Angela Merkel (CDU), ehemalige Bundeskanzlerin, nimmt als Zeugin an der öffentlichen Sitzung des Afghanistan-Untersuchungsausschusses des Bundestags teil.
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Untersuchungsausschuss Merkel zu Afghanistan: "Müssen feststellen, gescheitert zu sein"

06. Dezember 2024, 11:05 Uhr

Angela Merkel hat den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan verteidigt. Sie habe nicht erwartet, dass die afghanische Armee so schnell geschlagen werde, sagte die Altkanzlerin im Untersuchungsausschuss des Bundestages. Auch die Evakuierung von Ortskräften habe nicht früher organisiert werden können, erklärte die Kanzlerin.

Altbundeskanzlerin Angela Merkel hat das Vorgehen und die Entscheidungen der Bundesregierung rund um den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan verteidigt. Bei Verlassen der deutschen Soldatinninen und Soldaten sowie der Räumung von Camp Marmal im Norden Afghanistans sei damals alles gut gelaufen, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag im Afghanistan-Untersuchungsausschuss des Bundestages. "Der Zeitplan wurde eingehalten. Ich war darüber sehr erleichtert."

Dass der Kampfwille so schwach war, hatte ich so nicht erwartet.

Angela Merkel, CDU Altkanzlerin

Stundenlang stellte sich Merkel den Fragen von Abgeordneten dazu, wie es Ende August 2021 zu dem überstützten Abzug westlicher Soldaten und von afghanischen Helferinnen und Helfern kommen konnte. Auch mit Blick auf die Evakuierung von Ortskräften äußert Merkel dabei wenig Selbstkritik. Ihr sei erst seit dem 13. August bewusst gewesen, dass es zu einem Zusammenbruch des Landes kommen werde, erklärte frühere Regierungschefin. "Dass die Armee der Regierung kaum Widerstand geleistet hat, dass der Kampfwille so schwach war, hatte ich so nicht erwartet", räumte Merkel ein.

Kaum Selbstkritik bei Evakuierung von Ortskräften

Viele Ortskräfte von Bundeswehr, Polizei und Entwicklungsorganisationen mussten wegen des überstürzten Abzugs zurückbleiben. Hätte die Regierung sich nicht früher auf die Evakuierung dieser Personen vorbereiten müssen? Das wies Merkel zurück. Solche Vorbereitungen wären publik und Panik ausgelöst worden. Zudem habe sie den Eindruck vermeiden wollen, Afghanistan schon frühzeitig aufzugeben und im Stich zu lassen.

Angela Merkel (CDU), ehemalige Bundeskanzlerin, nimmt als Zeugin an der öffentlichen Sitzung des Afghanistan-Untersuchungsausschusses des Bundestags teil.
Angela Merkel vor Beginn in ihrer Befragung im Afghanistan-Untersuchungsausschuss Bildrechte: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Die Bundesregierung habe zwar bereits im Frühsommer 2021 über beschleunigte Visa-Verfahren für Ortskräfte debattiert, erklärte Merkel. Das sei aber insbesondere im Innenministerium unter Führung von Horst Seehofer (CSU) auf Vorbehalte gestoßen. Merkel sagte, das Innenministerium habe die Aufgabe gehabt, dafür zu sorgen, "dass wir uns nicht Kräfte ins Land holen, die für terroristische Anschläge verantwortlich sind". Das habe sie nicht zur Seite wischen können. "Dieses Dilemma habe ich schon sehr deutlich gespürt", sagte die ehemalige Kanzlerin.

Seit 2021 hat Deutschland tausende gefährdete Menschen aus Afghanistan aufgenommen. Bis April diese Jahres kamen nach Angaben des Bundesinnenministeriums mehr als 33.000 Menschen in Deutschland an, davon mehr als 20.000 lokale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Familienangehörige. Inzwischen schiebt Deutschland andererseits wieder abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan ab.

Einsatz grundsätzlich richtig

Im Ausschuss verteidigte Merkel den Einsatz in Afghanistan grundsätzlich. Sie halte es auch im Rückblick gesehen für richtig, die USA nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 unterstützt zu haben, weil die begründete Hoffnung bestanden habe, dass keine terroristischen Angriffe mehr von Afghanistan ausgehen, sagte die Altkanzlerin. "Bei allen anderen Zielen" – von der Rechtsstaatlichkeit bis zu den Frauenrechten – "müssen wir, muss die internationale Gemeinschaft, feststellen, gescheitert zu sein", führt sie weiter aus. Als Ursachen für dieses Scheitern nennt sie unter anderem mangelndes kulturelles Verständnis der westlichen Verbündeten, Vetternwirtschaft und Rauschgifthandel.

Merkel ist voraussichtlich die letzte Zeugin, die vor dem Ausschuss ausgesagt hat. Der Ausschuss hat den Auftrag, die Umstände der hektischen deutschen Evakuierung aus Kabul und die Entscheidungswege mit Blick auf die Aufnahme afghanischer Ortskräfte zu untersuchen. Dabei soll er auf mögliche politische Fehlentscheidungen hinweisen und Empfehlungen für das Handeln in der Bundesregierung in künftigen Krisen und Konflikten abgeben.

Ralf Stegner 5 min
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epd/dpa/MDR (ala)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL - das Nachrichtenradio | 06. Dezember 2024 | 08:17 Uhr

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