Ein Mann hält ein Taschentuch in einer Hand und ein Telefon mit dem Schriftzug «Arzt» in der Anderen. 4 min
Audio: Ärzte warnen vor höher Belastung für Praxen, sollte die elektronische Krankschreibung wegfallen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hannes P Albert

Hoher Krankenstand Mögliches Aus für telefonische Krankschreibung: Ärzte warnen vor Belastung der Praxen

29. Oktober 2024, 12:34 Uhr

In der Coronavirus-Pandemie wurde die telefonische Krankschreibung eingeführt und später fest verankert. Wer nur leichte Symptome hat, kann sich bis zu fünf Tage krankschreiben lassen, ohne zum Arzt zu müssen. Die Arbeitgeber machen das für hohe Krankenstände verantwortlich und fordern jetzt, die Regelung wieder abzuschaffen. Doch Hausärzte sind dagegen.

Für den Hausärzteverband liegen die Vorteile der telefonischen Krankschreibung auf der Hand. Patienten könnten sich den anstrengenden Weg zum Arzt sparen. Für die Praxen sei es eine große Entlastung.

Das bestätigt auch Rainer Arnold, der als Hausarzt im sächsischen Beucha arbeitet. Er sagt, dass er bisher sehr gute Erfahrungen mit der telefonischen Krankschreibung gemacht habe. "Insofern kann ich die Bestrebungen, das abzuschaffen, aus unserer Sicht, aus organisatorischen und ablauftechnischen Gründen, nicht nachvollziehen und würde es sehr bedauern."

Vor allem junge Menschen lassen sich telefonisch krankschreiben

Laut einer YouGov-Umfrage vom Juli hat bisher etwa jeder Vierte die telefonische Krankschreibung genutzt – vor allem junge Menschen. Etwa acht Prozent aller Befragten gaben an, sich per Telefon eine Krankschreibung geholt zu haben, obwohl sie gar nicht krank waren.

"Es muss aber die Option bestehen, wenn ich am Telefon merke, dass ich als Arzt doch Zweifel an der Echtheit des Krankschreibungsbegehrens hege, doch kurzfristig auch einen persönlichen Termin auszumachen", erklärt Arnold. "Das können wir für uns sagen: Das können wir. Insofern sehe ich da keine Probleme mit der telefonischen Krankschreibung."

Hausarzt: Abschaffung der telefonischen Krankschreibung würde Praxisalltag belasten

Sollte die Maßnahme tatsächlich wieder abgeschafft werden, würde die Belastung für ihn und seine Kollegen deutlich steigen, befürchtet Arnold. "Obwohl wir so eine große Praxis haben, mit insgesamt vier Ärzten, mit großen Räumlichkeiten, würde uns das in enorme organisatorische Probleme bringen, jeden Patienten, der bei einer Bagatellerkrankung ein, zwei oder drei Tage Krankschreibung braucht, persönlich hier zu sehen."

Dass das wieder die Regel wird, fordert unter anderem die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Denn der Krankenstand in Deutschland liegt auf einem Rekordniveau. Die Arbeitgeber habe das im vergangenen Jahr knapp 77 Milliarden Euro gekostet – so viel wie nie zuvor. Der Arbeitgeberverband macht dafür auch die telefonische Krankschreibung verantwortlich.

Der Hausärzteverband ist anderer Meinung und sieht den Hauptgrund für die gestiegenen Zahlen in der besseren Datenerfassung durch den elektronischen Krankenschein, der 2023 eingeführt wurde.

Gesundheitsökonom sieht andere Gründe für hohen Krankenstand

Der Gesundheitsökonom David Matusiewicz sieht noch weitere Gründe für den hohen Krankenstand. Er sieht einerseits eine immer älter werdende Bevölkerung und den Fachkräftemangel sowie andererseits eine höhere Last auf diejenigen, die noch bei der Arbeit seien. "Die höhere Awareness nach Corona, mehr auf sich zu achten und wenn man krank ist, zu Hause zu bleiben, hat sicherlich auch noch etwas dazu beigetragen", so Matusiewicz.

Er bezeichnet eine mögliche Abschaffung der telefonischen Krankschreibung als "Rückschritt".

Finanzminister Lindner will Abschaffung prüfen

Aktuell wird die Maßnahme von der Bundesregierung überprüft. Finanzminister Christian Lindner gilt als Gegner der telefonischen Krankschreibung. Er hatte bereits Mitte September angekündigt: "Man wird für die Krankmeldung künftig wieder zum Arzt gehen müssen und das nicht einfach telefonisch erledigen können."

Dass die telefonische Krankschreibung tatsächlich abgeschafft wird, gilt aber als unwahrscheinlich. Denn bisher setzt sich nur Lindners FDP dafür ein.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 29. Oktober 2024 | 06:12 Uhr

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