Ferda Ataman, Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung
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Jahresbericht Zahl der gemeldeten Fälle von Diskriminierung auf Rekordhoch

25. Juni 2024, 22:31 Uhr

Immer mehr Menschen wenden sich aufgrund von Diskriminierung wegen Rassismus, Behinderung, Geschlecht oder Alter an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Besonders häufig wurden Fälle aus dem Arbeitsleben gemeldet. Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, sprach von einer ernsten Lage.

Im vergangenen Jahr haben sich erneut mehr Menschen wegen einer Diskriminierungserfahrung an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gewandt. Sie registrierte 2023 mit knapp 10.800 Beratungsanfragen rund 2.000 mehr als im Vorjahr. Die Zahl stieg damit auf einen Rekordwert. Das geht aus dem Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle hervor.

Betroffene erleben Diskriminierung im Alltag

Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, sprach bei der Vorstellung des Berichts von einem alarmierenden Trend. Sie sagte, Rassismus äußere sich offener, direkter und härter. Eine "Ausländer-Raus"-Stimmung und zunehmende Menschenverachtung beobachte man nicht nur beim Feiern auf Sylt oder auf Volksfesten.

Migranten, Menschen mit Behinderung und queere Menschen erlebten Diskriminierung ganz konkret in ihrem Alltag, laut Ataman etwa im Job oder bei der Wohnungssuche. Die Betroffenen fühlten sich zunehmend alleingelassen.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schreibt vor, dass Menschen nicht aus rassistischen Motiven oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt werden dürfen.

Rassistische und antisemitische Diskriminierung am häufigsten

Nach Atamans Angaben bezogen sich mit 41 Prozent die meisten Anfragen an die Antidiskriminierungsstelle auf rassistische oder antisemitische Diskriminierung. In 25 Prozent der Fälle ging es um Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung, in 24 Prozent wegen des Geschlechts. 14 Prozent der Anfragen bezogen sich auf Benachteiligungen wegen des Alters.

Besonders oft findet Diskriminierung dem Bericht zufolge weiterhin im Arbeitsleben statt. Der zweitgrößte Teil der Beratungsfälle bezog sich auf Ausgrenzungserfahrungen im Alltag, zum Beispiel im Restaurant, beim Einkaufen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln. An dritter Stelle liegen schlechte Erfahrungen mit Ämtern, Behörden, Polizei und Justiz.

Mehr Menschen wehren sich offenbar gegen Diskriminierung

Ataman verweist darauf, dass die Zahlen der Antidiskriminierungsstelle nicht das ganze Ausmaß der Diskriminierungsfälle erfasst. So gebe es neben der Antidiskriminierungsstelle des Bundes weitere Anlaufstellen, an die sich Betroffene wenden könnten. Außerdem würden die meisten Betroffenen Diskriminierung gar nicht melden.

Ataman erklärte, der Anstieg der Zahlen lasse keine Rückschlüsse darauf zu, ob Diskriminierung in der Gesellschaft tatsächlich zunehme. Der Anstieg der Zahlen könne auch bedeuten, dass sich mehr Menschen gegen Diskriminierung wehrten und das Angebot der Antidiskriminierungsstelle nutzen.

Beispiele von Diskriminierung aus dem Bericht

Der Bericht stellt einige Beispielfälle von Betroffenen heraus.

  • So wandte sich etwa ein Mann mit schwarzer Hautfarbe an die Antidiskriminierungsstelle. Er war der Schilderung zufolge als Einziger beim Betreten eines Kaufhauses vom Ladendetektiv aufgefordert worden, sich auszuweisen. Der Detektiv begründete das Vorgehen damit, dass es häufiger zu Diebstählen durch Schwarze gekommen sei.

  • In einem weiteren Fall berichtete eine pensionierte Lehrerin, dass sie nach einer Bewerbung auf eine Vertretungsstelle abgewiesen worden sei, weil das Kollegium jung sei und ältere Lehrer dort nicht zurechtkämen.

Die Antidiskriminierungsstelle Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes berät seit 2006 Betroffene auf Basis des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes bei der Durchsetzung ihrer Rechte. Die Stelle holt auch Stellungnahmen der Gegenseite ein und vermittelt gütliche Einigungen. Über die Jahre hat sich die Gesamtzahl der Beratungsanfragen immer weiter erhöht.

Ataman fordert Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes

Ataman drängte auf eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Sie erklärte, darin müsse der Diskriminierungsschutz gestärkt werden. Das Gesetz stamme aus dem Jahr 2006 und sei inzwischen veraltet. Es greife etwa bei Diskriminierung im öffentlichen Raum oder durch staatliche Stellen nicht. Das betreffe etwa Diskriminierung bei Ämtern und Behörden, an Universitäten oder Schulen oder Diskriminierung durch Polizei oder Justiz.

dpa/epd(jks)

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 25. Juni 2024 | 16:06 Uhr

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