Krankheitswellen Lauterbach will mit Produktionserhöhung Engpässe bei Kinderarzneien verhindern

14. September 2023, 18:49 Uhr

Mit einer erhöhten Produktion und mehr Befugnissen für Apotheken will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Engpässe bei Kinderarzneien vermeiden. Außerdem warnt er vor Hamsterkäufen. Die betroffenen Verbände begrüßten die Initiative, forderten aber weitergehende Maßnahmen. Die Opposition äußerte teils scharfe Kritik.

Mit einer erhöhten Produktion und mehr Befugnissen für Apotheken will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Engpässe bei Kinderarzneien vermeiden. "Wir werden in diesem Herbst und Winter alles tun, um sicherzustellen, dass Kinder die benötigten Arzneimittel bekommen", sagte er am Donnerstag Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern von Apotheken, Ärzten und Pharmabranche in Berlin.

Die Produktion soll bis zum technischen Limit erhöht werden. Zwar könnten weitere Engpässe nicht komplett ausgeschlossen werden, sagte Lauterbach nach dem Gespräch, aber "wir sind deutlich besser aufgestellt als im letzten Jahr". Dies liege an der Bereitschaft der Pharmaindustrie, mehr zu produzieren, betonte der Minister.

Die Herstellung von Schmerzmitteln, Antibiotika und Fiebersäften habe im Vergleich zum letzten Winter um teilweise bis zu hundert Prozent gesteigert werden können, sagte er. "Wir sind an der technischen Obergrenze dessen, was leistbar ist", sagte Lauterbach.

Warnung vor Hamsterkäufen

Außerdem rief der SPD-Politiker zu Solidarität beim Kauf von Kindermedikamenten auf: "Bitte keine Hamsterkäufe". Dies sei "das Gebot der Stunde". Ein kleiner Hausvorrat an Arzneimitteln sei sinnvoll, das Horten hingegen nicht.

Neben der Produktionserhöhung kündigte Lauterbach als weiteren Schritt zur Entspannung der Versorgungslage mehr Befugnisse für die Apotheken an. "Wir geben sehr viel Verantwortung in die Hände der Apothekerinnen und Apotheker", sagte er. Diese könnten nun selbstständig die Darreichungsformen der Medikamente verändern und Produkte selbst herstellen – ohne Befragung der Ärzte und ohne neues Rezept.

Lauterbach gab zudem die Gründung einer "High-Level-Gruppe" in seinem Ministerium bekannt. Das mit Vertreterinnen und Vertretern der Ärzte- und Apothekerschaft sowie von Pharmaunternehmen besetzte Gremium solle sich wöchentlich austauschen und einen Lagebericht zur Versorgung mit Kinderarzneien erstellen.

Verbände fordern weitere Maßnahmen

Bei einem normalen Infektionsgeschehen sollten die Hersteller in den kommenden Monaten genug Ware haben, sagte der Vorstandsvorsitzende des Arzneimittelverbands Pro Generika, Andreas Burkhardt, nach dem Treffen. Es gebe jedoch immer noch nur sehr wenige Hersteller, die die Produktion der Kinderarzneimittel stemmen müssten. "Am Grundproblem ändern sie nichts", ergänzte Burkhardt. Er forderte deshalb die Politik auf, die Strukturen zu ändern und im Dialog mit der Pharmabranche zu bleiben.

Die betroffenen Verbände begrüßten die Initiative, forderten aber weitergehende Maßnahmen. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Jörg Dötsch, sprach von einer "günstigeren Ausgangssituation" im Vergleich zum letzten Jahr. Es seien jedoch weitere Maßnahmen notwendig, um die dauerhafte Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Medikamenten sicherzustellen.

Kritik von der Opposition

Die Opposition äußerte teils scharfe Kritik. Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU) sagte der "Rheinischen Post", Lauterbach steuere "mit einem Schlingerkurs auf einen Herbst zu, der abermals von Lieferproblemen geprägt sein wird". Statt sich auf fragile Lieferketten aus Indien und Asien zu verlassen, würden mehr Produktionsstätten in der EU und in Deutschland gebraucht. 

Die Linke nannte das Treffen das "Ergebnis eines Lauterbach'schen Panikschubs". Die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, Kathrin Vogler, erklärte: "Statt jeden Herbst in einen neuen Notfallmodus zu geraten, brauchen wir endlich eine nachhaltige und sichere Arzneimittelversorgung." Dazu gehöre eine Rückverlagerung der Produktion.

Im vergangenen Winter waren nach einer Infektwelle Lieferprobleme etwa bei Fieber- und Hustensäften für Kinder eskaliert. Um den Nachschub abzusichern, war im Juli ein Anti-Engpass-Gesetz in Kraft getreten. Es werde aber dauern, bis das Gesetz seine volle Wirkung entfaltet, teilte der gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Andrew Ulman, nun mit.

dpa, AFP (jst)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 14. September 2023 | 06:39 Uhr

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