahlrechtsreform vorgeschlagen mit einer verbindlichen Sperrklausel für alle größeren EU-Staaten. Die Hürde soll bei zwei bis 3,5 Prozent liegen und könnte frühestens bei der Wahl 2029 wiedereingeführt werden. Der Bundestag hat bereits mit Zwei-Drittel-Mehrheit zugestimmt. Kleinere Parteien müssen dann um ihre Mandate bangen und wollen die Sperrklausel verhindern. Ihr Hauptargument: Große Parteien erhielten dann Sitze zulasten der kleinen. Das widerspreche der demokratischen Vielfalt.
Nachwahlbefragungen in 45 Wahllokalen in Mitteldeutschland
Die Datenbasis für die Prognose um 18 Uhr in Deutschland liefern Nachwahlbefragungen (englischer Fachausdruck: exit poll). Für die Europawahl am 9. Juni 2024 bestimmte Infratest dimap diesmal 380 Wahllokale, um Wählerinnen und Wähler für Gesamtdeutschland möglichst repräsentativ abzubilden. Dort werden dann Menschen anonymisiert zu ihrer Wahlentscheidung befragt. 22 Wahllokale der Stichprobe liegen demnach in Sachsen, elf in Sachsen-Anhalt und zwölf in Thüringen.
In diesen ausgewählten Wahllokalen können die Teilnehmenden dann nach ihrer Stimmabgabe die Fragebögen von Infratest dimap ausfüllen und in blaue Extraboxen einwerfen. Die Wahlforscher rechnen bundesweit mit 40.000 bis 50.000 ausgefüllten Fragebögen. Daneben werden dem Institut zufolge bis zu 8.000 vertiefende Fragebögen ausgewertet, mit weiteren Angaben etwa zur Berufstätigkeit oder wirtschaftlichen Situation und für die Analyse zur Wählerwanderung.
Die Hochrechnungen und Analysen in Deutschland nach 18 Uhr berücksichtigen dann auch Zwischenstände der Auszählung im Laufe des Wahlabends. Infratest dimap hat dafür wieder zahlreiche Korrespondenten im Einsatz, die Zwischenergebnisse aus den Briefwahlbezirken an die Zentrale übermitteln. Auch diese Daten werden wieder gewichtet und nach dem entsprechenden Modell die Hochrechnungen erstellt.
Für jede Wahl wird ein spezielles Vorhersagemodell entwickelt
Wie Infratest dimap weiter mitteilte, werden die zufällig ausgewählten Stimmbezirke auf verschiedene Gegebenheiten überprüft (...), etwa auf "eine gute regionale Streuung" und ob "bei den letzten Wahlen eine gute Prognose erzielt" wurde. Das bedeute jedoch nicht, dass diese einzelnen Wahllokale die "Durchschnittswähler" abbildeten. Die Wahlbezirke ergänzten sich in Kombination mit allen anderen Wahlbezirken zu einem stellvertretenden Querschnitt – nach Alter, Geschlecht und Bildung sowie weiteren Kriterien.
Die Wahlforscher erläuterten zudem, dass die Befragungsmethodik bei Wahlen fortlaufend geprüft und an Entwicklungen und neue Umstände angepasst werde. Jede Wahl sei eine neue Herausforderung durch Unterschiede im Wahlrecht, neue Parteien, veränderte Wahlbeteiligungen und andere Faktoren. Das gilt demnach auch für den Trend zur Briefwahl, bei dem es regional große Unterschiede gibt. Die Briefwahlquote sei zuletzt noch durch den Pandemie-Faktor verstärkt worden. Infratest dimap zufolge werden alle diese Informationen in die mathematischen Modelle am Wahltag eingepreist.
Die Projektion am Wahlabend für das neue EU-Parlament
Das Europäische Parlament veröffentlicht am 9. Juni ab 18:00 Uhr MESZ erste Zahlen für die Länder, in denen die Wahllokale bereits geschlossen sind. Unter Verweis auf nationale Wahlergebnisse werden Hochrechnungen der nationalen Parteien und Fraktionen nach Prozentsatz und Sitzen veröffentlicht. Die Ergebnisse der Europawahl 2024 pro Mitgliedstaat sowie eine sogenannte Projektion der Zusammensetzung des Europäischen Parlaments werden ab 20:15 Uhr veröffentlicht. Dafür zuständig ist die beauftragte Agentur Verian.
Die fortlaufend aktualisierten Daten liefern zunächst eine Schätzung für die Machtverhältnisse im neuen EU-Parlament. Dazu nutzt Verian alle verfügbaren Daten und die offiziellen nationalen Zwischenergebnisse nach Schließung der Wahllokale. Verian teilt dann die nationalen Ergebnisse auf die derzeitig sieben Fraktionen des Europaparlaments auf und prognostiziert die Sitzverteilung.
Nationale Parteien, die derzeit weder im Europäischen Parlament vertreten sind noch offiziell einer europäischen politischen Partei oder Gruppierung angehören, werden ungeachtet ihrer Ausrichtung in der Kategorie "Sonstige" angezeigt. Die Sitzprojektion wird zu gleichen Teilen links und rechts im Plenarsaal aufgeteilt. Die genaue Zusammensetzung der Fraktionen entscheidet sich erst bei der konstituierenden Sitzung des neuen Europäischen Parlaments, die am 16. Juli 2024 geplant ist. Dann soll auch die neue Präsidentin oder der neue Präsident der EU-Kommission gewählt werden.
MDR AKTUELL (ans)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 09. Juni 2024 | 18:00 Uhr