Faktencheck Ukraine-Krieg: Westliche Waffen wegen Mangel an sowjetischer Munition?
Hauptinhalt
24. Januar 2023, 10:57 Uhr
Die sowjetische Munition geht in der Ukraine offenbar zuneige. Das Land fordert auch deswegen mehr Waffen aus dem Westen, weil es leichter ist, an Munition zu kommen. Ein Faktencheck.
- Westliche Waffensysteme und Munition wird in der Ukraine öfter eingesetzt, weil die Munitionslage besser ist.
- Westliche Waffenlieferungen werden für die Ukraine im Krieg immer wichtiger, auch, weil Munitionslager in Bulgarien und Tschechien vom russischen Geheimdienst bereits vor Jahren zerstört wurden.
- Bereits seit 2014 hat die Ukraine daher angefangen, ihre Waffensysteme auf westliche Waffen umzustellen und fordert schon seit Jahren mehr Waffenlieferungen.
Die ukrainische Militärführung erklärt, sie brauche Hunderte Panzer, um die besetzten Gebiete zurückzuerobern. Diese Forderungen haben einen Grund, sagte Dietmar Bartsch, Co-Vorsitzender der Linken. Bisherige ukrainische Waffen stammten aus sowjetischer Produktion, die Munition würde langsam knapp.
Schreibt man Gustav Gressel eine E-Mail, dann kommt postwendend eine automatisierte Nachricht zurück: Seit dem 24. Februar 2022 erhalte er mehr Anfragen als er jemals beantworten könne. Gressel ist seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine einer der gefragtesten Militärexperten.
Im praktischen Einsatz kommt das zahlenmäßig geringere westliche Gerät öfter zum Einsatz, weil die Munitionslage da besser ist.
Er arbeitet bei der europäischen Denkfabrik European Council on Foreign Relations und weiß zum Beispiel, über welche Artilleriewaffen Kiew verfügt: "Bei der Artillerie ist es ungefähr so, dass ein Drittel westliches Gerät ist. Allerdings ist es so, dass die Munition dafür mehr verfügbar ist. Das heißt: Im praktischen Einsatz kommt das zahlenmäßig geringere westliche Gerät öfter zum Einsatz, weil die Munitionslage da besser ist. Man hat natürlich noch Gerät östlicher Bauart im Lagerbestand und wartet es und so weiter."
Westliche Waffenlieferungen werden wichtiger
Genaue Daten hält die ukrainische Armee geheim. Experten schätzen die Waffenbestände anhand von Kriegseinsätzen, Verlusten und Lieferungen. Im Prinzip, sagt der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte, beruhe die ukrainische Militärstrategie auf zwei Säulen: "Erste Säule ist die Nutzung von Material altsowjetischer Bauart. Denn die waren noch im Bestand der Ukraine und osteuropäischer Länder. Allerdings gehen die jetzt zur Neige aufgrund der Abnutzung und der erhöhten Verteidigungstätigkeiten."
Die zweite Säule seien die westlichen Waffenlieferungen, so Otte. Die werden wichtiger, weil zum Beispiel die Munition für Kampfpanzer und die Flugabwehr aus sowjetischer Produktion knapp wird. Die Engpässe hängen auch damit zusammen, dass in den vergangenen Jahren mehrere Munitionslager in Bulgarien und Tschechien zerstört wurden.
Nico Lange von der Münchner Sicherheitskonferenz: "Das waren Operationen des russischen Militärgeheimdienstes, die sich ganz gezielt gegen diese Munitionsdepots und Munitionsfabriken gerichtet haben. Daran kann man auch sehen, dass dieser Krieg von langer Hand vorbereitet worden ist."
Seit 2014: Umstellung der Waffensysteme früh begonnen
Deswegen hat die Ukraine schon vor längerer Zeit begonnen, ihre Waffensysteme umzustellen. Konkret: Mit der Annexion der Krim und dem russischen Einmarsch im Donbass 2014. "Danach hat die Ukraine angefangen, sich noch schneller zu modernisieren, auch nach NATO-Standards zu üben, die Leute anders auszubilden und natürlich auch die Ausrüstung zu verändern.
Das ist ein Prozess, der läuft seit 2014. Deswegen gab es auch schon vor Kriegsbeginn westliche Waffensysteme in der Ukraine. Und jetzt gibt es eben eine Mischung aus ehemalig sowjetischen und westlichen Systemen in den ukrainischen Streitkräften", erklärt Nico Lange.
Fazit: Der Linken-Politiker Dietmar Bartsch hat Recht. Allerdings will die Ukraine nicht erst seit heute, sondern schon seit vielen Jahren westliche Waffen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 24. Januar 2023 | 06:20 Uhr