Modell eines Waldelefanten im Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (Landesmuseum für Vorgeschichte) in Halle
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Ökosystemforschung Europas Waldelefant könnte noch heute bei uns leben – und der Elch kann es

27. April 2025, 14:00 Uhr

Es ist erst gut hunderttausend Jahre her, da stapften noch zehn Tonnen schwere Europäische Waldelefanten durch das heutige Mitteldeutschland. Und sie könnten es auch heute wieder – zumindest das Klima würde passen, haben Forscher herausgefunden.

Gerald Perschke, MDR WISSEN
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Wenn Sie auf der Suche nach Waldelefanten sind, müssen Sie nur in Halle in die S-Bahn nach Querfurt steigen. Im Stundentakt fährt die noch ganz frische Linie S11 auf der Strecke. Steigen Sie in Pfännerhall aus und gehen Sie in die Zentralwerkstatt. Schon steht er vor Ihnen, der Zehntonner mit seinen typischen geraden Stoßzähnen, der dort 1985 im Revier Neumark ausgegraben wurde: der Waldelefant vom Geiseltalsee. Könnte er auch heute noch in Sachsen-Anhalt herumlaufen? Forscher aus Bayreuth haben nachgeschaut und sagen: Ja.

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Schaut man sich die Klimabedingungen an, die der Elefant in den fast einer Million Jahre seiner Existenz überlebt hat, zeigt sich: Das derzeitige europäische Klima wäre immer noch geeignet für Palaeoloxodon antiquus, den Europäischen Waldelefanten, der auch als Eurasischer Altelefant bekannt ist. Insbesondere das Klima in West- und Zentraleuropa wäre für den Waldelefanten gut verträglich, mit Ausnahme von Bergregionen wie den Alpen oder dem Kaukasus. Trotzdem ist er seit zehntausenden Jahren ausgestorben. Die jüngsten Knochenfunde der Elefanten sind 44.000 Jahre alt.

Die Elefanten hatten schon mehrere Eiszeiten überlebt

Ökologin Franka Gaiser hat mit einem Team der Universität Bayreuth die Lebensbedingungen des Elefanten unter die Lupe genommen. Und zwar, indem sie die Fossilien den jeweiligen Klimabedingungen zuordneten. Und unsere Modelle zeigen eben, dass es vor allem im mediterranen Raum von Europa warm genug war und es auch genug Niederschlag gab, damit der Waldelefant hätte überleben können, bis heute", so Gaiser. Außerdem sei es nicht die erste Eiszeit gewesen, denn im Verlauf seines Daseins auf dem Kontinent gab es mehrere.

Der letzte Glazial-Interglazial-Zyklus, in dem die Tiere verschwanden, umfasste die letzte Eiszeit, die vor etwa 115.000 Jahren begann und mit dem Beginn des Holozäns vor etwa 11.700 Jahren endete. Damals hatten sich zwar die Lebensräume der Großtiere immer weiter verringert – aber die vermutlich entscheidende Rolle spielten doch der Neandertaler und der moderne Mensch, der vor rund 50.000 Jahren ins Spiel kam. Auch andere Forschungsgruppen hätten bereits nachgewiesen, dass die Klimaveränderungen allein dem Waldelefanten nicht zum Verhängnis wurden. Wenn man sehr wenig Essen findet, weil während einer Eiszeit wenig wächst, und dann noch bejagt wird, so Gaiser, "dann ist es eben schwierig zu überleben."

Es geht nicht um die Schuld der Menschen

Aber die Frage, die die Forschenden beantworten wollten, war nicht, wie groß die Rolle des Menschen oder Neandertalers für das Ende des Waldelefanten war. Sie überlegten, welche Bedeutung ein solcher Vertreter der sogenannten Megafauna heute für Ökosysteme hätte. Denn während seiner Lebenszeit hat der europäische Waldelefant dazu beigetragen, dass offene Flächen und lichte Wälder die Landschaft Europas geprägt haben. Und so sind viele heimische Pflanzenarten heute an solche Bedingungen angepasst.

Offen Flächen, Steppen, kein Wald? Ja, erklärt Manuel Steinbauer, Professor für Sportökologie an der Universität Bayreuth. Dieses Missverständnis gibt es immer wieder. "Der deutsche Name 'Waldelefant' entstammt der Annahme, dass diese Art bevorzugt in bewaldeten Regionen Europas lebte", so Steinbauer. "Fossilfunde zeigen jedoch, dass P. antiquus oft in offenen oder halboffenen Habitaten mit mosaikartiger Vegetation lebte, ähnlich wie moderne Elefanten." Und auf diesen Flächen waren die Elefanten Ökosystemingenieure, die dafür sorgen konnten, das andere Arten insbesondere Pflanzen sich ausbreiteten oder eben nicht. Das gilt auch heute noch für die Elefanten etwa in Afrika, die dortigen Wald- und Buschelefanten sind sogar die nächsten noch lebenden Verwandten der bei uns ausgestorbenen Tiere.  

Was bringt Rewilding mit Elch oder Wisent?

Können wir solche Effekte mit heutigen Naturschutzbemühungen auch erzielen? Aktuell gibt es bereits Projekte für sogenanntes Rewilding. Dabei geht es um die "Wiederherstellung selbsterhaltender und komplexer Ökosysteme durch die Wiederherstellung natürlicher Prozesse und gegebenenfalls die Wiedereinführung verlorener Arten" heißt es in der Studie. Elche und Wisente hätten genug Platz bei uns, das wissen wir bereits. Nicht nur in der Uckermark, sondern auch im Harz oder Thüringer Wald. "Der Elefant war ja nicht die einzige Megafauna, die damals gelebt hat, sondern auch andere große Säugetiere", erklärt Franka Gaiser. "Deshalb nimmt man dann heute sehr ähnliche Arten, die aber noch leben."

Der Rückkehr großer Fleisch- und Pflanzenfresser wie Wolf und Elch in das Oderdelta stehen viele Menschen in Deutschland und Polen offen gegenüber, hat eine Studie aus Halle 2023 gezeigt. Alle diese Tiere gehören – wie der ausgestorbene Waldelefant – zur sogenannten Megafauna.

Was ist Megafauna

Der Begriff der Megafauna ist immer noch Gegenstand von Diskussionen. Bei Landtieren sind es diejenigen, die körperlich die größten Organismen darstellen. Ob das mit Tieren ab zwei, zehn oder 1.000 Kilogramm beginnt, ist aber nicht exakt festgelegt. Und es sei auch nicht nur die Größe, sondern der Einfluss auf das Ökosystem, der berücksichtigt werden müsste, so Marcos Moleón, Professor für Zoologie an der Universität Granada (Spanien) in einer Studie zum Thema, die 2020 in Proceedings of The Royal Society erschien und versuchte, sich der Definition anzunähern. "Für einen Meeresbiologen, der sich mit dem Meeresboden beschäftigt, kann die Megafauna zum Beispiel eine Krabbe oder eine Meeresschnecke sein, für einen Bodenforscher könnte die Megafauna ein Regenwurm sein, für einen Paläontologen bezieht sich die Megafauna auf Wirbeltiere, die dem Menschen im Gewicht ähnlich oder überlegen sind und für einige Land-Ökologen sollten nur Pflanzenfresser mit einem Gewicht von mehr als einer Tonne als Megafauna bezeichnet werden."

Elefanten-Wanderungen wären heute nicht mehr möglich

Die Idee dahinter ist, dass man Pflanzenarten, die Offenland bevorzugen, im Gegensatz zu einem dichten Wald, fördert, sagt Gaiser. Trotz aller Bemühungen wären die Ergebnisse solcher Projekte als Versuch, die frühere ökologische Rolle der Tiere heute nachzuahmen, fraglich. "Nur, weil man ein Bison ansiedelt, heißt das nicht, dass man die Natur sehen wird, wie zu der Zeit, als der Elefant und ganz viele andere Arten wie das Mammut gelebt haben." Die Studie selbst benennt dafür unter anderem folgende Gründe: "Auch wenn das Klima noch immer geeignet sein mag, haben sich die ökologischen Prozesse, die Anpassung und Selektion in der Natur prägen, seit dem Quartär erheblich verschoben, hauptsächlich aufgrund menschlicher Einflüsse."

Heutige Rewilding-Projekte beschränken sich zudem auf begrenzte Gebiete. "Großräumige Migrationsdynamiken, die einst die europäischen Ökosysteme verbanden, sind in den heutigen fragmentierten Landschaften nicht mehr möglich", so die Studie. Elefanten-Wanderungen über den ganzen Kontinent wären gar nicht möglich. Und damit auch das, was neben dem Fressen immer auch eine Rolle spielt. Denn sie hinterlassen überall ihren Dung. "Und diese Nährstoffe verteilen sie so über den Kontinent. Das kann heute in Europa nicht passieren, wenn die Bisons innerhalb ihres Naturparks bleiben." Vergangene Ökosystem wiederherzustellen, ist aufgrund der Komplexität der Natur nicht möglich, sagt Gaiser. "Aber wir können versuchen, Bedingungen zu schaffen, die denen von früher ähneln und dann werden ein paar Arten davon profitieren können."

Waldelefant (Palaeoloxodon antiquus) und Knochen, ausgestellt im Landesmuseum für Vorgeschichte im Landesamt für Archäologie in Halle 1 min
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MDR KULTUR - Das Radio Fr 25.04.2025 16:21Uhr 00:50 min

https://www.mdr.de/wissen/audios/audio-waldelefanten-und-naturschutz-100.html

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Mit anderen Worten: Guter Versuch, aber das, was war, kriegen wir nicht mehr zurück. Was uns natürlich nicht daran hindern sollte, das, was ist, so gut wie möglich zu erhalten.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 25. April 2025 | 16:45 Uhr

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