Ein Mann sitzt krank auf einem Sofa und telefoniert mit einem Smartphone (gestellte Szene). 4 min
Audio: Die Bundesärztekammer hat die Teilkrankschreibung nach skandinavischem Vorbild vorgeschlagen. Doch der Hausärzteverband ist dagegen. Er sieht Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung. Bildrechte: picture alliance / dpa-tmn | Christin Klose

Gesundheit & Beruf Hausärzte und DGB gegen Teilzeitkrankschreibung

03. November 2024, 18:06 Uhr

Corona, Grippe, Rhinoviren: Derzeit liegen ungewöhnlich viele Menschen krank im Bett. Zudem herrscht in der Wirtschaft Personalmangel. Die Bundesärztekammer hat nun eine Idee ins Spiel gebracht, die in skandinavischen Ländern schon umgesetzt wird: die Teilkrankschreibung. Wer ein paar Stunden täglich arbeiten kann und will, der soll das auch tun. Neu ist die Idee in Deutschland jedoch nicht.

Sicher kennen Sie das: Sie sitzen in der Praxis, mit Husten und Schnupfen. Eine Ärztin fragt nach Ihren Symptomen, schaut in Ihren Rachen und diagnostiziert eine Erkältung. Soweit, so normal. Nun aber schreibt Sie die Ärztin nicht etwa für ein paar Tage krank, nein, sie schreibt Sie zum Teil krank – trotz Krankheit sollen sie täglich ein paar Stunden arbeiten.

Eine schwierige Situation, kritisiert Vincent Jörres vom Hausärztinnen- und Hausärzteverband. Denn die richtige Entscheidung könne die Ärztin ja nur treffen, wenn sie Sie sehr gut kenne, wenn sie wisse, was sie Ihnen zutrauen kann und wie Sie arbeiten. "Es stellt sich die Frage, wie das praktisch in den Praxen funktionieren soll. Also in manchen Jobs ist Homeoffice eine Option, in anderen ist das nicht der Fall. Manche haben die Möglichkeit, in Ruhe zu Hause zu arbeiten, in anderen ist es nicht so."

Hausärzteverband lehnt Idee der Teilkrankschreibung ab

Das hieße, statt aus medizinischer Sicht zu beurteilen, ob die Patientin oder der Patient arbeitsfähig sei oder nicht, erklärt Jörres, müssten die Ärzte jedes Mal erörtern, welche Art der Krankschreibung bei welchem Patienten unter welchen Umständen angemessen sein könnte. Das könne nicht Aufgabe der Ärzte sein.

Der Hausärzteverband lehnt die Idee der Teilkrankschreibung als nicht sinnvoll und nicht praktikabel ab. Ebenso die Gewerkschaften. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel bezeichnet den Vorschlag sogar als absurd. "Wer krank ist oder arbeitsunfähig ist, der soll sich vollständig auskurieren. Ansonsten steigt für ihn das Risiko, ernsthaft zu erkranken." Es gebe bereits heute viel zu viele Beschäftigte, die krank zur Arbeit gingen oder im Homeoffice krank arbeiteten.

Damit setzt man die Gesundheit der anderen Kolleginnen und Kollegen aufs Spiel.

Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied.

Teilzeitkrankschreibung hat Vorteile für Arbeitgeber

In Schweden ist es schon lange möglich, zum Teil krank geschrieben zu werden. Ein Arbeitnehmer muss dort, wenn ein Arzt ihm das zutraut, täglich zwei, vier oder sechs Stunden arbeiten. Vorausgesetzt, der Arbeitgeber macht mit. Für Arbeitgeber hat das Modell einen doppelten Vorteil. Erstens finanziell, denn die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall übernimmt dann die Krankenkasse.

Zweitens personell in Zeiten von Krankheitswellen. Hans-Jürgen Völz vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft rechnet vor: "Der Krankenstand hat derzeit eine Rekordhöhe erreicht. Alljährlich sind das 900.000 Arbeitsunfähigkeitstage. Und wenn es gelingen würde, davon nur zehn Prozent in Teilzeitkrankschreibungen zu wandeln, dann hätten wir 45 Mio. Arbeitstage gewonnen."

Teilzeitkrankschreibung in Schweden für langfristige Erkrankungen

Es fragt sich nur, ob das schwedische Modell übertragbar ist. Denn während in der Bundesrepublik Arbeitgeber auf weniger Ausfälle durch Erkältungen hoffen, geht es in Schweden eher um langfristige Erkrankungen, wie Krebs oder Depressionen.

Betroffene sollen durch Teilkrankschreibungen schneller und besser ins Berufsleben zurückgeholt werden, erklärt Martin Albrecht vom Forschungsinstitut IGES. "Es ist so, dass es in allen skandinavischen Ländern gute Erfahrungen mit Teilkrankschreibungen gibt. Schweden sticht heraus."

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Die Vorteile seien durch Studien relativ gut belegt: Dass es zum einen eine schnellere Rückkehr in den Beruf, dann eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine vollständige Rückkehr in den Beruf und damit weniger Frühverrentungen und teilweise auch weniger Fälle von langfristiger Arbeitsunfähigkeit gebe, erklärt Albrecht. Das IGES Institut hatte schon 2018 für das Bundesgesundheitsministerium ein Gutachten über Teilkrankschreibungen angefertig. Neu ist die Idee in Deutschland also nicht. Alle paar Jahre wird sie diskutiert. Bislang ohne Ergebnis. 

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 03. November 2024 | 08:08 Uhr

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