Bilanz 2024 Veranstaltungsbranche leidet unter Corona-Spätfolgen und Inflation
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25. Dezember 2024, 08:07 Uhr
Die Corona-Krise hat die Veranstaltungsbranche schwer getroffen – und die Spätfolgen machen ihr weiter zu schaffen. Da jetzt noch gestiegene Kosten durch die Inflation dazukommen, kämpfen viele Clubs ums Überleben. Ein Blick auf die Lage in Mitteldeutschland.
- Viele Clubs müssen wegen Gästeschwund und höherer Ausgaben für Bands ihre Preise erhöhen.
- Die Liveinitiative Sachsen sieht viele Clubs in ihrer Existenz bedroht.
- Bekannte Spielstätten wie das IfZ Leipzig und Erfurter Spiegelzelt mussten schließen.
- Leidtragende sind neben der Clubkultur auch Nachwuchsbands und -künstler.
Das Werk 2 ist einer der bekanntesten Veranstaltungsorte in Leipzig. Nur an wenigen Tagen im Jahr werden die Hallen der ehemaligen Gasmesserfabrik im Stadtteil Connewitz nicht für Konzerte, Lesungen oder andere Veranstaltungen genutzt.
Und obwohl der Kalender weiterhin gut bestückt ist, macht sich der Vorstandsvorsitzende des Werk 2, Jürgen Ackermann Sorgen: "Das Weggehverhalten von Menschen hat sich ganz stark geändert. Vorverkäufe sind teilweise unberechenbar. Im Augenblick kämpft man einfach zuschauertechnisch noch mit den Corona-Nachwirkungen – definitiv."
Weniger Gäste und höhere Kosten lassen Preise für Tickets steigen
Im Vergleich zur Zeit vor Corona hat das Werk 2 aktuell im Schnitt 25 Prozent weniger Gäste, berichtet Ackermann. Gleichzeitig sind in der Branche die Kosten aber um etwa 30 Prozent gestiegen – zum Beispiel durch Inflation, gestiegene Nebenkosten und den höheren Mindestlohn. Das fange bei den Kosten an, die eine Band habe, für ihre Leute zum Auf- und Abbau. "Da sind die Personalkosten gestiegen. Die haben höhere Kosten für ihre eigenen Licht- und Tontechniker, die sie mitbringen. Die haben höhere Kosten für den Bus, den sie anmieten. Hotelkosten sind gestiegen. Man kann eigentlich fast alles nehmen. An jeder Kostenschraube ist gedreht worden und das schlägt total durch."
Das Werk 2 habe deshalb auch die Preise für Eintritt und Getränke anheben müssen, sagt Ackermann. Man sei stärker auf Fördermittel angewiesen. Schon jetzt werden etwa 20 Prozent der Ausgaben durch öffentliche Gelder beglichen.
Liveinitiative: Vielen Spielstätten droht Konkurs
So wie dem Werk 2 geht es gerade fast der kompletten Branche, wie Felix Buchta von der Liveinitiative Sachsen erklärt. Die Livespielstätten steckten in der größten Krise jemals. Viele seien am Rande des Konkurses. Buchta belegt das mit Zahlen: "Laut der letzten Umfrage der Livemusik-Kommission, also dem Bundesverband der Livemusikspielstätten in Deutschland, benötigen nächstes Jahr über die Hälfte der befragten Spielstätten staatliche Förderung, um überhaupt noch wirtschaften zu können."
Mehr als die Hälfte der Livespielstätten benötigen staatliche Förderung.
Bekannte Clubs mussten schon schließen
2024 hat es bereits prominente Spielstätten in Mitteldeutschland getroffen. Der Leipziger Techno-Club IfZ (Institut für Zukunft) hat seine Schließung bekanntgegeben. In Weimar musste das Spiegelzelt nach 20 Jahren seinen Betrieb einstellen. Die Gründe auch dort: weniger Publikum und gestiegene Kosten. Veranstalter Martin Kranz ist die Entscheidung nicht leichtgefallen: "Ich habe mir viel Mühe gemacht. Ich habe ein halbes Jahr gesessen, gerechnet, gearbeitet und mit potenziellen Partnern gesprochen. Es war einfach nicht möglich. Das Spiegelzelt endet mit dem Jahr 2024."
Die Leidtragenden: Kleine Veranstalter und Nachwuchsmusiker
Die Veranstaltungsbranche wird aus Sicht von Martin Kranz deutlich schrumpfen. Er befürchtet, dass vor allem außerhalb der Großstädte das Kulturangebot zurückgeht und es für kleine Künstler schwieriger wird, Auftrittsmöglichkeiten zu finden. Auch Felix Buchta von der Liveinitiative sorgt sich um die kleinen Künstler und Spielstätten. "Wenn nur noch große Buden übrig bleiben, große Konzertveranstalter, dann wird man irgendwann derart Clubkultur, derart nischige Musik und Nachwuchstalente auf kleinen Bühnen nicht mehr genießen können. Das wird das gesamte Ökosystem der Livemusik-Kultur ins Wanken bringen. Wo nichts mehr nachrückt, leidet die Diversität der Musik, leidet die Innovation."
Das wird das gesamte Ökosystem der Livemusik-Kultur ins Wanken bringen. Wo nichts mehr nachrückt, leidet die Diversität der Musik, leidet die Innovation.
Kranz warnt: Noch sei Sachsen das Flächenland mit der höchsten Dichte an Clubs, "aber wer weiß wie lange noch". Das befürchtet auch Jürgen Ackermann. In seinem geliebten Werk 2 in Leipzig, für das er sich bereits seit 17 Jahren engagiert, werden so schnell aber nicht die Lichter ausgehen – da ist er sich sicher. "Man darf den Optimismus nicht verlieren. Es fällt manchmal schwer. Man hat das Gefühl, dass eine Hiobsbotschaft die andere jagt, aber aufgeben ist nicht!"
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 25. Dezember 2024 | 06:12 Uhr