Einsamkeit Alkoholsucht bei Senioren bleibt ein Problem
Hauptinhalt
24. Dezember 2024, 05:00 Uhr
Alkohol ist die Volksdroge Nummer eins in Deutschland. Alkoholsucht ist nicht nur weit verbreitet, sie ist auch weiter sehr stigmatisiert – besonders unter älteren Menschen. Zuletzt stieg die Zahl älterer Menschen mit einer Abhängigkeit sogar. Wodurch kommt es im Alter zur Alkoholsucht? Und wie sieht es aus, wenn alkoholkranke Menschen gepflegt werden müssen?
- In Deutschland leiden mehr als 400.000 Menschen ab einem Alter von 65 Jahren unter Alkoholismus.
- Für viele stellt der Wechsel vom Berufsleben in die Rente eine große Herausforderung dar.
- Aus Angst vor Stigmatisierung handeln viele der Betroffenen zu spät.
- Da Alkoholiker einen besonderen Pflegebedarf haben, fällt es schwer, passende Pflegeplätze zu finden.
Wenn Friedel Weyrauch ältere Menschen mit Alkoholkrankheit zu Hause besucht, ist ihr vor allem eines wichtig – der Austausch. Weyrauch war selbst zehn Jahre lang Alkoholikerin. Ihr hat es geholfen, die Geschichten von anderen zu hören: "Da haben die mir jemanden von den anonymen Alkoholikern geschickt. Und wie der seine Geschichte erzählt hat, dachte ich, der erzählt doch meine Geschichte." Weyrauch leitet das DRK-Selbsthilfezentrum. Sie sagt, über die Krankheit zu sprechen sei wichtig. Besonders während dieser Besuche oder auch über die telefonische Seelsorge. Denn das sind oft die einzigen Möglichkeiten, alleinstehende alte Menschen zu erreichen.
Laut der aktuellsten Befragung des Barmer Instituts für Gesundheitssystemforschung gab es im vorletzten Jahr 289.000 alkoholkranke Menschen im Alter zwischen 65 und 74 Jahren. In der Altersgruppe ab 75 Jahren waren es 147.400. Der Anteil der diagnostizierten Männer ist weiterhin höher als bei Frauen. Insgesamt steigt die Zahl älterer Menschen mit Alkoholsucht.
Renteneintritt für viele eine Herausforderung
Was auch damit zusammenhängt, dass unsere Gesellschaft immer älter wird. Neben biochemischen Prozessen, zum Beispiel einer geringeren Alkoholtoleranz im Alter, könnten aber auch mehr Medikamente oder tiefe Lebenseinschnitte zu höherer Suchtanfälligkeit führen, sagt Falk Zimmermann, Vorsitzender des Landesverbands für Suchtkrankenhilfe bei der Diakonie Sachsen. Der Wechsel vom Berufsleben in die Rente sei für viele Leute ein großer Einschnitt. Sie fühlten sich dann manchmal nicht mehr gebraucht. "Wo sie dann eben möglicherweise manchmal auch Einsamkeit spüren. Das führt dann auch dazu, dass man häufig zur Flasche oder eben zum Suchtmittel greift", erklärt Zimmermann. Das könne schließlich zu einer Suchtkrankheit führen.
Die Zahlen zur Alkoholabhängigkeit beziehen sich immer auf Menschen mit einer Diagnose. Die Dunkelziffer dürfte auch bei älteren Menschen höher sein.
Betroffene handeln oft zu spät
Georg Schomerus ist Leiter der Psychiatrie in der Uniklinik Leipzig. Er sagt, Alkoholkrankheit sei oft der Elefant im Raum. "Ich glaube, dass das Umfeld das sehr früh mitbekommt. Ich glaube aber, dass man es nicht anspricht, weil es so stigmatisiert ist. Man hat ja das Gefühl, wenn man jemanden darauf anspricht, dass man dem ins Gesicht schlägt." Oft werde erst dann gehandelt, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Wenn beispielsweise das Korsakow-Syndrom eintritt. Die Krankheit, die auch Alkoholdemenz genannt wird, ist eine Schädigung des Gehirns durch den Alkohol. Folgen sind Gedächtnisstörungen, Verwirrtheit und Bewegungsstörungen.
Besonderer Pflegebedarf für Alkoholkranke
Bei Pflegebedarf ist es dann für alkoholkranke Menschen besonders schwer, Pflegeplätze zu finden. Denn Alkoholiker haben einen speziellen Pflegebedarf. Ein Pflegeheim könne diese Bedarfe nicht abdecken, sagt Falk Zimmermann. Von Spezialeinrichtungen, die das könnten, gebe es bisher zu wenig. "Die Einrichtungen der klassischen Pflege müssen sich auch schon auf die Personen mit Suchterkrankung einstellen, und sie tun das auch. Aber es gibt halt Konstellationen, wo es aus unserer Sicht Spezialeinrichtungen bedarf."
Deswegen sollten Betroffene, aber auch deren Angehörige, schon beim Verdacht einer Krankheit Suchtberatungsstellen aufsuchen. Dort kann auch bei der Vermittlung von Pflegeplätzen für Alkoholkranke geholfen werden. Sonst besteht die Gefahr, dass die Probleme noch größer werden.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 24. Dezember 2024 | 06:00 Uhr