Reaktionen auf Europawahl 2024 Haseloff: "Das ist ein ganz schlimmer Tag für Deutschland"
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10. Juni 2024, 13:57 Uhr
Die Union ist als klarer Sieger aus der Europwahl hervorgegangen, AfD-Chef Tino Chrupalla nennt das Ergebnis der Wahl "historisch", für die Ampel-Parteien war es dagegen ein bitterer Abend. Die Reaktionen der Parteien im Überblick.
Inhalt des Artikels:
- Söder fordert Neuwahlen des Bundestags
- AfD-Chef Tino Chrupalla: Wahlergebnis "historisch"
- SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert bezeichnete Europawahl-Ergebnis als "harte Niederlage"
- Bündnis 90/Die Grünen: Partei-Chefin Ricarda Lang enttäuscht vom Ergebnis der Europawahl
- Sahra Wagenknecht bezeichnet Ergebnis ihrer Partei als "grandios"
- FDP: Ergebnis von rund fünf Prozent eine "wirklich gute Nachricht"
Bei der Europawahl sehen sich CDU, AfD und BSW als klare Gewinner des Abends, während Grüne und SPD bereits angekündigt haben, Konsequenzen aus ihren herben Einbußen ziehen zu wollen.
Söder fordert Neuwahlen des Bundestags
CSU-Chef Markus Söder hat angesichts der starken Verluste der Ampel-Parteien bei der Europawahl eine vorgezogene Neuwahl des Bundestags gefordert. "Diese Regierung ist im Grunde genommen fertig. Und es muss jetzt ähnlich wie in Frankreich sein: Da hat es Neuwahlforderungen gegeben, da gibt es Neuwahlen durch Macron", sagte Söder am Montagmorgen dem Sender n-tv. Die Ampel habe kein Vertrauen mehr in der Bevölkerung.
Die Bundesregierung ist der Forderung nach Neuwahlen inzwischen entgegengetreten. "Der Wahltermin ist im Herbst nächsten Jahres regulär, und das planen wir auch so umzusetzen", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. Die Ampel-Koalition sei ein Projekt, das auf vier Jahre angelegt sei. Abgerechnet werde am Ende dieser vier Jahre, dann habe der Wähler wieder das Wort.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz bezeichnete den Wahlausgang als "Desaster" für die Ampel-Parteien. "Es braucht einen Politikwechsel in Deutschland", sagte Merz in Berlin. Die Ampel schade dem Land, etwa in der Wirtschafts- und Migrationspolitik. Es bedürfe einer Kurskorrektur. Bei der Runde der Parteivorsitzenden im Sender ntv sagte Merz zudem, er glaube nicht, dass AfD und BSW bei der Bundestagswahl so stark abschneiden werden wie bei der Europawahl: "Die Europawahl ist immer anfällig für eine Denkzettelwahl."
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte, Scholz müsste eigentlich die Vertrauensfrage stellen. Im ZDF erklärte er: "Das ist desaströs, was wir da erleben. Entweder die Ampel macht einen Kurswechsel oder sie muss den Weg freimachen für Neuwahlen."
Das ist ein ganz schlimmer Tag für Deutschland.
Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat mit Blick auf die Wahlerfolge der AfD in Ostdeutschland einen Kurswechsel der Ampel-Koalition sowie auch von seiner eigenen Partei gefordert. "Dieses Land braucht eine stabile Demokratie, aber das gelingt nur, wenn die Demokratie, wenn der Rechtsstaat wirklich die Probleme löst, dann werden wir es schaffen, auch den Populisten den Nährboden zu entziehen", sagte Kretschmer am Montag vor Sitzungen der CDU-Spitze mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff hat der Bundesregierung nach der Europawahl einen falschen Kurs vorgeworfen. "Die Ampel wurde abgestraft, weil sie die falschen Prioritäten setzt", sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Haseloff betonte weiter: "Dass nur noch die CDU im Osten der AfD Paroli bieten kann, ist eine Gefahr für die Demokratie. Dass die AfD zweitstärkste Partei in Deutschland zu werden scheint, ist ein Alarmsignal. Das ist ein ganz schlimmer Tag für Deutschland."
Der Vorsitzende der Thüringer CDU Mario Voigt bezeichnete das Wahlergebnis im Gespräch mit MDR AKTUELL als einen Denkzettel. "Das war ein echter Warnschuss gegen die Ampel, aber auch gegen die Bürokratie in Brüssel", so der CDU-Politiker.
Auch Unionspolitiker in Brüssel hochzufrieden
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte: "Wir sind begeistert von dem, was ihr vorgelegt habt. Stärkste Kraft, stabil in schwierigen Zeiten – und das mit Abstand." Sie dankte dem CDU-Vorsitzende Friedrich Merz für die Zusammenarbeit im Wahlkampf, ebenso CSU-Chef Markus Söder und dem Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber.
Der Spitzenkandidat der CSU bei der Europawahl, Manfred Weber, hat nach der Europawahl ein "bürgerliches Europa" angekündigt, mit Themen die den Christsozialen wichtig seien: Migration, Wohlstand und Wirtschaft sichern sowie auch den Frieden sichern. Die Christsozialen seien die Partei, die es schaffe, die Menschen in der Mitte zu halten. Darauf sei man stolz.
AfD-Chef Tino Chrupalla: Wahlergebnis "historisch"
AfD-Chef Tino Chrupalla hat das Ergebnis seiner Partei bei der Europawahl als "historisch" bezeichnet: "Wir haben ein Super-Ergebnis erzielt, und ich denke, das wird im Laufe des Abends auch noch weiter nach oben gehen. Also den zweiten Platz, den geben wir heute nicht mehr her." Die AfD holte der Prognose zufolge bei der Europawahl den zweiten Platz, mit deutlichen Zugewinnen gegenüber 2019. Auch AfD-Co Chefin Alice Weidel sprach von einem "Super-Ergebnis".
Chrupalla erwartet nach dem Ergebnis seiner Partei bei der Europawahl baldige Verhandlungen darüber, welcher Fraktion die AfD im Europa-Parlament angehören wird. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir einer Fraktion angehören werden", sagte er im ZDF. Die AfD habe eine beachtliche Größe und "dann wird man uns auch ein Stück weit brauchen." Die sogenannte ID-Fraktion, zu der die rechtsgerichtete französische Partei "Rassemblement National" von Marine Le Pen gehört, hatte die AfD zuletzt ausgeschlossen.
Auch Sachsens AfD-Landeschef Jörg Urban zeigte sich sehr zufrieden mit dem Abschneiden seiner Partei bei der Europawahl. "Wir sind deutschlandweit zweitstärkste Kraft geworden", sagte er am Sonntagabend. Darüber freue er sich außerordentlich.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert bezeichnete Europawahl-Ergebnis als "harte Niederlage"
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wiederum hat das Abschneiden seiner Partei bei der Europawahl als "ein ganz bitteres Wahlergebnis" bezeichnet. "Für uns ist das heute eine harte Niederlage", sagte Kühnert am Sonntagabend in der ARD. Zugleich sagte er, über die Person von Bundeskanzler Olaf Scholz gebe es keine Diskussion zu führen. Es wäre ein ganz schlechter Stil, das desaströse Abschneiden der SPD nun einer Person in die Schuhe zu schieben.
Auch die SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley und SPD-Co-Parteichefin Saskia Esken sprachen übereinstimmend von einem "bitteren Ergebnis". Die "bitterste Pille" an dem Wahltag sei das gute Abschneiden der AfD, sagte Esken.
Der sächsische Spitzenkandidat Matthias Ecke sagte nach den ersten Hochrechnungen: "Mit dem Ergebnis für meine SPD kann ich nicht zufrieden sein." Die SPD lag bundesweit mit 14 Prozent hinter CDU/CSU und der AfD. Ecke war im Wahlkampf in Dresden überfallen und krankenhausreif geschlagen worden.
Sachsen-Anhalts SPD hat die Bundespartei angesichts der Verluste der Ampel-Koalition bei den Europawahlen aufgefordert, den Führungsstil zu ändern. Co-Vorsitzender Andreas Schmidt sagte MDR AKTUELL, das Außenbild der Bundesregierung sei verheerend.
Bündnis 90/Die Grünen: Partei-Chefin Ricarda Lang enttäuscht vom Ergebnis der Europawahl
Enttäuscht hat die Grünen-Vorsitzende, Ricarda Lang, auf die Stimmenverluste ihrer Partei bei der Europawahl reagiert. "Das ist nicht der Anspruch, mit dem wir in diese Wahl gegangen sind, und wir werden das gemeinsam aufarbeiten", sagte die Co-Parteichefin am Sonntagabend in der ARD. Nach den Prognosen von ARD und ZDF erzielten die Grünen 12 bis 12,5 Prozent. Bei der Wahl vor fünf Jahren hatten sie mit 20,5 Prozent ihr bislang bestes Ergebnis bei einer Europawahl erreicht.
Die Situation sei heute ganz anders als bei der zurückliegenden Europawahl 2019, erklärte Lang. Die Menschen seien verunsichert. Die Frage von Krieg und Frieden sei für die Wählerinnen enorm wichtig gewesen diesmal. Eine Kursänderung im Hinblick auf Ukraine-Krieg sei von ihrer Partei jetzt nicht zu erwarten, sagte Lang, denn wenn der russische Präsident Wladimir Putin diesen Krieg gewinnen würde, wäre die Zukunft auch in Deutschland weniger friedlich.
Die deutsche und europaweite Spitzenkandidatin der Grünen, Terry Reintke, erhob trotz der hohen Verluste für ihre Partei den Anspruch, Teil einer künftigen Mehrheit im neugewählten Europaparlament zu werden. "Wir sind bereit für proeuropäische demokratische Mehrheiten", sagt Reintke bei der Wahlparty der Grünen in Berlin. "Und dafür gilt es jetzt in den nächsten Tagen und Wochen zu kämpfen."
Sahra Wagenknecht bezeichnet Ergebnis ihrer Partei als "grandios"
Sahra Wagenknecht hat das Abschneiden ihrer BSW-Partei als grandioses Ergebnis bezeichnet. Dass eine neue Partei so schnell aus dem Stand heraus bei einer bundesweiten Wahl auf mehr als fünf Prozent der Stimmen komme, habe es so wohl noch nicht gegeben, sagte sie in der ARD. Sie kritisierte die "unkontrollierte Migration" in Deutschland, die etwa den Wohnungsmarkt überfordere. "Es sind vor allem die Ärmeren, die darunterleiden", sagte sie. "Rechts ist das nicht", fügte Wagenknecht hinzu.
Linke will über Konsequenzen beraten
Die Linke will nach dem Absturz bei der Europawahl in den nächsten Monaten über Konsequenzen beraten. Parteichef und Spitzenkandidat Martin Schirdewan sagte, es sei der Linken nicht gelungen, mit ihren Themen durchzudringen, obwohl diese an den Alltagssorgen der Menschen angedockt seien – Löhne, Mieten, die Preisentwicklung, die Umverteilung von Oben nach Unten, sozialer Klimaschutz und Friedenspolitik. Man habe sich gegen den Rechtsruck und gegen die Beharrungskräfte der anderen Parteien nicht durchsetzen können. "Wir werden sehr, sehr gründlich uns die Fragen stellen, die wir als Partei zu beantworten haben", sagte Schirdewan. Das betreffe sowohl die Organisationskraft, als auch die programmatische Ausrichtung. Antworten werde man nach dem Parteitag im Oktober geben.
FDP: Ergebnis von rund fünf Prozent eine "wirklich gute Nachricht"
Die EU-Spitzenkandidatin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hat sich zufrieden mit dem Ergebnis für ihre Partei gezeigt. "Wir haben ein Ergebnis gehalten im Vergleich zu vor fünf Jahren", sagte sie am Sonntag vor FDP-Anhängern in Berlin. Das sei "eine große Freude". Das Ergebnis von rund fünf Prozent sei eine "wirklich gute Nachricht". Strack-Zimmermann sprach von einer "Teamleistung". Nach den ersten Hochrechnungen von ARD und ZDF landete die FDP bei den Europawahlen in Deutschland bei 4,8 bis 4,9 Prozent.
FDP-Chef Christian Lindner stellt Bedingungen für eine Unterstützung seiner Partei von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für eine zweite Amtszeit. Er könne sich das nur vorstellen, wenn die CDU-Politikerin von der Leyen in der EU nicht ihr Programm der vergangenen Jahre fortsetze, sondern sich das Programm ihrer Partei zu eigen mache, sagt Lindner in einer Diskussionsrunde der Parteichefs bei n-tv. Dazu gehöre, dass es keine Gemeinschaftsschulden der Europäischen Union und auch kein generelles Verbot von Verbrennermotoren geben dürfe.
dpa (ewi)
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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 09. Juni 2024 | 19:30 Uhr