Ifo-Umfrage Ökonomen erwarten negative Folgen durch Wahlerfolge von AfD und BSW
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16. September 2024, 12:57 Uhr
Die Wahlergebnisse von AfD und BSW in Sachsen und Thüringen machen Wirtschaftswissenschaftlern Sorgen. Eine große Mehrheit erwartet negative wirtschaftliche Konsequenzen für die Länder. Das geht aus einer Befragung des Münchner Ifo-Instituts unter 185 Ökonomen hervor. Demnach werden die Standorte für Fachkräfte unattraktiver. Auch bei Investitionsentscheidungen von Unternehmen sei schwieriger. Mittelständische Unternehmer hatten sich im Vorfeld der Wahl sich gegen die AfD ausgesprochen.
Die Ergebnisse der Landtagwahlen in Thüringen und Sachsen dürften sich nach Einschätzung von Ökonomen negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung in den beiden Bundesländern auswirken. In einer Befragung des Münchner Ifo-Instituts unter 185 Ökonomen rechneten 67 Prozent der Befragten für Sachsen mit einer negativen ökonomischen Entwicklung durch das Landtagswahlergebnis. Für Thüringen sind es sogar 74 Prozent.
Lediglich etwas über ein Viertel für Sachsen und weniger als ein Viertel für Thüringen der Experten bewerten die Wahlergebnisse als neutral für die Wirtschaftsentwicklung. Positive Effekte werden nur von einer sehr kleinen Anzahl erwartet. "Diese Ergebnisse unterstreichen, wie stark Wahlausgänge wirtschaftliche Erwartungen beeinflussen", sagte der Leiter des Ifo-Zentrums für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie, Niklas Potrafke. Ihm zufolge sollte die einhellige Einschätzung von Wirtschaftsexperten, dass der Zuspruch für radikale Parteien dem Wirtschaftsstandort schwer schaden wird, ein Weckruf für die Bevölkerung sein.
AfD-Wahlerfolg in Ostdeutschland: Für Fachkräfte unattraktiver
Besonders negativ sehen die befragten Wirtschaftsexperten die Folgen der AfD-Erfolge für die Attraktivität der Länder bei Fachkräften. Hier erwarten fast 84 Prozent der Befragten negative oder sehr negative Folgen, positive oder sehr positive nur drei Prozent.
Das zeigt sich auch in einer Recherche von MDR THÜRINGEN. Demnach kommt etwa jeder vierte Krankenhausarzt im Freistaat aus dem Ausland. Sie vertretende Verbände, wie etwa die "Syrische Gesellschaft für Ärzte und Apotheker", sind besorgt, dass nun viele überlegen würden, wegzuziehen.
Auch die Ergebnisse des BSW machen den vom Ifo-Institut befragten Ökonomen Sorgen. Gut 60 Prozent sehen negative Folgen für den Wirtschaftsstandort. Dabei werden "die Auswirkungen des BSW-Wahlerfolgs auf die wirtschaftliche Entwicklung als etwas weniger negativ im Vergleich zur AfD eingeschätzt", erklärte Ifo-Forscher Aaron Günther. Hier sehen die meisten Befragten vor allem negative Folgen für die Investitionsentscheidungen von Unternehmen.
Für die Erhebung wurden in der Zeit vom 3. bis 10. September 185 deutsche Professorinnen und Professoren der Volkswirtschaftslehre befragt. Die Umfrage ist nicht repräsentativ.
Mehrheit der Unternehmen in Thüringen gegen AfD ausgesprochen
Bereits vor der Wahl hatten sich insbesondere mittelständische Unternehmer gegen die AfD ausgesprochen. Der Thüringer Jenoptik-Konzern warb mit einer großen Plakatkampagne für Weltoffenheit. Auch die neue Landesvorsitzende der Familienunternehmer in Thüringen, Colette Boos-John, steht einer AfD-Regierung kritisch gegenüber. "Also für mich ist das absolut undenkbar." Die Bauunternehmerin wirbt für eine weltoffene Wirtschaft.
Im Wahlkampf hatte Thüringens AfD-Chef Björn Höcke bei einem Auftritt in Sömmerda eine Kampagne deutscher Familienunternehmen, die für Vielfalt warb, als "Heuchelei" bezeichnet. Er sagte: "Ich hoffe, dass diese Unternehmen in schwere, schwere wirtschaftliche Turbulenzen kommen." Der Auftritt wurde unter anderem von einem Journalisten von Welt und Welt am Sonntag gefilmt, der die Passage bei X (früher Twitter) veröffentlichte.
Colette Boos-John sagte MDR THÜRINGEN, AfD-Chef Höcke zeige mit seinen Äußerungen, wie wirtschaftsfeindlich er sei. Damit schade er letztlich auch den Mitarbeitern in den Unternehmen. Höcke will sich dagegen mit seiner Aussage nur auf die Firmen Miele, Vorwerk und Stihl bezogen haben.
Der Geschäftsführer des Verband der Wirtschaft Thüringens, Matthias Kreft, hält wenig von einer AfD-Regierung. Er sagt, das könne man der CDU nicht abverlangen, die ja dann nur Juniorpartner wäre. Es laufe auf Sondierungen zwischen CDU, BSW und Linken hinaus, sagt Kreft. Der Thüringer Verleger und Druckereibesitzer Harald Frank, bekennt sich dagegen klar zur AfD. Er war früher Landesvorsitzender vom Verband der Familienunternehmer. Inzwischen engagiert er sich für die AfD.
AfD erzielte große Erfolge bei Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen
In Thüringen ist die AfD erstmals bei einer Landtagswahl stärkste Kraft geworden. Sie erhielt 32,8 Prozent der Stimmen, während das erstmals angetretene Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auf 15,8 Prozent kommt.
In Sachsen wurde die AfD zweitstärkste Kraft mit 30,6 Prozent nach der CDU (31,9 Prozent), während das BSW auf 11,8 Prozent kam. In beiden Ländern zeichnet sich eine schwierige Regierungsbildung ab.
RTR/dpa (lmb)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 03. September 2024 | 06:18 Uhr