Gesundheit Gemischte Reaktionen auf geschlechterneutrale Sprache bei Arzneimitteln
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28. Dezember 2022, 05:00 Uhr
Hustensaft, Fiebersaft, Schmerztabletten - am Ende jeder Werbung fällt ein Satz, um den es jetzt Diskussionen gibt: "Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker". Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte gefordert, den Satz umzuformulieren, und zwar geschlechterneutral. Er sagte der Bild-Zeitung, er wäre sehr dafür, wenn Ärztinnen ausdrücklich in der Werbung genannt würden. Seine Forderung rief gemischte Reaktionen hervor.
- Deutscher Ärztinnenbund kämpft bereits seit zwei Jahren für eine Änderung des Werbesatzes.
- Über die Hälfte der medizinischen Beschäftigten sind Frauen - Apotheken haben aber zur Zeit andere Sorgen.
- Die Formulierung ist zudem gesetzlich festgeschrieben, lässt sich aber ändern, solange die Verständlichkeit darunter nicht leidet.
"Doppelte Pflanzenkraft bei Magen-Darm-Beschwerden. Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker." Ein bekannter Satz, der sich jetzt ändern soll. Zumindest, wenn es nach Christiane Groß geht. Sie ist Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes und weiß zwar nicht, warum das Thema ausgerechnet jetzt hochkocht. Aber sie kämpft für eine Änderung - und das schon seit zwei Jahren, sagt Groß:
"Wir arbeiten bei Worten auch gerne mit Bildern im Kopf. Und Sie dürfen selber mal probieren, wen Sie sehen, wenn Sie "Arzt" sagen: Sie sehen meistens einen Mann. Bei „Apotheker“ sehen Sie ebenfalls einen Apotheker. Wenn Sie aber schauen, wie die Verteilung von Männern und Frauen im Gesundheitswesen ist, sollte man überlegen, ob dieser Spruch einfach noch aktuell ist."
Trotz Anstieg des Frauenanteils: Apotheken haben gerade andere Sorgen
Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zeigen: Seit Jahren steigt der Anteil an Ärztinnen und Psychotherapeutinnen kontinuierlich an – im vergangenen Jahr lag er bei 49,9 Prozent, also ziemlich genau die Hälfte. In den Apotheken ist der Schnitt höher – laut Statistik-Portal Statista sind mehr als 70 Prozent Frauen. Grit Enke-Schwarze ist eine davon: Ihr gehört die Bärenapotheke in Sangerhausen in Sachsen-Anhalt. Die Debatte um den Satz "Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" findet sie aktuell unwichtig.
"Wir haben im Moment ehrlich gesagt dringlichere Probleme an der Basis als die korrekte Gendersprache. Mag sein, dass es irgendwann mal in die Debatte reingehört – aber im Moment brennt bei mir eher, dass ich sage: Ich habe akute Lieferengpässe, ich habe ein enormes Arbeitspensum, einfach damit ich die Bevölkerung mit Arzneimitteln versorgen kann. Und das ist im Moment für mich wichtiger."
Umformulierung zur Zeit nicht möglich, aber auf lange Sicht machbar
Direkt rütteln kann man an dem Satz aber eh noch nicht – weil die Formulierung gesetzlich festgeschrieben ist. So steht im Heilmittelwerbegesetz, dass der Satz gut lesbar und abgegrenzt von Werbeaussagen stehen muss. Im Fernsehen muss er dazu noch vorgelesen werden. Reinhard Groß ist stellvertretender Vorsitzender des Sächsischen Apothekerverbandes, er hält eine andere Formulierung für machbar.
"Apotheken werden von Frauen geleitet und da werden Sie ernsthaft in Sachsen niemanden finden, der sich da gegen Gleichberechtigung aussprechen würde und wenn man das über eine andere Sprache, Sprachregelegung besser hinkriegt, dann soll es so sein. Was vielleicht für mich noch wichtig wäre, dass die Beipackzettel und die Verständlichkeit darunter nicht leiden."
Dafür hat der Deutsche Ärztinnenbund einen Vorschlag: "Fragen Sie in Ihrer ärztlichen Praxis oder in Ihrer Apotheke."
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 28. Dezember 2022 | 06:00 Uhr